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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklärung.
[Spaltenumbruch] auch eine andere belohnung suchte/ so hätte sie
Christum nicht lieb.

Die liebe Christi bereitet unsere liebe voran/
und belohnet dieselbe/ sie gehet gütiglich vor und
erwartet deren süßiglich; o wie reich ist der in al-
len dingen/ der sie empfindet.

Die liebe Christi gibt sich zu einem verdienst/
und bezahlet sich zu einer belohnung/ sie erbeut
sich zu einer erquickung der heiligen seelen/ und
begiebt sich zu einer erlösung der gefangenen.

Die wahre liebe Christi mag nicht leer seyn/
sondern ihre belohnung wird dem anfahenden
fürgestellt/ dem liebhabenden versprochen und
dem beharrenden vollkömmlich gegeben.

GOTT von gantzen hertzen lieben ist/

Daß sich das hertz zu keinem andern dinge
mehr neige/ denn zu GOtt/ und sonst in keinem
andern dinge mehr freude noch lust habe/ denn in
GOtt; denn der hat GOtt nicht von gantzem
hertzen lieb/ der sonst etwas anders mit GOtt
lieb hat/ das er nicht um seinet willen liebet.

Von gantzem hertzen/ das ist/ mit dem verstand
ohn allem irrthum.

Von gantzer seele/ das ist/ mit willen ohne wie-
dersprechung/ daß wir den tod um Christi willen
zu leiden nicht fürchten; welcher GOtt aus gan-
tzer seelen liebet/ hat jetzt den er liebet; denn er möch-
te ihn warlich nicht lieb haben/ wo er denjenigen/
den er liebet/ nicht hätte. Die liebe Gottes von
gantzer seelen mag mit keiner fremde liebe vermi-
schet werden; wie denn die geistlichen dinge mit
den leiblichen nicht mögen vermischet werden.

Die liebe ist eine süsse speise/ ohne die liebe
sind alle dinge ungeschmackt und bitter/ und was
bitter ist/ wird mit der liebe süß und gezuckert;
exemplum de Anachoritis & martyribus.

Von gantzem gemüth/ das ist/ mit dem ge-
dächtniß/ ohne vergessung/ daß alle sinne des men-
schen/ das ist/ der wille/ der verstand/ die gedächt-
niß und aller deren wirckung GOtt und dem
Herrn Christo zur hand stehen. Solche liebe von
gantzem gemüth ist ein band und zäher leim/ so
GOtt dem menschen unaufflößlich zueignet und
anhäfftet/ daß viel eher die hand von dem arm/
das haupt von der achsel hinweg bracht mag
werden/ denn daß die seele/ die Christo mit sol-
cher liebe angeleimet ist/ in einigem weg von
Christo kan abgesondert werden.

Welcher die trunckenheit der liebe Christi ver-
sucht/ der wird in einem jeden guten werck frölich/
er hat schmertzen/ und empfindet der nicht; er ar-
beitet/ und wird nicht müde; er wird verspottet
und achtet es nicht; ohne die liebe ist der reiche
arm/ und mit der liebe der arme reich.

Daß die liebe ein starcke waffen der see-
len sey.

So der mensch mit dem schild und waffen der
liebe ist verwahret/ so stehet er fest im streite der
anfechtungen/ unüberwindlich und kecklich/ und
fürchtet sich nicht/ wenn schon die gantze schaar
der teuffel wider ihn streitet; denn der Herr Chri-
stus stehet dem menschen/ der liebe hat/ als ein
guter helffer/ und starcker beschirmer treulich bey;
denn er ist die liebe selbst/ und wer in seiner liebe
ist/ der stehet auch bey ihm/ wie geschrieben steht:
der Herr beschirmt alle/ die ihn lieb haben/ und
alle sünder (das ist/ höllische teuffel und vergiff-
tete leute) die verderbet er.

Die liebe Christi hat eine jede schuld abzutrei-
ben/ wie die wärme die kälte vertreibet/ Luc. VII.
Christus mag nimmer zuviel lieb gehabt werden/
[Spaltenumbruch] denn| die liebe Christi ist ohn alle maaß unend-
lich; sonst mögen alle sichtliche tugenden zuviel
gethan werden/ da sie denn in hoffart/ und zur
schande für GOtt gerathen.

Die liebe bringet GOtt in unser hertz; wer
aber GOtt in seiner conscientz hat/ der mag nicht
arm seyn/ dieweil er alles gut ist.

Die wahre liebe ist der allerrichtigste und
schlechteste weg ohn allem ab weg zu GOTT zu
kommen/ und darff man sonst keiner andern tu-
gend dazu; es mag kein ding/ auch weder kunst
noch weißheit/ die seele erfüllen/ noch die consci-
en
tz ersättigen/ denn allein die wahre liebe/ die
gnade erquickt wol die seele und macht sie ruhig/
aber sie ist nicht ohne die wahre liebe.

Der gold in seiner kisten hat/ ist drum nicht
reich; wer aber Christum in seinem gewissen hat/
der ist reich; daher geschrieben steht: Jn mir seynd
alle reichthümer und ehre.

Bey allen andern guten wercken mag sich der
mensch entschuldigen; beym fasten/ daß er einen
blöden kopff hat; beym allmosen geben/ daß er
arm sey etc. aber bey der übung der liebe mag er
keine entschuldigung haben: es ist auch gantz ge-
ringe GOtt lieb zu haben/ da weder der leib be-
kümmert/ noch die füsse zerstossen/ noch das
haupt blöde/ noch der bauch verletzet/ noch die
zunge beschweret/ noch die tasche geleeret wird/
denn die liebe besteht eigentlich in der seelen.

Das hochzeit kleid Matth. XXII. ist die liebe/
die alle andere tugenden übertrifft/ diß kleid wird
aus kostbarem faden/ das ist/ o CHriste/ aus
deinen gutthaten/ so du dem menschen verliehen/
gewebt/ und von dir meisterlich gemacht und ge-
zieret/ welches durch deinen glißmaten rock be-
zeichnet/ der weder zerrissen noch zutrennet ist
worden; und welche die zertrennen/ die werden
für schnöder gehalten/ weder die Ruffianer, die
den HErrn gecreutziget/ und seinen rock nicht zer-
theilet haben.

Dieses hochzeit-kleid ist fast mächtig
und kräfftig/ es beschirmet den menschen vor dem
frost der begierlichkeit/ und entzündet ihn in der
liebe GOttes/ zieret auch denselbigen gar schön
und hübsch.

Allein diß kleid giebt den unterscheid zwischen
den kindern des reichs Gottes und der verdamm-
niß; denn welcher das anträgt/ der geht ins
Reich GOttes/ er wird ein tischgenoß des him-
mels-Königs Christi/ ja ein sohn GOttes; der
aber des mangelt/ ob er gleichwol sonst alle an-
dere zierde und tugend hat/ so wird er abgetriebe.

Diß kleid bedeckt die viele der sünden; denn es
ist vergüldet/ oder selbst gantz gülden/ nach dem
spruch: Die Königin stehet dir zur rechten in ver-
güldetem kleide.

Diß hochzeitliche kleid bewahret den men-
schen; denn die liebe ist so starck als der tod: sei-
ne köstlichkeit erscheinet auch aus der materie;
denn so diß köstlich ist/ das aus den metallen/
oder gesteinen oder thieren gezogen wird/ so ist
diß gar viel köstlicher/ das aus GOtt dem höch-
sten gut gezogen wird/ denn diß hochzeitliche
kleid kommt aus GOtt/ und wird von Christo er-
langt/ von welchem wir auch bedeckt/ daß wir
davon leben und reich werden; denn welcher diß
kleid hat/ demselbigen mangelt gar nichts/ ohne
diß kleid mag ihm nichts nützen.

Die liebe dieser welt-dingen ist gar eine elende
thörichte liebe/ ja vielmehr eine verworffene un-

sinnig-

Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung.
[Spaltenumbruch] auch eine andere belohnung ſuchte/ ſo haͤtte ſie
Chriſtum nicht lieb.

Die liebe Chriſti bereitet unſere liebe voran/
und belohnet dieſelbe/ ſie gehet guͤtiglich vor und
erwartet deren ſuͤßiglich; o wie reich iſt der in al-
len dingen/ der ſie empfindet.

Die liebe Chriſti gibt ſich zu einem verdienſt/
und bezahlet ſich zu einer belohnung/ ſie erbeut
ſich zu einer erquickung der heiligen ſeelen/ und
begiebt ſich zu einer erloͤſung der gefangenen.

Die wahre liebe Chriſti mag nicht leer ſeyn/
ſondern ihre belohnung wird dem anfahenden
fuͤrgeſtellt/ dem liebhabenden verſprochen und
dem beharrenden vollkoͤmmlich gegeben.

GOTT von gantzen hertzen lieben iſt/

Daß ſich das hertz zu keinem andern dinge
mehr neige/ denn zu GOtt/ und ſonſt in keinem
andern dinge mehr freude noch luſt habe/ denn in
GOtt; denn der hat GOtt nicht von gantzem
hertzen lieb/ der ſonſt etwas anders mit GOtt
lieb hat/ das er nicht um ſeinet willen liebet.

Von gantzem hertzen/ das iſt/ mit dem verſtand
ohn allem irꝛthum.

Von gantzer ſeele/ das iſt/ mit willen ohne wie-
derſprechung/ daß wir den tod um Chriſti willen
zu leiden nicht fuͤrchten; welcher GOtt aus gan-
tzeꝛ ſeelen liebet/ hat jetzt den eꝛ liebet; deñ er moͤch-
te ihn warlich nicht lieb haben/ wo er denjenigẽ/
den er liebet/ nicht haͤtte. Die liebe Gottes von
gantzer ſeelen mag mit keiner fremdē liebe vermi-
ſchet werden; wie denn die geiſtlichen dinge mit
den leiblichen nicht moͤgen vermiſchet werden.

Die liebe iſt eine ſuͤſſe ſpeiſe/ ohne die liebe
ſind alle dinge ungeſchmackt und bitter/ uñ was
bitter iſt/ wird mit der liebe ſuͤß und gezuckert;
exemplum de Anachoritis & martyribus.

Von gantzem gemuͤth/ das iſt/ mit dem ge-
daͤchtniß/ ohne vergeſſung/ daß alle ſiñe des men-
ſchen/ das iſt/ der wille/ der verſtand/ die gedaͤcht-
niß und aller deren wirckung GOtt und dem
Herꝛn Chriſto zur hand ſtehen. Solche liebe von
gantzem gemuͤth iſt ein band und zaͤher leim/ ſo
GOtt dem menſchen unauffloͤßlich zueignet und
anhaͤfftet/ daß viel eher die hand von dem arm/
das haupt von der achſel hinweg bracht mag
werden/ denn daß die ſeele/ die Chriſto mit ſol-
cher liebe angeleimet iſt/ in einigem weg von
Chriſto kan abgeſondert werden.

Welcher die trunckenheit der liebe Chriſti ver-
ſucht/ der wiꝛd in einem jeden guten weꝛck fꝛoͤlich/
er hat ſchmertzen/ und empfindet der nicht; er ar-
beitet/ und wird nicht muͤde; er wird verſpottet
und achtet es nicht; ohne die liebe iſt der reiche
arm/ und mit der liebe der arme reich.

Daß die liebe ein ſtaꝛcke waffen deꝛ ſee-
len ſey.

So deꝛ menſch mit dem ſchild und waffen deꝛ
liebe iſt verwahret/ ſo ſtehet er feſt im ſtreite der
anfechtungen/ unuͤberwindlich und kecklich/ und
fuͤrchtet ſich nicht/ wenn ſchon die gantze ſchaar
der teuffel wider ihn ſtreitet; denn der Herr Chri-
ſtus ſtehet dem menſchen/ der liebe hat/ als ein
guter helffeꝛ/ und ſtarcker beſchirmer treulich bey;
denn er iſt die liebe ſelbſt/ und wer in ſeiner liebe
iſt/ der ſtehet auch bey ihm/ wie geſchrieben ſteht:
der Herr beſchirmt alle/ die ihn lieb haben/ und
alle ſuͤnder (das iſt/ hoͤlliſche teuffel und vergiff-
tete leute) die verderbet er.

Die liebe Chriſti hat eine jede ſchuld abzutrei-
ben/ wie die waͤrme die kaͤlte vertreibet/ Luc. VII.
Chriſtus mag nim̃er zuviel lieb gehabt werden/
[Spaltenumbruch] denn| die liebe Chriſti iſt ohn alle maaß unend-
lich; ſonſt moͤgen alle ſichtliche tugenden zuviel
gethan werden/ da ſie denn in hoffart/ und zur
ſchande fuͤr GOtt gerathen.

Die liebe bringet GOtt in unſer hertz; wer
aber GOtt in ſeiner conſcientz hat/ der mag nicht
arm ſeyn/ dieweil er alles gut iſt.

Die wahre liebe iſt der allerrichtigſte und
ſchlechteſte weg ohn allem ab weg zu GOTT zu
kommen/ und darff man ſonſt keiner andern tu-
gend dazu; es mag kein ding/ auch weder kunſt
noch weißheit/ die ſeele erfuͤllen/ noch die conſci-
en
tz erſaͤttigen/ denn allein die wahre liebe/ die
gnade erquickt wol die ſeele und macht ſie ruhig/
aber ſie iſt nicht ohne die wahre liebe.

Der gold in ſeiner kiſten hat/ iſt drum nicht
reich; wer aber Chriſtum in ſeinem gewiſſen hat/
der iſt reich; daher geſchrieben ſteht: Jn mir ſeynd
alle reichthuͤmer und ehre.

Bey allen andern guten wercken mag ſich der
menſch entſchuldigen; beym faſten/ daß er einen
bloͤden kopff hat; beym allmoſen geben/ daß er
arm ſey ꝛc. aber bey der uͤbung der liebe mag er
keine entſchuldigung haben: es iſt auch gantz ge-
ringe GOtt lieb zu haben/ da weder der leib be-
kuͤmmert/ noch die fuͤſſe zerſtoſſen/ noch das
haupt bloͤde/ noch der bauch verletzet/ noch die
zunge beſchweret/ noch die taſche geleeret wird/
denn die liebe beſteht eigentlich in der ſeelen.

Das hochzeit kleid Matth. XXII. iſt die liebe/
die alle andere tugenden uͤbertrifft/ diß kleid wiꝛd
aus koſtbarem faden/ das iſt/ o CHriſte/ aus
deinen gutthaten/ ſo du dem menſchen verliehen/
gewebt/ und von dir meiſterlich gemacht und ge-
zieret/ welches durch deinen glißmaten rock be-
zeichnet/ der weder zerriſſen noch zutrennet iſt
worden; und welche die zertrennen/ die werden
fuͤr ſchnoͤder gehalten/ weder die Ruffianer, die
den HErꝛn gecreutziget/ und ſeinen rock nicht zer-
theilet haben.

Dieſes hochzeit-kleid iſt faſt maͤchtig
und kraͤfftig/ es beſchirmet den menſchen voꝛ dem
froſt der begierlichkeit/ und entzuͤndet ihn in der
liebe GOttes/ zieret auch denſelbigen gar ſchoͤn
und huͤbſch.

Allein diß kleid giebt den unterſcheid zwiſchen
den kindern des reichs Gottes und der verdam̃-
niß; denn welcher das antraͤgt/ der geht ins
Reich GOttes/ er wird ein tiſchgenoß des him-
mels-Koͤnigs Chriſti/ ja ein ſohn GOttes; der
aber des mangelt/ ob er gleichwol ſonſt alle an-
dere zierde und tugend hat/ ſo wird er abgetriebē.

Diß kleid bedeckt die viele der ſuͤnden; denn es
iſt verguͤldet/ oder ſelbſt gantz guͤlden/ nach dem
ſpruch: Die Koͤnigin ſtehet dir zur rechten in ver-
guͤldetem kleide.

Diß hochzeitliche kleid bewahret den men-
ſchen; denn die liebe iſt ſo ſtarck als der tod: ſei-
ne koͤſtlichkeit erſcheinet auch aus der materie;
denn ſo diß koͤſtlich iſt/ das aus den metallen/
oder geſteinen oder thieren gezogen wird/ ſo iſt
diß gar viel koͤſtlicher/ das aus GOtt dem hoͤch-
ſten gut gezogen wird/ denn diß hochzeitliche
kleid kom̃t aus GOtt/ und wird von Chriſto er-
langt/ von welchem wir auch bedeckt/ daß wir
davon leben und reich werden; denn welcher diß
kleid hat/ demſelbigen mangelt gar nichts/ ohne
diß kleid mag ihm nichts nuͤtzen.

Die liebe dieſer welt-dingen iſt gar eine elende
thoͤrichte liebe/ ja vielmehr eine verworffene un-

ſinnig-
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[191/0487] Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung. auch eine andere belohnung ſuchte/ ſo haͤtte ſie Chriſtum nicht lieb. Die liebe Chriſti bereitet unſere liebe voran/ und belohnet dieſelbe/ ſie gehet guͤtiglich vor und erwartet deren ſuͤßiglich; o wie reich iſt der in al- len dingen/ der ſie empfindet. Die liebe Chriſti gibt ſich zu einem verdienſt/ und bezahlet ſich zu einer belohnung/ ſie erbeut ſich zu einer erquickung der heiligen ſeelen/ und begiebt ſich zu einer erloͤſung der gefangenen. Die wahre liebe Chriſti mag nicht leer ſeyn/ ſondern ihre belohnung wird dem anfahenden fuͤrgeſtellt/ dem liebhabenden verſprochen und dem beharrenden vollkoͤmmlich gegeben. GOTT von gantzen hertzen lieben iſt/ Daß ſich das hertz zu keinem andern dinge mehr neige/ denn zu GOtt/ und ſonſt in keinem andern dinge mehr freude noch luſt habe/ denn in GOtt; denn der hat GOtt nicht von gantzem hertzen lieb/ der ſonſt etwas anders mit GOtt lieb hat/ das er nicht um ſeinet willen liebet. Von gantzem hertzen/ das iſt/ mit dem verſtand ohn allem irꝛthum. Von gantzer ſeele/ das iſt/ mit willen ohne wie- derſprechung/ daß wir den tod um Chriſti willen zu leiden nicht fuͤrchten; welcher GOtt aus gan- tzeꝛ ſeelen liebet/ hat jetzt den eꝛ liebet; deñ er moͤch- te ihn warlich nicht lieb haben/ wo er denjenigẽ/ den er liebet/ nicht haͤtte. Die liebe Gottes von gantzer ſeelen mag mit keiner fremdē liebe vermi- ſchet werden; wie denn die geiſtlichen dinge mit den leiblichen nicht moͤgen vermiſchet werden. Die liebe iſt eine ſuͤſſe ſpeiſe/ ohne die liebe ſind alle dinge ungeſchmackt und bitter/ uñ was bitter iſt/ wird mit der liebe ſuͤß und gezuckert; exemplum de Anachoritis & martyribus. Von gantzem gemuͤth/ das iſt/ mit dem ge- daͤchtniß/ ohne vergeſſung/ daß alle ſiñe des men- ſchen/ das iſt/ der wille/ der verſtand/ die gedaͤcht- niß und aller deren wirckung GOtt und dem Herꝛn Chriſto zur hand ſtehen. Solche liebe von gantzem gemuͤth iſt ein band und zaͤher leim/ ſo GOtt dem menſchen unauffloͤßlich zueignet und anhaͤfftet/ daß viel eher die hand von dem arm/ das haupt von der achſel hinweg bracht mag werden/ denn daß die ſeele/ die Chriſto mit ſol- cher liebe angeleimet iſt/ in einigem weg von Chriſto kan abgeſondert werden. Welcher die trunckenheit der liebe Chriſti ver- ſucht/ der wiꝛd in einem jeden guten weꝛck fꝛoͤlich/ er hat ſchmertzen/ und empfindet der nicht; er ar- beitet/ und wird nicht muͤde; er wird verſpottet und achtet es nicht; ohne die liebe iſt der reiche arm/ und mit der liebe der arme reich. Daß die liebe ein ſtaꝛcke waffen deꝛ ſee- len ſey. So deꝛ menſch mit dem ſchild und waffen deꝛ liebe iſt verwahret/ ſo ſtehet er feſt im ſtreite der anfechtungen/ unuͤberwindlich und kecklich/ und fuͤrchtet ſich nicht/ wenn ſchon die gantze ſchaar der teuffel wider ihn ſtreitet; denn der Herr Chri- ſtus ſtehet dem menſchen/ der liebe hat/ als ein guter helffeꝛ/ und ſtarcker beſchirmer treulich bey; denn er iſt die liebe ſelbſt/ und wer in ſeiner liebe iſt/ der ſtehet auch bey ihm/ wie geſchrieben ſteht: der Herr beſchirmt alle/ die ihn lieb haben/ und alle ſuͤnder (das iſt/ hoͤlliſche teuffel und vergiff- tete leute) die verderbet er. Die liebe Chriſti hat eine jede ſchuld abzutrei- ben/ wie die waͤrme die kaͤlte vertreibet/ Luc. VII. Chriſtus mag nim̃er zuviel lieb gehabt werden/ denn| die liebe Chriſti iſt ohn alle maaß unend- lich; ſonſt moͤgen alle ſichtliche tugenden zuviel gethan werden/ da ſie denn in hoffart/ und zur ſchande fuͤr GOtt gerathen. Die liebe bringet GOtt in unſer hertz; wer aber GOtt in ſeiner conſcientz hat/ der mag nicht arm ſeyn/ dieweil er alles gut iſt. Die wahre liebe iſt der allerrichtigſte und ſchlechteſte weg ohn allem ab weg zu GOTT zu kommen/ und darff man ſonſt keiner andern tu- gend dazu; es mag kein ding/ auch weder kunſt noch weißheit/ die ſeele erfuͤllen/ noch die conſci- entz erſaͤttigen/ denn allein die wahre liebe/ die gnade erquickt wol die ſeele und macht ſie ruhig/ aber ſie iſt nicht ohne die wahre liebe. Der gold in ſeiner kiſten hat/ iſt drum nicht reich; wer aber Chriſtum in ſeinem gewiſſen hat/ der iſt reich; daher geſchrieben ſteht: Jn mir ſeynd alle reichthuͤmer und ehre. Bey allen andern guten wercken mag ſich der menſch entſchuldigen; beym faſten/ daß er einen bloͤden kopff hat; beym allmoſen geben/ daß er arm ſey ꝛc. aber bey der uͤbung der liebe mag er keine entſchuldigung haben: es iſt auch gantz ge- ringe GOtt lieb zu haben/ da weder der leib be- kuͤmmert/ noch die fuͤſſe zerſtoſſen/ noch das haupt bloͤde/ noch der bauch verletzet/ noch die zunge beſchweret/ noch die taſche geleeret wird/ denn die liebe beſteht eigentlich in der ſeelen. Das hochzeit kleid Matth. XXII. iſt die liebe/ die alle andere tugenden uͤbertrifft/ diß kleid wiꝛd aus koſtbarem faden/ das iſt/ o CHriſte/ aus deinen gutthaten/ ſo du dem menſchen verliehen/ gewebt/ und von dir meiſterlich gemacht und ge- zieret/ welches durch deinen glißmaten rock be- zeichnet/ der weder zerriſſen noch zutrennet iſt worden; und welche die zertrennen/ die werden fuͤr ſchnoͤder gehalten/ weder die Ruffianer, die den HErꝛn gecreutziget/ und ſeinen rock nicht zer- theilet haben. Dieſes hochzeit-kleid iſt faſt maͤchtig und kraͤfftig/ es beſchirmet den menſchen voꝛ dem froſt der begierlichkeit/ und entzuͤndet ihn in der liebe GOttes/ zieret auch denſelbigen gar ſchoͤn und huͤbſch. Allein diß kleid giebt den unterſcheid zwiſchen den kindern des reichs Gottes und der verdam̃- niß; denn welcher das antraͤgt/ der geht ins Reich GOttes/ er wird ein tiſchgenoß des him- mels-Koͤnigs Chriſti/ ja ein ſohn GOttes; der aber des mangelt/ ob er gleichwol ſonſt alle an- dere zierde und tugend hat/ ſo wird er abgetriebē. Diß kleid bedeckt die viele der ſuͤnden; denn es iſt verguͤldet/ oder ſelbſt gantz guͤlden/ nach dem ſpruch: Die Koͤnigin ſtehet dir zur rechten in ver- guͤldetem kleide. Diß hochzeitliche kleid bewahret den men- ſchen; denn die liebe iſt ſo ſtarck als der tod: ſei- ne koͤſtlichkeit erſcheinet auch aus der materie; denn ſo diß koͤſtlich iſt/ das aus den metallen/ oder geſteinen oder thieren gezogen wird/ ſo iſt diß gar viel koͤſtlicher/ das aus GOtt dem hoͤch- ſten gut gezogen wird/ denn diß hochzeitliche kleid kom̃t aus GOtt/ und wird von Chriſto er- langt/ von welchem wir auch bedeckt/ daß wir davon leben und reich werden; denn welcher diß kleid hat/ demſelbigen mangelt gar nichts/ ohne diß kleid mag ihm nichts nuͤtzen. Die liebe dieſer welt-dingen iſt gar eine elende thoͤrichte liebe/ ja vielmehr eine verworffene un- ſinnig-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/487>, abgerufen am 24.04.2024.