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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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An die Günderode.

Dem Clemens hab ich geschrieben, einen langen Brief,
und ihm auch von Dir gesagt, daß Du ihm gut bist,
und daß ich Dir lange Briefe schreibe auf die Du nur
kurz oder auch wohl gar nicht antwortest. Ich hab ihm
erzählt, ich spreche zu Dir wie zum Widerhall um mich
zu fühlen, zu hören, und lege meinen Gedanken und
Einbildungen keinen Zaum an; und daß es sei als ob
ein guter Genius diese Briefe hervorbringe; -- so ant¬
wortet er: "um Deine Briefe ist die Günderode zu be¬
neiden, wenn sie das sind, was Dein Genius hervor¬
bringt, wenn sie aber so wenig antwortet, so ist das
gar wunderlich, entweder ist nichts zu antworten, oder
alles schon abgethan." --

Heute schreibt er mir den langen Brief über Dich,
ich hab doch recht, er hat Dich lieb, und hat Dich nicht
wollen beleidigen, und seine Seelen alle, sind doch nur
eine gute, denn bist Du ein Kind, so ist er es auch zu
Dir; aber Kinder lassen sich nicht drauf ein empfindlich zu
sein, sie sind gleich wieder gut und lassen den Strom vom
Ufer wegspühlen die Spielzeuge die sie einander zerbro¬
chen haben, und erfinden sich neue, ergötzlichere. Lese den

An die Günderode.

Dem Clemens hab ich geſchrieben, einen langen Brief,
und ihm auch von Dir geſagt, daß Du ihm gut biſt,
und daß ich Dir lange Briefe ſchreibe auf die Du nur
kurz oder auch wohl gar nicht antworteſt. Ich hab ihm
erzählt, ich ſpreche zu Dir wie zum Widerhall um mich
zu fühlen, zu hören, und lege meinen Gedanken und
Einbildungen keinen Zaum an; und daß es ſei als ob
ein guter Genius dieſe Briefe hervorbringe; — ſo ant¬
wortet er: „um Deine Briefe iſt die Günderode zu be¬
neiden, wenn ſie das ſind, was Dein Genius hervor¬
bringt, wenn ſie aber ſo wenig antwortet, ſo iſt das
gar wunderlich, entweder iſt nichts zu antworten, oder
alles ſchon abgethan.“ —

Heute ſchreibt er mir den langen Brief über Dich,
ich hab doch recht, er hat Dich lieb, und hat Dich nicht
wollen beleidigen, und ſeine Seelen alle, ſind doch nur
eine gute, denn biſt Du ein Kind, ſo iſt er es auch zu
Dir; aber Kinder laſſen ſich nicht drauf ein empfindlich zu
ſein, ſie ſind gleich wieder gut und laſſen den Strom vom
Ufer wegſpühlen die Spielzeuge die ſie einander zerbro¬
chen haben, und erfinden ſich neue, ergötzlichere. Leſe den

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[190/0204] An die Günderode. Dem Clemens hab ich geſchrieben, einen langen Brief, und ihm auch von Dir geſagt, daß Du ihm gut biſt, und daß ich Dir lange Briefe ſchreibe auf die Du nur kurz oder auch wohl gar nicht antworteſt. Ich hab ihm erzählt, ich ſpreche zu Dir wie zum Widerhall um mich zu fühlen, zu hören, und lege meinen Gedanken und Einbildungen keinen Zaum an; und daß es ſei als ob ein guter Genius dieſe Briefe hervorbringe; — ſo ant¬ wortet er: „um Deine Briefe iſt die Günderode zu be¬ neiden, wenn ſie das ſind, was Dein Genius hervor¬ bringt, wenn ſie aber ſo wenig antwortet, ſo iſt das gar wunderlich, entweder iſt nichts zu antworten, oder alles ſchon abgethan.“ — Heute ſchreibt er mir den langen Brief über Dich, ich hab doch recht, er hat Dich lieb, und hat Dich nicht wollen beleidigen, und ſeine Seelen alle, ſind doch nur eine gute, denn biſt Du ein Kind, ſo iſt er es auch zu Dir; aber Kinder laſſen ſich nicht drauf ein empfindlich zu ſein, ſie ſind gleich wieder gut und laſſen den Strom vom Ufer wegſpühlen die Spielzeuge die ſie einander zerbro¬ chen haben, und erfinden ſich neue, ergötzlichere. Leſe den

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/204>, abgerufen am 29.03.2024.