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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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oder Zusätze.
[Spaltenumbruch] sich erst nieder/ darnach die andern/ als man
sich pflegt um Rathschläge zu setzen. Und ei-
ner unter ihnen stund auff/ und winckte mit sei-
ner Hand/ als ein Redener/ und hatte ein lang
Kleid an. Da dieser ausgeredet/ und sich wie-
der niedergesetzet/ stund auch der auff/ der die
Krone auff hatte/ und oben an saß/ und zog sein
Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei-
ner/ der da schweret.

Da sich nun dieser wieder gesetzet/ steckten die
Männer alle miteinander ihre Häupter zu-
sammen/ als redeten sie einander heimlich et-
was zu/ stunden darnach auff/ und schlugen
in ihre Hände/ und setzeten sich wieder nie-
der.

Und in dem Niedersitzen/ siehe/ da erhebet sich
ein greuliches Ungestüm als eines gewalti-
gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen
und Donner mit einem sehr erschrecklichen
Feuer/ und im Feuer war ein glüend eiser-
nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Rost;
daran hiengen krumme und eingebogene
Feuer-Brände/ als wären sie voll Schwe-
fels und Pechs gewesen/ dieselben sprungen
von einander/ fielen auff die alle/ so in dem
Saal bey einander sassen/ und das Feuer
verzehrete sie/ daß sie alle als Wachs ver-
schmeltzten plötzlich/ also/ daß man weder
Saal noch Männer mehr sahe.

Und über dem feurigen Rost stund eine lange
regalische (realsche) Person/ derselbe hatte
ein feurig Schwerdt in seiner Hand/ und
schlug das Feuer von einander/ daß die Fun-
cken um ihn her stäubeten. Hinter diesem
stund ein anderer/ der war noch länger denn
der/ der das Feuer von einander schlug/
gleicher Gestalt als der HErr JEsus auff
dem Grabe gemahlet stehet; derselbe hatte
an seinen Händen und Füssen Wunden/
und auch die Wunden seiner Seiten geblös-
set/ und einen rothen Mantel/ als wäre er
von Seyde gewesen/ übergehencket/ und füh-
rete in seiner rechten Hand ein Panier/ und
sprach mit lauter Stimme: Also will ich
euch alle zerschmeissen/ als diese zerschmissen
sind/ wo ihr nicht rechtschaffene Busse thut/
etc.

Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget
ist/ sahe/ und hörete diese Stimme; konte ich
vor grossem Schrecken und Angst bey einer
Stunde nichts reden/ öffnete wohl offt den
Mund/ als einer der reden will/ aber die
Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward
also bange/ daß mich dünckete/ Himmel und
Erde hätten mir auff dem Leibe gelegen.
Mir ist auch zu keiner Zeit also bange gewe-
sen/ auch vielleicht nimmermehr werden
kan; bat dennoch im Geiste und Hertzen al-
so: O barmhertziger und güter HErr
Christe/ du einiger Erlöser und Mittler/ der
du zwischen uns und deinem lieben Vater
stehest/ und bittest ohn Unterlaß vor uns;
Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol-
lest uns armen Menschen gnädig und barm-
hertzig seyn/ zu wahrer Reu und Leid unser
Sünden kommen lassen/ damit wir auff dein
Verdienst alleine sehen/ und darauff ver-
trauen/ und biß an unser Ende im Glauben
[Spaltenumbruch] beständiglich verharren mögen mit einem
gottfürchtigen Wandel/ und wollest uns
deine Mitt-Erben nicht als diese so plötzlich
verderben/ sondern unsern recht schwachen
Glauben/ erkaltete Liebe und alle sündliche
Neigung durch deinen werthen heiligen
Geist stärcken/ vermehren und heiligen/ etc.

Diß Gebet that ich mit Thränen/ und
lag im Bette/ und schwitzte/ als hätte ich in
einem Kübel Wassers gelegen/ und da ich
also auffmerckte (tuchtede) an dem Him-
mel/ schlug das Feuer in die Kammer hinein/
und Autor mein Sohn rieff mit lauter
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heiß und geschwüle (lecht) ist es. Aber
die Mutter erwachte nicht/ und ward dieses
Gesichts nicht gewahr/ hörte auch das
Schreyen des Knabens nicht; Jch hörete
es aber wohl/ aber ich konte ihm vor grosser
Angst und Bangigkeit nicht antworten.
Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was
er gehöret und gesehen hätte; da antworte-
te er/ Jch habe nichts gehöret/ Vater/ son-
dern ich sahe ein grosses Feuer/ das wolte
mir meine Haare anzünden. Hierum fra-
ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge-
dächtniß dieses Gesichtes behalten möge.

Um 4. Schläge darnach verschwand diß alles
miteinander plötzlich/ und ward sehr finster/
und gab einen kleinen Platz-Regen.

Und ich hörete eine Stimme/ die sprach: Schrei-
be diß zur Besserung der Auserwehlten/ und
zum Schrecken der Gottlosen und Blut-
dürstigen.

Auslegung dieses Gesichts
Matthiae Flacii Illyrici,
aus dem Lateinischen übersetzet.

Dessen Vision, mein Herr Autor, habe wohl
erhalten/ welche mir scheinet drey verschiede-
ne Handlungen in sich zu begreiffen: nem-
lich

1. Die Wiederbringung des Evangelischen
Lichtes: denn dieses meyne ich/ daß es der
gedeckte Tisch bedeute.
2. Die Wiederabschaffung desselben Evan-
gelii.
3. Die immerwährende Bestraffung der
Gottlosen.

Jch achte aber/ daß derselbe nicht wohl un-
terlassen könne/ es zu ediren; weil ihm befohlen
ist/ daß ers schreiben soll. Dieses wird nicht
nur so verstanden/ daß derselbe es einem oder
dem andern guten Freunde mittheile/ sondern
daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und
es ist auch keine Ursache/ daß er/ um des Nah-
mens des HErrn willen/ der Papisten und fal-
schen Brüder Schmähungen fliehen möge.
Siehet er mich nicht selber? der ich durch die
gantze Welt denen Praeceptoribus undanckbar/
und ein Verwirrer der Kirche Christi heissen
muß; und solches nicht bey denen/ deren Ur-
theile zu verachten seyn möchten/ sondern bey
den Vornehmsten und Liebsten. Derohalben
sehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den
Scheffel setze/ sondern auff den Leuchter/ damit
es allen leuchten möge. Dabey sage demsel-

ben
a 3

oder Zuſaͤtze.
[Spaltenumbruch] ſich erſt nieder/ darnach die andern/ als man
ſich pflegt um Rathſchlaͤge zu ſetzen. Und ei-
ner unter ihnen ſtund auff/ und winckte mit ſei-
ner Hand/ als ein Redener/ und hatte ein lang
Kleid an. Da dieſer ausgeredet/ und ſich wie-
der niedergeſetzet/ ſtund auch der auff/ der die
Krone auff hatte/ und oben an ſaß/ und zog ſein
Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei-
ner/ der da ſchweret.

Da ſich nun dieſer wieder geſetzet/ ſteckten die
Maͤnner alle miteinander ihre Haͤupter zu-
ſammen/ als redeten ſie einander heimlich et-
was zu/ ſtunden darnach auff/ und ſchlugen
in ihre Haͤnde/ und ſetzeten ſich wieder nie-
der.

Und in dem Niederſitzen/ ſiehe/ da erhebet ſich
ein greuliches Ungeſtuͤm als eines gewalti-
gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen
und Donner mit einem ſehr erſchrecklichen
Feuer/ und im Feuer war ein gluͤend eiſer-
nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Roſt;
daran hiengen krumme und eingebogene
Feuer-Braͤnde/ als waͤren ſie voll Schwe-
fels und Pechs geweſen/ dieſelben ſprungen
von einander/ fielen auff die alle/ ſo in dem
Saal bey einander ſaſſen/ und das Feuer
verzehrete ſie/ daß ſie alle als Wachs ver-
ſchmeltzten ploͤtzlich/ alſo/ daß man weder
Saal noch Maͤnner mehr ſahe.

Und uͤber dem feurigen Roſt ſtund eine lange
regaliſche (realſche) Perſon/ derſelbe hatte
ein feurig Schwerdt in ſeiner Hand/ und
ſchlug das Feuer von einander/ daß die Fun-
cken um ihn her ſtaͤubeten. Hinter dieſem
ſtund ein anderer/ der war noch laͤnger denn
der/ der das Feuer von einander ſchlug/
gleicher Geſtalt als der HErr JEſus auff
dem Grabe gemahlet ſtehet; derſelbe hatte
an ſeinen Haͤnden und Fuͤſſen Wunden/
und auch die Wunden ſeiner Seiten gebloͤſ-
ſet/ und einen rothen Mantel/ als waͤre er
von Seyde geweſen/ uͤbergehencket/ und fuͤh-
rete in ſeiner rechten Hand ein Panier/ und
ſprach mit lauter Stimme: Alſo will ich
euch alle zerſchmeiſſen/ als dieſe zerſchmiſſen
ſind/ wo ihr nicht rechtſchaffene Buſſe thut/
ꝛc.

Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget
iſt/ ſahe/ und hoͤrete dieſe Stimme; konte ich
vor groſſem Schrecken und Angſt bey einer
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Mund/ als einer der reden will/ aber die
Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward
alſo bange/ daß mich duͤnckete/ Himmel und
Erde haͤtten mir auff dem Leibe gelegen.
Mir iſt auch zu keiner Zeit alſo bange gewe-
ſen/ auch vielleicht nimmermehr werden
kan; bat dennoch im Geiſte und Hertzen al-
ſo: O barmhertziger und guͤter HErr
Chriſte/ du einiger Erloͤſer und Mittler/ der
du zwiſchen uns und deinem lieben Vater
ſteheſt/ und bitteſt ohn Unterlaß vor uns;
Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol-
leſt uns armen Menſchen gnaͤdig und barm-
hertzig ſeyn/ zu wahrer Reu und Leid unſer
Suͤnden kom̃en laſſen/ damit wir auff dein
Verdienſt alleine ſehen/ und darauff ver-
trauen/ und biß an unſer Ende im Glauben
[Spaltenumbruch] beſtaͤndiglich verharren moͤgen mit einem
gottfuͤrchtigen Wandel/ und wolleſt uns
deine Mitt-Erben nicht als dieſe ſo ploͤtzlich
verderben/ ſondern unſern recht ſchwachen
Glauben/ erkaltete Liebe und alle ſuͤndliche
Neigung durch deinen werthen heiligen
Geiſt ſtaͤrcken/ vermehren und heiligen/ ꝛc.

Diß Gebet that ich mit Thraͤnen/ und
lag im Bette/ und ſchwitzte/ als haͤtte ich in
einem Kuͤbel Waſſers gelegen/ und da ich
alſo auffmerckte (tuchtede) an dem Him-
mel/ ſchlug das Feueꝛ in die Kammer hinein/
und Autor mein Sohn rieff mit lauter
Stimme auff/ und ſchrie: Ach Mutter/ wie
heiß und geſchwuͤle (lecht) iſt es. Aber
die Mutter erwachte nicht/ und ward dieſes
Geſichts nicht gewahr/ hoͤrte auch das
Schreyen des Knabens nicht; Jch hoͤrete
es aber wohl/ aber ich konte ihm vor groſſer
Angſt und Bangigkeit nicht antworten.
Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was
er gehoͤret und geſehen haͤtte; da antworte-
te er/ Jch habe nichts gehoͤret/ Vater/ ſon-
dern ich ſahe ein groſſes Feuer/ das wolte
mir meine Haare anzuͤnden. Hierum fra-
ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge-
daͤchtniß dieſes Geſichtes behalten moͤge.

Um 4. Schlaͤge darnach verſchwand diß alles
miteinander ploͤtzlich/ und ward ſehr finſter/
und gab einen kleinen Platz-Regen.

Und ich hoͤrete eine Stim̃e/ die ſprach: Schrei-
be diß zur Beſſerung der Auserwehlten/ und
zum Schrecken der Gottloſen und Blut-
duͤrſtigen.

Auslegung dieſes Geſichts
Matthiæ Flacii Illyrici,
aus dem Lateiniſchen uͤberſetzet.

Deſſen Viſion, mein Herr Autor, habe wohl
erhalten/ welche mir ſcheinet drey verſchiede-
ne Handlungen in ſich zu begreiffen: nem-
lich

1. Die Wiederbringung des Evangeliſchen
Lichtes: denn dieſes meyne ich/ daß es der
gedeckte Tiſch bedeute.
2. Die Wiederabſchaffung deſſelben Evan-
gelii.
3. Die immerwaͤhrende Beſtraffung der
Gottloſen.

Jch achte aber/ daß derſelbe nicht wohl un-
terlaſſen koͤnne/ es zu ediren; weil ihm befohlen
iſt/ daß ers ſchreiben ſoll. Dieſes wird nicht
nur ſo verſtanden/ daß derſelbe es einem oder
dem andern guten Freunde mittheile/ ſondern
daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und
es iſt auch keine Urſache/ daß er/ um des Nah-
mens des HErrn willen/ der Papiſten und fal-
ſchen Bruͤder Schmaͤhungen fliehen moͤge.
Siehet er mich nicht ſelber? der ich durch die
gantze Welt denen Præceptoribus undanckbar/
und ein Verwirrer der Kirche Chriſti heiſſen
muß; und ſolches nicht bey denen/ deren Ur-
theile zu verachten ſeyn moͤchten/ ſondern bey
den Vornehmſten und Liebſten. Derohalben
ſehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den
Scheffel ſetze/ ſondern auff den Leuchter/ damit
es allen leuchten moͤge. Dabey ſage demſel-

ben
a 3
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[5/1161] oder Zuſaͤtze. ſich erſt nieder/ darnach die andern/ als man ſich pflegt um Rathſchlaͤge zu ſetzen. Und ei- ner unter ihnen ſtund auff/ und winckte mit ſei- ner Hand/ als ein Redener/ und hatte ein lang Kleid an. Da dieſer ausgeredet/ und ſich wie- der niedergeſetzet/ ſtund auch der auff/ der die Krone auff hatte/ und oben an ſaß/ und zog ſein Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei- ner/ der da ſchweret. Da ſich nun dieſer wieder geſetzet/ ſteckten die Maͤnner alle miteinander ihre Haͤupter zu- ſammen/ als redeten ſie einander heimlich et- was zu/ ſtunden darnach auff/ und ſchlugen in ihre Haͤnde/ und ſetzeten ſich wieder nie- der. Und in dem Niederſitzen/ ſiehe/ da erhebet ſich ein greuliches Ungeſtuͤm als eines gewalti- gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen und Donner mit einem ſehr erſchrecklichen Feuer/ und im Feuer war ein gluͤend eiſer- nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Roſt; daran hiengen krumme und eingebogene Feuer-Braͤnde/ als waͤren ſie voll Schwe- fels und Pechs geweſen/ dieſelben ſprungen von einander/ fielen auff die alle/ ſo in dem Saal bey einander ſaſſen/ und das Feuer verzehrete ſie/ daß ſie alle als Wachs ver- ſchmeltzten ploͤtzlich/ alſo/ daß man weder Saal noch Maͤnner mehr ſahe. Und uͤber dem feurigen Roſt ſtund eine lange regaliſche (realſche) Perſon/ derſelbe hatte ein feurig Schwerdt in ſeiner Hand/ und ſchlug das Feuer von einander/ daß die Fun- cken um ihn her ſtaͤubeten. Hinter dieſem ſtund ein anderer/ der war noch laͤnger denn der/ der das Feuer von einander ſchlug/ gleicher Geſtalt als der HErr JEſus auff dem Grabe gemahlet ſtehet; derſelbe hatte an ſeinen Haͤnden und Fuͤſſen Wunden/ und auch die Wunden ſeiner Seiten gebloͤſ- ſet/ und einen rothen Mantel/ als waͤre er von Seyde geweſen/ uͤbergehencket/ und fuͤh- rete in ſeiner rechten Hand ein Panier/ und ſprach mit lauter Stimme: Alſo will ich euch alle zerſchmeiſſen/ als dieſe zerſchmiſſen ſind/ wo ihr nicht rechtſchaffene Buſſe thut/ ꝛc. Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget iſt/ ſahe/ und hoͤrete dieſe Stimme; konte ich vor groſſem Schrecken und Angſt bey einer Stunde nichts reden/ oͤffnete wohl offt den Mund/ als einer der reden will/ aber die Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward alſo bange/ daß mich duͤnckete/ Himmel und Erde haͤtten mir auff dem Leibe gelegen. Mir iſt auch zu keiner Zeit alſo bange gewe- ſen/ auch vielleicht nimmermehr werden kan; bat dennoch im Geiſte und Hertzen al- ſo: O barmhertziger und guͤter HErr Chriſte/ du einiger Erloͤſer und Mittler/ der du zwiſchen uns und deinem lieben Vater ſteheſt/ und bitteſt ohn Unterlaß vor uns; Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol- leſt uns armen Menſchen gnaͤdig und barm- hertzig ſeyn/ zu wahrer Reu und Leid unſer Suͤnden kom̃en laſſen/ damit wir auff dein Verdienſt alleine ſehen/ und darauff ver- trauen/ und biß an unſer Ende im Glauben beſtaͤndiglich verharren moͤgen mit einem gottfuͤrchtigen Wandel/ und wolleſt uns deine Mitt-Erben nicht als dieſe ſo ploͤtzlich verderben/ ſondern unſern recht ſchwachen Glauben/ erkaltete Liebe und alle ſuͤndliche Neigung durch deinen werthen heiligen Geiſt ſtaͤrcken/ vermehren und heiligen/ ꝛc. Diß Gebet that ich mit Thraͤnen/ und lag im Bette/ und ſchwitzte/ als haͤtte ich in einem Kuͤbel Waſſers gelegen/ und da ich alſo auffmerckte (tuchtede) an dem Him- mel/ ſchlug das Feueꝛ in die Kammer hinein/ und Autor mein Sohn rieff mit lauter Stimme auff/ und ſchrie: Ach Mutter/ wie heiß und geſchwuͤle (lecht) iſt es. Aber die Mutter erwachte nicht/ und ward dieſes Geſichts nicht gewahr/ hoͤrte auch das Schreyen des Knabens nicht; Jch hoͤrete es aber wohl/ aber ich konte ihm vor groſſer Angſt und Bangigkeit nicht antworten. Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was er gehoͤret und geſehen haͤtte; da antworte- te er/ Jch habe nichts gehoͤret/ Vater/ ſon- dern ich ſahe ein groſſes Feuer/ das wolte mir meine Haare anzuͤnden. Hierum fra- ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge- daͤchtniß dieſes Geſichtes behalten moͤge. Um 4. Schlaͤge darnach verſchwand diß alles miteinander ploͤtzlich/ und ward ſehr finſter/ und gab einen kleinen Platz-Regen. Und ich hoͤrete eine Stim̃e/ die ſprach: Schrei- be diß zur Beſſerung der Auserwehlten/ und zum Schrecken der Gottloſen und Blut- duͤrſtigen. Auslegung dieſes Geſichts Matthiæ Flacii Illyrici, aus dem Lateiniſchen uͤberſetzet. Deſſen Viſion, mein Herr Autor, habe wohl erhalten/ welche mir ſcheinet drey verſchiede- ne Handlungen in ſich zu begreiffen: nem- lich 1. Die Wiederbringung des Evangeliſchen Lichtes: denn dieſes meyne ich/ daß es der gedeckte Tiſch bedeute. 2. Die Wiederabſchaffung deſſelben Evan- gelii. 3. Die immerwaͤhrende Beſtraffung der Gottloſen. Jch achte aber/ daß derſelbe nicht wohl un- terlaſſen koͤnne/ es zu ediren; weil ihm befohlen iſt/ daß ers ſchreiben ſoll. Dieſes wird nicht nur ſo verſtanden/ daß derſelbe es einem oder dem andern guten Freunde mittheile/ ſondern daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und es iſt auch keine Urſache/ daß er/ um des Nah- mens des HErrn willen/ der Papiſten und fal- ſchen Bruͤder Schmaͤhungen fliehen moͤge. Siehet er mich nicht ſelber? der ich durch die gantze Welt denen Præceptoribus undanckbar/ und ein Verwirrer der Kirche Chriſti heiſſen muß; und ſolches nicht bey denen/ deren Ur- theile zu verachten ſeyn moͤchten/ ſondern bey den Vornehmſten und Liebſten. Derohalben ſehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den Scheffel ſetze/ ſondern auff den Leuchter/ damit es allen leuchten moͤge. Dabey ſage demſel- ben a 3

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1161>, abgerufen am 19.04.2024.