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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. X. Von unvollkommenheit der Reformation.
[Spaltenumbruch] stern und ihre böse thaten zu vertheidigen. Und
da die verfolgten und von ihnen mit greulichen
lästerungen beschwerten zum zeugniß der wahr-
heit und unterricht der leute/ so um die sache
nicht wissenschafft hatten/ ihren gegenbericht
gethan/ fahren sie ferner zu und verbieten von
der cantzel und Rathhause den ihren bey höchster
pön und straffe solche schriften nicht zu haben noch
zu lesen; dürffen auch wol an andern örtern die/ so
solche schriften gedruckt oder befördert/ verklage/
und grossen Herren/ denen sie sonsten nichts zu
gebieten haben/ anmuthen/ daß sie die/ so ihre sa-
chen nicht loben wollen noch können/ und der
unschuld und wahrheit beypflichten/ in straffe
nehmen sollen/ und gleich als ihre büttel und
hencker unerkanter sachen dieselben hinaus
führen und richten sollen; wie denn solche der kar-
renführer von Magdeburg scherganten und büt-
tel/ ob GOtt will/ sollen namhafftig aller welt
zu seiner zeit fürgestellet werden/ wo sie sich
nicht bekehren. Weil aber nun nach GOttes
gerechtem zorn und urtheil der spruch Christi an
den ausführern von Magdeburg/ welchen ihnen
ihre treue Seelenhirten offtmals in die ohren ge-
rieben/ aber sie verachtet/ ist wahr worden/ und
die sieben bösen geister weidlich um sich greiffen/
und durch sie viel andere einnehmen/ wäre es
wol zeit/ daß man die leute warnete/ daß sie sich
für der gesellschafft derselben tollen unsinnigen
verfolger fürsehen. Aber es ist zu besorgen/ es
möchte solche vermahnung in ungüte von vielen
auffgenommen/ und gedeutet werden. Wie
soll man ihm aber thun? es ist gleichwol GOt-
tes befehl/ daß man seinen nächsten für schaden
warnen soll. Die karrenführer zwar sind gnug-
sam gewarnet durch D. Tilemanni und anderer
schrifften; derowegen wir sie fahren lassen. Aber
ihre gehülffen und büttel/ welcher etliche geist-
liche und weltliche personen sind/ mögen viel-
leicht die sachen so fern nicht bedacht haben/ ob
sie recht oder unrecht daran thun/ daß sie ihnen
in solcher verfolgung dienen; denselben wollen
wir etliche ursachen kurtz anzeigen/ dabey sie/ so
fern sie wollen/ mercken können/ daß sie geringe
ehre und lohn bey dieser arbeit zu gewarten ha-
ben. GOtt gebe uns seinen geist und gnade
dazu/ daß unser wohlmeinen nicht ohne frucht
abgehe.

NUM. X.
Von unvollkommenheit der Refor-
mation

Mag aus einem Holländischen zuletzt benan-
ten Autore dieses stehen: Wie ist es denn er-
gangen/ nach dem die Morgen-röthe der Re-
formation nach der ungestümmen nacht der
Anti-Christischen tyranney wieder angefan-
gen hat zu schimmern? Hat man nicht mor-
gen-dämmerung für den tag selbst/ und den
morgen-stern für die sonne gehalten? Ver-
wundern wir nicht annoch die ersten Refor-
matores,
als Lutherum, Melanchthonem,
Zwinglium, Oecolampadium, Martyrem, Bu-
cerum, Calvinum, Bezam
und die übrigen/
welche wie der morgen-stern in der finsternis
der jenigen welt/ in welcher der Anti-Christ
über ein böses und verkehrtes volck herrschete/
geleuchtet/ so sehr/ und beruhen dergestalt auf
ihren aussprüchen/ und sterben fast drüber/ als
[Spaltenumbruch] wenn sie/ wie die sonne/ welche in vollkomme-
nem lichte scheinet/ alle finsternis des irrthums
und unwissenheit gantz und gar vertrieben/
und das gantze licht der wahrheit und wissen-
schafft also hätten von sich strahlen lassen/ daß
es vor unbillig zu halten wäre/ wenn man was
darzu oder davon thun wolte? Dergleichen
reden uns offt zu ohren kommen und uns be-
trüben/ ja sie würden die Reformatores selbst
tödtlich kräncken/ wenn sie noch bey leben wä-
ren. Denn wenn sie dieses auch nur im traum
zuvor gesehen hätten/ würden sie vor sorg und
bekümmernis nicht haben bleiben können/ indem
sie sich befürchten müssen/ daß ihre nachkommen/
mit der einbildung einer vollkommenheit/ die
sie gleichsam von ihnen überkommen hätten/
würden betrogen werden/ und das ziel der
wahren vollkommenheit entweder zu spat oder
gar niemahls erlangen. Gewiß/ sie würden
aufrichtig bekannt haben/ daß sie noch nicht
erhalten/ wornach sie strebten/ und noch biß
dato nicht vollkommen wären; sondern/ nach
dem sie das Päbstische Sodoma hinter dem
rücken verlassen/ giengen sie mit geschwinden
schritten auf das ziel des Reichs und erkänt-
nis des Sohnes GOTTes zu mit dem Apo-
stel Phil. III. 12. -- 14. und applicirten das
jenige auf sich/ wenn er sagt: Unser wissen ist
stückwerck/ und unser weissagen ist stückwerck.
Wenn aber kommen wird das vollkommen/ so
wird das stückwerck aufhören/ 1. Cor. XIII.
9. 10. An welchem ort es/ wenn der Apostel
sagt v. 11. Da ich ein kind war/ da redete ich
wie ein kind/ &c. eben so viel ist/ als wenn er
spräche: Wie es mir gegangen ist/ eben so wird
es auch der Christlichen Kirchen gehen. Jch/
da ich ein kind war/ hatte ich mit der kindi-
schen unwissenheit und unbedachtsamkeit zu
streiten; aber nach dem ich zu dem männlichen
alter gelanget bin/ habe ich wissenschafft und
klugheit: Also auch die Christliche Kirche/ wel-
che jetzo nur wie ein kind ist/ wie ein kind re-
det/ wie ein kind klein ist/ und wie ein kind ur-
theilet; wenn sie aber wird zu ihrer männli-
chen reiffe kommen/ so wird sie auch mit männ-
licher weißheit und erfahrung begabet seyn. Nun
meinen wir denn/ daß die Kirche/ welche zur
selbigen zeit/ auf welche der Apostel zielet/ die
kindheit noch nicht abgelegt hatte/ zur zeit der
Reformation schon das alter eines erwachse-
nen mannes/ und das maaß der vollkomme-
nen statur Christi Eph. IV. 13. erlanget habe?
o warlich wir irren/ massen wir auch noch jetzo
nicht zu dem ziel unserer schrancken kommen
seyn. Der Mystische JEsus nimmt annoch
zu an weißheit und statur, Luc. II. 52. Der leib
CHristi bekommt noch immer wachsthum zu
sein selbst erbauung in der liebe/ Eph. IV. 16. Und
weil er immer neue stärckung bedarff/ so wird er
auch täglich mit neuer nahrung geweidet/ wel-
che durch alle gelencke der bedienung aus einem
glied in das andere geleitet wird/ so daß ein jeg-
liches glied nach seiner würckung in seiner masse
derselben theilhafftig wird v. 16. Wer nun der
kirche solche nahrung mißgönnet/ und sie ihr
nicht gestehet/ der tödtet sie und wird schuldig
an dem leib des HErrn/ 1. Cor. XI. 27. Daher
gebühret vor dergleichen nahrhaftigen neuerun-
gen keinen eckel zu haben/ noch wie volle seelen
den honigseim zu zertreten/ Prov. XXII. 27. Ps.

XIX.

Th. IV. Sect. II. Num. X. Von unvollkommenheit der Reformation.
[Spaltenumbruch] ſtern und ihre boͤſe thaten zu vertheidigen. Und
da die verfolgten und von ihnen mit greulichen
laͤſterungen beſchwerten zum zeugniß der wahr-
heit und unterricht der leute/ ſo um die ſache
nicht wiſſenſchafft hatten/ ihren gegenbericht
gethan/ fahren ſie ferner zu und verbieten von
der cantzel und Rathhauſe den ihren bey hoͤchſter
poͤn uñ ſtraffe ſolche ſchriften nicht zu haben noch
zu leſen; duͤrffen auch wol an andern oͤrtern die/ ſo
ſolche ſchriften gedruckt oder befoͤrdert/ verklagē/
und groſſen Herren/ denen ſie ſonſten nichts zu
gebieten haben/ anmuthen/ daß ſie die/ ſo ihre ſa-
chen nicht loben wollen noch koͤnnen/ und der
unſchuld und wahrheit beypflichten/ in ſtraffe
nehmen ſollen/ und gleich als ihre buͤttel und
hencker unerkanter ſachen dieſelben hinaus
fuͤhren und richten ſollen; wie deñ ſolche der kar-
renfuͤhrer von Magdebuꝛg ſcherganten und buͤt-
tel/ ob GOtt will/ ſollen namhafftig aller welt
zu ſeiner zeit fuͤrgeſtellet werden/ wo ſie ſich
nicht bekehren. Weil aber nun nach GOttes
gerechtem zorn und urtheil der ſpruch Chriſti an
den ausfuͤhrern von Magdeburg/ welchen ihnen
ihre treue Seelenhirten offtmals in die ohren ge-
rieben/ aber ſie verachtet/ iſt wahr worden/ und
die ſieben boͤſen geiſter weidlich um ſich greiffen/
und durch ſie viel andere einnehmen/ waͤre es
wol zeit/ daß man die leute warnete/ daß ſie ſich
fuͤr der geſellſchafft derſelben tollen unſinnigen
verfolger fuͤrſehen. Aber es iſt zu beſorgen/ es
moͤchte ſolche vermahnung in unguͤte von vielen
auffgenommen/ und gedeutet werden. Wie
ſoll man ihm aber thun? es iſt gleichwol GOt-
tes befehl/ daß man ſeinen naͤchſten fuͤr ſchaden
warnen ſoll. Die karrenfuͤhrer zwar ſind gnug-
ſam gewarnet durch D. Tilemanni und anderer
ſchrifften; derowegen wir ſie fahren laſſen. Aber
ihre gehuͤlffen und buͤttel/ welcher etliche geiſt-
liche und weltliche perſonen ſind/ moͤgen viel-
leicht die ſachen ſo fern nicht bedacht haben/ ob
ſie recht oder unrecht daran thun/ daß ſie ihnen
in ſolcher verfolgung dienen; denſelben wollen
wir etliche urſachen kurtz anzeigen/ dabey ſie/ ſo
fern ſie wollen/ mercken koͤnnen/ daß ſie geringe
ehre und lohn bey dieſer arbeit zu gewarten ha-
ben. GOtt gebe uns ſeinen geiſt und gnade
dazu/ daß unſer wohlmeinen nicht ohne frucht
abgehe.

NUM. X.
Von unvollkommenheit der Refor-
mation

Mag aus einem Hollaͤndiſchen zuletzt benan-
ten Autore dieſes ſtehen: Wie iſt es denn er-
gangen/ nach dem die Morgen-roͤthe der Re-
formation nach der ungeſtuͤmmen nacht der
Anti-Chriſtiſchen tyranney wieder angefan-
gen hat zu ſchimmern? Hat man nicht mor-
gen-daͤmmerung fuͤr den tag ſelbſt/ und den
morgen-ſtern fuͤr die ſonne gehalten? Ver-
wundern wir nicht annoch die erſten Refor-
matores,
als Lutherum, Melanchthonem,
Zwinglium, Oecolampadium, Martyrem, Bu-
cerum, Calvinum, Bezam
und die uͤbrigen/
welche wie der morgen-ſtern in der finſternis
der jenigen welt/ in welcher der Anti-Chriſt
uͤber ein boͤſes und verkehrtes volck herrſchete/
geleuchtet/ ſo ſehr/ und beruhen dergeſtalt auf
ihren ausſpruͤchen/ und ſterben faſt druͤber/ als
[Spaltenumbruch] wenn ſie/ wie die ſonne/ welche in vollkomme-
nem lichte ſcheinet/ alle finſternis des irrthums
und unwiſſenheit gantz und gar vertrieben/
und das gantze licht der wahrheit und wiſſen-
ſchafft alſo haͤtten von ſich ſtrahlen laſſen/ daß
es vor unbillig zu halten waͤre/ wenn man was
darzu oder davon thun wolte? Dergleichen
reden uns offt zu ohren kommen und uns be-
truͤben/ ja ſie wuͤrden die Reformatores ſelbſt
toͤdtlich kraͤncken/ wenn ſie noch bey leben waͤ-
ren. Denn wenn ſie dieſes auch nur im traum
zuvor geſehen haͤtten/ wuͤrden ſie vor ſorg und
bekuͤm̃ernis nicht haben bleiben koͤnnen/ indem
ſie ſich befuͤrchten muͤſſen/ daß ihre nachkom̃en/
mit der einbildung einer vollkommenheit/ die
ſie gleichſam von ihnen uͤberkommen haͤtten/
wuͤrden betrogen werden/ und das ziel der
wahren vollkommenheit entweder zu ſpat oder
gar niemahls erlangen. Gewiß/ ſie wuͤrden
aufrichtig bekannt haben/ daß ſie noch nicht
erhalten/ wornach ſie ſtrebten/ und noch biß
dato nicht vollkommen waͤren; ſondern/ nach
dem ſie das Paͤbſtiſche Sodoma hinter dem
ruͤcken verlaſſen/ giengen ſie mit geſchwinden
ſchritten auf das ziel des Reichs und erkaͤnt-
nis des Sohnes GOTTes zu mit dem Apo-
ſtel Phil. III. 12. — 14. und applicirten das
jenige auf ſich/ wenn er ſagt: Unſer wiſſen iſt
ſtuͤckwerck/ und unſer weiſſagen iſt ſtuͤckwerck.
Wenn aber kommen wird das vollkommen/ ſo
wird das ſtuͤckwerck aufhoͤren/ 1. Cor. XIII.
9. 10. An welchem ort es/ wenn der Apoſtel
ſagt v. 11. Da ich ein kind war/ da redete ich
wie ein kind/ &c. eben ſo viel iſt/ als wenn er
ſpraͤche: Wie es mir gegangen iſt/ eben ſo wird
es auch der Chriſtlichen Kirchen gehen. Jch/
da ich ein kind war/ hatte ich mit der kindi-
ſchen unwiſſenheit und unbedachtſamkeit zu
ſtreiten; aber nach dem ich zu dem maͤnnlichen
alter gelanget bin/ habe ich wiſſenſchafft und
klugheit: Alſo auch die Chriſtliche Kirche/ wel-
che jetzo nur wie ein kind iſt/ wie ein kind re-
det/ wie ein kind klein iſt/ und wie ein kind ur-
theilet; wenn ſie aber wird zu ihrer maͤnnli-
chen reiffe kommen/ ſo wird ſie auch mit maͤnn-
licher weißheit uñ erfahrung begabet ſeyn. Nun
meinen wir denn/ daß die Kirche/ welche zur
ſelbigen zeit/ auf welche der Apoſtel zielet/ die
kindheit noch nicht abgelegt hatte/ zur zeit der
Reformation ſchon das alter eines erwachſe-
nen mannes/ und das maaß der vollkomme-
nen ſtatur Chriſti Eph. IV. 13. erlanget habe?
o warlich wir irren/ maſſen wir auch noch jetzo
nicht zu dem ziel unſerer ſchrancken kommen
ſeyn. Der Myſtiſche JEſus nimmt annoch
zu an weißheit und ſtatur, Luc. II. 52. Der leib
CHriſti bekommt noch immer wachsthum zu
ſein ſelbſt erbauung in der liebe/ Eph. IV. 16. Und
weil er immer neue ſtaͤrckung bedarff/ ſo wird er
auch taͤglich mit neuer nahrung geweidet/ wel-
che durch alle gelencke der bedienung aus einem
glied in das andere geleitet wird/ ſo daß ein jeg-
liches glied nach ſeiner wuͤrckung in ſeiner maſſe
derſelben theilhafftig wird v. 16. Wer nun der
kirche ſolche nahrung mißgoͤnnet/ und ſie ihr
nicht geſtehet/ der toͤdtet ſie und wird ſchuldig
an dem leib des HErꝛn/ 1. Cor. XI. 27. Daher
gebuͤhret vor deꝛgleichen nahrhaftigen neuerun-
gen keinen eckel zu haben/ noch wie volle ſeelen
den honigſeim zu zertreten/ Prov. XXII. 27. Pſ.

XIX.
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[111/0407] Th. IV. Sect. II. Num. X. Von unvollkommenheit der Reformation. ſtern und ihre boͤſe thaten zu vertheidigen. Und da die verfolgten und von ihnen mit greulichen laͤſterungen beſchwerten zum zeugniß der wahr- heit und unterricht der leute/ ſo um die ſache nicht wiſſenſchafft hatten/ ihren gegenbericht gethan/ fahren ſie ferner zu und verbieten von der cantzel und Rathhauſe den ihren bey hoͤchſter poͤn uñ ſtraffe ſolche ſchriften nicht zu haben noch zu leſen; duͤrffen auch wol an andern oͤrtern die/ ſo ſolche ſchriften gedruckt oder befoͤrdert/ verklagē/ und groſſen Herren/ denen ſie ſonſten nichts zu gebieten haben/ anmuthen/ daß ſie die/ ſo ihre ſa- chen nicht loben wollen noch koͤnnen/ und der unſchuld und wahrheit beypflichten/ in ſtraffe nehmen ſollen/ und gleich als ihre buͤttel und hencker unerkanter ſachen dieſelben hinaus fuͤhren und richten ſollen; wie deñ ſolche der kar- renfuͤhrer von Magdebuꝛg ſcherganten und buͤt- tel/ ob GOtt will/ ſollen namhafftig aller welt zu ſeiner zeit fuͤrgeſtellet werden/ wo ſie ſich nicht bekehren. Weil aber nun nach GOttes gerechtem zorn und urtheil der ſpruch Chriſti an den ausfuͤhrern von Magdeburg/ welchen ihnen ihre treue Seelenhirten offtmals in die ohren ge- rieben/ aber ſie verachtet/ iſt wahr worden/ und die ſieben boͤſen geiſter weidlich um ſich greiffen/ und durch ſie viel andere einnehmen/ waͤre es wol zeit/ daß man die leute warnete/ daß ſie ſich fuͤr der geſellſchafft derſelben tollen unſinnigen verfolger fuͤrſehen. Aber es iſt zu beſorgen/ es moͤchte ſolche vermahnung in unguͤte von vielen auffgenommen/ und gedeutet werden. Wie ſoll man ihm aber thun? es iſt gleichwol GOt- tes befehl/ daß man ſeinen naͤchſten fuͤr ſchaden warnen ſoll. Die karrenfuͤhrer zwar ſind gnug- ſam gewarnet durch D. Tilemanni und anderer ſchrifften; derowegen wir ſie fahren laſſen. Aber ihre gehuͤlffen und buͤttel/ welcher etliche geiſt- liche und weltliche perſonen ſind/ moͤgen viel- leicht die ſachen ſo fern nicht bedacht haben/ ob ſie recht oder unrecht daran thun/ daß ſie ihnen in ſolcher verfolgung dienen; denſelben wollen wir etliche urſachen kurtz anzeigen/ dabey ſie/ ſo fern ſie wollen/ mercken koͤnnen/ daß ſie geringe ehre und lohn bey dieſer arbeit zu gewarten ha- ben. GOtt gebe uns ſeinen geiſt und gnade dazu/ daß unſer wohlmeinen nicht ohne frucht abgehe. NUM. X. Von unvollkommenheit der Refor- mation Mag aus einem Hollaͤndiſchen zuletzt benan- ten Autore dieſes ſtehen: Wie iſt es denn er- gangen/ nach dem die Morgen-roͤthe der Re- formation nach der ungeſtuͤmmen nacht der Anti-Chriſtiſchen tyranney wieder angefan- gen hat zu ſchimmern? Hat man nicht mor- gen-daͤmmerung fuͤr den tag ſelbſt/ und den morgen-ſtern fuͤr die ſonne gehalten? Ver- wundern wir nicht annoch die erſten Refor- matores, als Lutherum, Melanchthonem, Zwinglium, Oecolampadium, Martyrem, Bu- cerum, Calvinum, Bezam und die uͤbrigen/ welche wie der morgen-ſtern in der finſternis der jenigen welt/ in welcher der Anti-Chriſt uͤber ein boͤſes und verkehrtes volck herrſchete/ geleuchtet/ ſo ſehr/ und beruhen dergeſtalt auf ihren ausſpruͤchen/ und ſterben faſt druͤber/ als wenn ſie/ wie die ſonne/ welche in vollkomme- nem lichte ſcheinet/ alle finſternis des irrthums und unwiſſenheit gantz und gar vertrieben/ und das gantze licht der wahrheit und wiſſen- ſchafft alſo haͤtten von ſich ſtrahlen laſſen/ daß es vor unbillig zu halten waͤre/ wenn man was darzu oder davon thun wolte? Dergleichen reden uns offt zu ohren kommen und uns be- truͤben/ ja ſie wuͤrden die Reformatores ſelbſt toͤdtlich kraͤncken/ wenn ſie noch bey leben waͤ- ren. Denn wenn ſie dieſes auch nur im traum zuvor geſehen haͤtten/ wuͤrden ſie vor ſorg und bekuͤm̃ernis nicht haben bleiben koͤnnen/ indem ſie ſich befuͤrchten muͤſſen/ daß ihre nachkom̃en/ mit der einbildung einer vollkommenheit/ die ſie gleichſam von ihnen uͤberkommen haͤtten/ wuͤrden betrogen werden/ und das ziel der wahren vollkommenheit entweder zu ſpat oder gar niemahls erlangen. Gewiß/ ſie wuͤrden aufrichtig bekannt haben/ daß ſie noch nicht erhalten/ wornach ſie ſtrebten/ und noch biß dato nicht vollkommen waͤren; ſondern/ nach dem ſie das Paͤbſtiſche Sodoma hinter dem ruͤcken verlaſſen/ giengen ſie mit geſchwinden ſchritten auf das ziel des Reichs und erkaͤnt- nis des Sohnes GOTTes zu mit dem Apo- ſtel Phil. III. 12. — 14. und applicirten das jenige auf ſich/ wenn er ſagt: Unſer wiſſen iſt ſtuͤckwerck/ und unſer weiſſagen iſt ſtuͤckwerck. Wenn aber kommen wird das vollkommen/ ſo wird das ſtuͤckwerck aufhoͤren/ 1. Cor. XIII. 9. 10. An welchem ort es/ wenn der Apoſtel ſagt v. 11. Da ich ein kind war/ da redete ich wie ein kind/ &c. eben ſo viel iſt/ als wenn er ſpraͤche: Wie es mir gegangen iſt/ eben ſo wird es auch der Chriſtlichen Kirchen gehen. Jch/ da ich ein kind war/ hatte ich mit der kindi- ſchen unwiſſenheit und unbedachtſamkeit zu ſtreiten; aber nach dem ich zu dem maͤnnlichen alter gelanget bin/ habe ich wiſſenſchafft und klugheit: Alſo auch die Chriſtliche Kirche/ wel- che jetzo nur wie ein kind iſt/ wie ein kind re- det/ wie ein kind klein iſt/ und wie ein kind ur- theilet; wenn ſie aber wird zu ihrer maͤnnli- chen reiffe kommen/ ſo wird ſie auch mit maͤnn- licher weißheit uñ erfahrung begabet ſeyn. Nun meinen wir denn/ daß die Kirche/ welche zur ſelbigen zeit/ auf welche der Apoſtel zielet/ die kindheit noch nicht abgelegt hatte/ zur zeit der Reformation ſchon das alter eines erwachſe- nen mannes/ und das maaß der vollkomme- nen ſtatur Chriſti Eph. IV. 13. erlanget habe? o warlich wir irren/ maſſen wir auch noch jetzo nicht zu dem ziel unſerer ſchrancken kommen ſeyn. Der Myſtiſche JEſus nimmt annoch zu an weißheit und ſtatur, Luc. II. 52. Der leib CHriſti bekommt noch immer wachsthum zu ſein ſelbſt erbauung in der liebe/ Eph. IV. 16. Und weil er immer neue ſtaͤrckung bedarff/ ſo wird er auch taͤglich mit neuer nahrung geweidet/ wel- che durch alle gelencke der bedienung aus einem glied in das andere geleitet wird/ ſo daß ein jeg- liches glied nach ſeiner wuͤrckung in ſeiner maſſe derſelben theilhafftig wird v. 16. Wer nun der kirche ſolche nahrung mißgoͤnnet/ und ſie ihr nicht geſtehet/ der toͤdtet ſie und wird ſchuldig an dem leib des HErꝛn/ 1. Cor. XI. 27. Daher gebuͤhret vor deꝛgleichen nahrhaftigen neuerun- gen keinen eckel zu haben/ noch wie volle ſeelen den honigſeim zu zertreten/ Prov. XXII. 27. Pſ. XIX.

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/407>, abgerufen am 25.04.2024.