Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
An die Bettine.

Du meinst wenn Du taumelst und ein bischen trun¬
ken bist das wär unaussprechlicher Geist? -- und Du
besäufst Dich aber auch gar zu leicht, -- weil Du den
Wein nicht verträgst, Du meinst es müßten neue Sprach¬
quellen sich öffnen um Deine Begriffe zu erhellen. Werd
ein bischen stärker, oder trinke nicht so viel auf einmal,
wolltest Du Dich fester ins Auge fassen, die Sprache
würde Dich nicht stecken lassen.

Von der Sprache glaub ich daß wohl ein Menschen¬
leben dazu gehört, um sie ganz fassen zu lernen, und
daß ihre noch unentdeckten Quellen, nach denen Du for¬
schest wohl nur aus ihrer Vereinfachung entspringen.
Den Rath möchte ich Dir geben, daß Du bei Deinem
Aussprechen von Gedanken das Beweisen aufgiebst, dies
wird Dirs sehr erleichtern. Der einfache Gedankengang
ergießt sich wohl von selbst in den Beweis, oder was
das nemliche ist: die Wahrheit selbst ist Beweis. Be¬
weislos denken ist, Freidenken; Du führst die Beweise zu
Deiner eignen Aushülfe. Ein solches freies Denken verein¬
facht die Sprache, wodurch ihr Geist mächtiger wird.
Man muß sich nicht scheuen das was sich aussprechen

An die Bettine.

Du meinſt wenn Du taumelſt und ein bischen trun¬
ken biſt das wär unausſprechlicher Geiſt? — und Du
beſäufſt Dich aber auch gar zu leicht, — weil Du den
Wein nicht verträgſt, Du meinſt es müßten neue Sprach¬
quellen ſich öffnen um Deine Begriffe zu erhellen. Werd
ein bischen ſtärker, oder trinke nicht ſo viel auf einmal,
wollteſt Du Dich feſter ins Auge faſſen, die Sprache
würde Dich nicht ſtecken laſſen.

Von der Sprache glaub ich daß wohl ein Menſchen¬
leben dazu gehört, um ſie ganz faſſen zu lernen, und
daß ihre noch unentdeckten Quellen, nach denen Du for¬
ſcheſt wohl nur aus ihrer Vereinfachung entſpringen.
Den Rath möchte ich Dir geben, daß Du bei Deinem
Ausſprechen von Gedanken das Beweiſen aufgiebſt, dies
wird Dirs ſehr erleichtern. Der einfache Gedankengang
ergießt ſich wohl von ſelbſt in den Beweis, oder was
das nemliche iſt: die Wahrheit ſelbſt iſt Beweis. Be¬
weislos denken iſt, Freidenken; Du führſt die Beweiſe zu
Deiner eignen Aushülfe. Ein ſolches freies Denken verein¬
facht die Sprache, wodurch ihr Geiſt mächtiger wird.
Man muß ſich nicht ſcheuen das was ſich ausſprechen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0033" n="19"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>An die Bettine.<lb/></head>
          <p>Du mein&#x017F;t wenn Du taumel&#x017F;t und ein bischen trun¬<lb/>
ken bi&#x017F;t das wär unaus&#x017F;prechlicher Gei&#x017F;t? &#x2014; und Du<lb/>
be&#x017F;äuf&#x017F;t Dich aber auch gar zu leicht, &#x2014; weil Du den<lb/>
Wein nicht verträg&#x017F;t, Du mein&#x017F;t es müßten neue Sprach¬<lb/>
quellen &#x017F;ich öffnen um Deine Begriffe zu erhellen. Werd<lb/>
ein bischen &#x017F;tärker, oder trinke nicht &#x017F;o viel auf einmal,<lb/>
wollte&#x017F;t Du Dich fe&#x017F;ter ins Auge fa&#x017F;&#x017F;en, die Sprache<lb/>
würde Dich nicht &#x017F;tecken la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Von der Sprache glaub ich daß wohl ein Men&#x017F;chen¬<lb/>
leben dazu gehört, um &#x017F;ie ganz fa&#x017F;&#x017F;en zu lernen, und<lb/>
daß ihre noch unentdeckten Quellen, nach denen Du for¬<lb/>
&#x017F;che&#x017F;t wohl nur aus ihrer Vereinfachung ent&#x017F;pringen.<lb/>
Den Rath möchte ich Dir geben, daß Du bei Deinem<lb/>
Aus&#x017F;prechen von Gedanken das Bewei&#x017F;en aufgieb&#x017F;t, dies<lb/>
wird Dirs &#x017F;ehr erleichtern. Der einfache Gedankengang<lb/>
ergießt &#x017F;ich wohl von &#x017F;elb&#x017F;t in den Beweis, oder was<lb/>
das nemliche i&#x017F;t: die Wahrheit &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t Beweis. Be¬<lb/>
weislos denken i&#x017F;t, Freidenken; Du führ&#x017F;t die Bewei&#x017F;e zu<lb/>
Deiner eignen Aushülfe. Ein &#x017F;olches freies Denken verein¬<lb/>
facht die Sprache, wodurch ihr Gei&#x017F;t mächtiger wird.<lb/>
Man muß &#x017F;ich nicht &#x017F;cheuen das was &#x017F;ich aus&#x017F;prechen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0033] An die Bettine. Du meinſt wenn Du taumelſt und ein bischen trun¬ ken biſt das wär unausſprechlicher Geiſt? — und Du beſäufſt Dich aber auch gar zu leicht, — weil Du den Wein nicht verträgſt, Du meinſt es müßten neue Sprach¬ quellen ſich öffnen um Deine Begriffe zu erhellen. Werd ein bischen ſtärker, oder trinke nicht ſo viel auf einmal, wollteſt Du Dich feſter ins Auge faſſen, die Sprache würde Dich nicht ſtecken laſſen. Von der Sprache glaub ich daß wohl ein Menſchen¬ leben dazu gehört, um ſie ganz faſſen zu lernen, und daß ihre noch unentdeckten Quellen, nach denen Du for¬ ſcheſt wohl nur aus ihrer Vereinfachung entſpringen. Den Rath möchte ich Dir geben, daß Du bei Deinem Ausſprechen von Gedanken das Beweiſen aufgiebſt, dies wird Dirs ſehr erleichtern. Der einfache Gedankengang ergießt ſich wohl von ſelbſt in den Beweis, oder was das nemliche iſt: die Wahrheit ſelbſt iſt Beweis. Be¬ weislos denken iſt, Freidenken; Du führſt die Beweiſe zu Deiner eignen Aushülfe. Ein ſolches freies Denken verein¬ facht die Sprache, wodurch ihr Geiſt mächtiger wird. Man muß ſich nicht ſcheuen das was ſich ausſprechen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/33
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/33>, abgerufen am 28.03.2024.