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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Münsterischen Wiedertäuffer.
[Spaltenumbruch]
NUM XXVII.
Schrifft der Münsterischen Wieder-
täuffer.

Jn der historie selbst ist von denen Müntzeri-
schen und Münsterischen wiedertäuffern bereits
angemercket worden/ daß sie allerdings im anfang
viel gnade von Gott gehabt/ so wol in erkäntniß
des grossen verfalls unter den Christen als anderer
sonderbaren geheimnisse. Daß sie aber hierauff/
als sie nicht in nöthiger wachsamkeit/ demuth und
sanfftmuth geblieben/ oder viel mehr nach dersel-
ben nicht vor allen dingen ernstlich gestrebet/ in
diese greuliche irrthümer und versuchungen gestür-
tzet worden|/ wo durch sie nicht nur in gäntzlichen
ruin gerathen/ sondern auch so wol schwachen als
vorsätzlichen spöttern und lästerern die anlaß ge-
geben/ alle und jede würckungen GOttes und sei-
nes geistes so gleich mit dem Müntzerischen und
Münsterischen auffruhr zu vergleichen. Wie wol
es inzwischen durch die treue und gütige vorse-
hung GOttes geschehen/ daß seit selbiger zeit fast
wol kein solch exempel mehr bekant worden/ daß
diejenigen/ welche sich auff die führung des Heil.
Geistes beruffen gehabt/ in dergleichen straffba-
re excesse ausgebrochen wären. Zumal es auch
schlechter dings unmöglich ist/ daß ein mensch/
der GOtt um seine eigene und eintzigeführung
ernstlich anruffet/ auch in stätigem gebet und wa-
chen bey wahrhafftiger auffopfferung sein selbst/
und stätem wachsthum in der von Christo gelern-
ten demuth und sanfftmuth beharret/ sich um die
äusserlichen händel der welt weiter bekümmern/
geschweige unruhe oder krieg anrichten solte. Dan-
nenhero dergleichen blutige actiones von denen
jetzt beschriebenen personen wol ewig ferne bleiben/
als die viel bessere und nöthigere dinge zu versor-
gen/ und an statt fleisches und blutes mit Fürsten
und gewaltigen zustreiten haben. Und folglich fäl-
let der gemeine vorwurff gäntzlich hinweg/ da der
gute und H. Geist GOttes von vielen ketzerma-
chern lästerlicher weise zu einem aufrührischen und
blutgierigen geist gemachet wird/ indem sie alle
ausbrüche der Göttlichen krafft alsbald der obrig-
keit damit verdächtig und gehäßig machen wol-
len/ als wenn hiebey nichts anders als auffruhr/
mord und verwüstung zu besorgen wäre/ da doch
im gegentheil die kirchen-historie durchgehends
weiset/ wie leider die meisten blutstürtzungen/ krie-
ge/ rebellionen/ leibes-straffen/ und fast alles un-
heil ursprünglich von der verderbten Clerisey und
ihren herschsüchtigen blutdürstigen lehr-sätzen/ re-
bellischen predigten und actionen entstanden seyn.

Damit aber ein solcher leser der alles weißlich
prüfen/ und allein das gute behalten kan/ von dem
was oben wegen des ersten zustandes derer wieder-
täuffer gesagt worden/ einige probe sehen könne:
Haben wir hier etwas von ihren schrifften beyfü-
gen wollen/ und zwar so wol aus Thomas Mün-
tzers/ als aus der Münsterischen hinterlassenen bü-
chern. Aus beyderley wird ein erleuchtetes auge gar
bald sehen/ daß bey diesen leuten annoch licht und
finsternis gar sehr mit einander gestritten/ und sie
selbst noch nicht zu einer so völligen lauterkeit und
wahrheit des sinnes Christi gelanget gewesen/ in
welcher sie alsdenn im wahrhafftigen absterben
des alten menschen vor dergleichen schrecklichen
ausbrüchen der bösen natur hätten bewahret wer-
den mögen. Die Münsterischen haben in ihren
schrifften/ sowol in der/ welche sie die Restitution
titulir
et/ als in der andern von verborgenheit
der schrifft des reiches CHristi
ausdrück-
[Spaltenumbruch] lich gesetzet: Die Christen solten nun das
schwerdt gebrauchen/ und es solte nicht
auffhören/ biß denen Gottlosen vergol-
ten und selbiges in ihr eigen hertz gesto-
chen würde.
Sie schliessen auch zuletzt mit die-
sem wunsch: Gott wolle seinen David und
volck streiten lernen/ und ihre finger zum
krieg schicken!
Welches freylich erschreckliche
und verderbliche irrthümer waren/ dadurch die ar-
men leute von dem geistlichen innerlichen kampff
wider das böse auff fleischliche waffen fielen.

Jndessen mag ein geschickter leser aus diesen ih-
ren nachfolgenden erklärungen selbst prüfen/ was
von ihrer übrigen erkäntniß in Göttlichen dingen
und in der H. Schrifft zu halten sey. Der titul
des büchleins/ welches sie anno 1535. im andern
monath (wie darunter stehet) herausgegeben/
ist dieser/ und zwar in Niedersächsischer sprache:
Von verborgenheit der schrifft des rykes
Christi/ unde von dem daghe des HErrn/
durch de ghemeynte Christi tho Münster:

Aus welchem ich dieses folgende Hochteutsch hie-
her setzen will.

Das 1. capitel.
Die schrifft ist gleich einem schrein oder
kasten/ darinne der schatz der erkänt-
niß Gottes und Christi verborgen
und verschlossen sind.

Wann dieses also schlecht ausgesprochen blie-
be sonder weiterer erklärung/ so vermuthen wir
uns doch/ daß dem kein verständiger solte wie-
dersprechen; dann wer solte das nicht wissen und
verstehen wollen/ daß in der schrifft/ als in
einem schreine/ solches verborgen und ver-
schlossen sey? Gewißlich ein jeder würde uns sol-
ches zustehen/ aber was der rechte verstand darvon
ist/ wie solches soll angesehen werden/ fürchte wir/
das solte von wenigen recht begriffen werden;
denn ein jedes wort seinen verstand dabey bringet/
sonderlich den klüglingen/ der zu dieser zeit viel
sind/ die sich lassen düncken/ daß sie Doctor und
meister seynd/ so sie doch nur in der rechten schulen
lehrlinge gewesen seyn/ aber aus vernünfftiger
Philosophie/ und aus denungewissen und tödtli-
chen buchstaben/ deren die sich allerley geheimnisse
unterstehen auszulegen; und von solchen vermesse-
nen und unverschämmten klüglingen wird der ge-
meine einfältige mann jämmerlich verworren und
verführt/ ja auch mancher/ der recht stehet/ wird
durch solche verführung umgestossen/ davor auch
Paulus die seinen warnet Col. II. daß sie sich hü-
ten solten. Darum wollen wir/ wie diß zu verstehe
ist/ anweisen/ und das nicht aus vernünfftiger
Philosophie/ oder dem todten buchstabe/ sondern
aus dem befundenen und lebendigen verstande
des geistes; nun wir wollen uns nicht rühmen/ das
werck soll sich wol bekannt machen/ und die geist-
lich sind und recht richtende Christen/ die prüfen und
richten es/ so mögen sie erkennen/ ob wir aus geist-
licher weißheit sprechen/ ob wir aus vernünffti-
gem verstande reden; die andern vergreiffen sich
nicht/ verdammen nicht/ das sie nicht verstehen/
sondern mercken auff die schrifft/ lernen erst verste-
hen/ darnach richten sie dann; hiervon gnug/ nun
wollen wir schlecht zur sache greiffen; der Herr wol-
le uns recht auffschliessen/ auff daß wir unsern
schatz/ den er uns gegeben hat/ alt und neu recht
und würdiglich mögen hervor tragen!

Wie alle schrifft/ die von buchstaben und wor-
ten zusammen gesetzet wird/ einen verstand in sich
verschlossen hat/ anders mag es keine schrifft ge-
heissen werden; denn die schrifft ist eine verdeckung

des wis-
A. K. H. Vierter Theil. C c 2
Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wiedertaͤuffer.
[Spaltenumbruch]
NUM XXVII.
Schrifft der Muͤnſteriſchen Wieder-
taͤuffer.

Jn der hiſtorie ſelbſt iſt von denen Muͤntzeri-
ſchen und Muͤnſteriſchen wiedertaͤuffern bereits
angemeꝛcket woꝛden/ daß ſie alleꝛdings im anfang
viel gnade von Gott gehabt/ ſo wol in erkaͤntniß
des groſſen verfalls unter den Chriſten als anderer
ſonderbaren geheimniſſe. Daß ſie aber hierauff/
als ſie nicht in noͤthiger wachſamkeit/ demuth und
ſanfftmuth geblieben/ oder viel mehr nach derſel-
ben nicht vor allen dingen ernſtlich geſtrebet/ in
dieſe greuliche irꝛthuͤmer und verſuchungen geſtuͤr-
tzet worden|/ wo durch ſie nicht nur in gaͤntzlichen
ruin gerathen/ ſondern auch ſo wol ſchwachen als
vorſaͤtzlichen ſpoͤttern und laͤſterern die anlaß ge-
geben/ alle und jede wuͤrckungen GOttes und ſei-
nes geiſtes ſo gleich mit dem Muͤntzeriſchen und
Muͤnſteriſchen auffruhr zu vergleichen. Wie wol
es inzwiſchen durch die treue und guͤtige vorſe-
hung GOttes geſchehen/ daß ſeit ſelbiger zeit faſt
wol kein ſolch exempel mehr bekant worden/ daß
diejenigen/ welche ſich auff die fuͤhrung des Heil.
Geiſtes beruffen gehabt/ in dergleichen ſtraffba-
re exceſſe ausgebrochen waͤren. Zumal es auch
ſchlechter dings unmoͤglich iſt/ daß ein menſch/
der GOtt um ſeine eigene und eintzigefuͤhrung
ernſtlich anruffet/ auch in ſtaͤtigem gebet und wa-
chen bey wahrhafftiger auffopfferung ſein ſelbſt/
und ſtaͤtem wachsthum in der von Chriſto gelern-
ten demuth und ſanfftmuth beharret/ ſich um die
aͤuſſerlichen haͤndel der welt weiter bekuͤmmern/
geſchweige unꝛuhe odeꝛ krieg anrichten ſolte. Dan-
nenhero dergleichen blutige actiones von denen
jetzt beſchꝛiebenen peꝛſonen wol ewig feꝛne bleiben/
als die viel beſſere und noͤthigere dinge zu verſor-
gen/ und an ſtatt fleiſches und blutes mit Fuͤrſten
und gewaltigen zuſtreiten haben. Und folglich faͤl-
let der gemeine vorwurff gaͤntzlich hinweg/ da der
gute und H. Geiſt GOttes von vielen ketzerma-
chern laͤſterlicher weiſe zu einem aufruͤhriſchen und
blutgierigen geiſt gemachet wird/ indem ſie alle
ausbruͤche der Goͤttlichen krafft alsbald der obrig-
keit damit verdaͤchtig und gehaͤßig machen wol-
len/ als wenn hiebey nichts anders als auffruhr/
mord und verwuͤſtung zu beſorgen waͤre/ da doch
im gegentheil die kirchen-hiſtorie durchgehends
weiſet/ wie leider die meiſten blutſtuͤrtzungen/ krie-
ge/ rebellionen/ leibes-ſtraffen/ und faſt alles un-
heil urſpruͤnglich von der verderbten Cleriſey und
ihren herſchſuͤchtigen blutduͤrſtigen lehr-ſaͤtzen/ re-
belliſchen predigten uñ actionen entſtanden ſeyn.

Damit aber ein ſolcher leſer der alles weißlich
pruͤfen/ und allein das gute behalten kan/ von dem
was oben wegen des erſten zuſtandes derer wieder-
taͤuffer geſagt worden/ einige probe ſehen koͤnne:
Haben wir hier etwas von ihren ſchrifften beyfuͤ-
gen wollen/ und zwar ſo wol aus Thomas Muͤn-
tzers/ als aus der Muͤnſteriſchen hinteꝛlaſſenen buͤ-
chern. Aus beydeꝛley wiꝛd ein eꝛleuchtetes auge gar
bald ſehen/ daß bey dieſen leuten annoch licht und
finſternis gar ſehr mit einander geſtritten/ und ſie
ſelbſt noch nicht zu einer ſo voͤlligen lauterkeit und
wahrheit des ſinnes Chriſti gelanget geweſen/ in
welcher ſie alsdenn im wahrhafftigen abſterben
des alten menſchen vor dergleichen ſchrecklichen
ausbruͤchen der boͤſen natur haͤtten bewahret wer-
den moͤgen. Die Muͤnſteriſchen haben in ihren
ſchrifften/ ſowol in der/ welche ſie die Reſtitution
titulir
et/ als in der andern von verborgenheit
der ſchrifft des reiches CHriſti
ausdruͤck-
[Spaltenumbruch] lich geſetzet: Die Chriſten ſolten nun das
ſchwerdt gebrauchen/ und es ſolte nicht
auffhoͤren/ biß denen Gottloſen vergol-
ten und ſelbiges in ihr eigen hertz geſto-
chen wuͤrde.
Sie ſchlieſſen auch zuletzt mit die-
ſem wunſch: Gott wolle ſeinen David und
volck ſtreiten lernen/ und ihre finger zum
krieg ſchicken!
Welches freylich erſchreckliche
und verderbliche irꝛthuͤmer waren/ dadurch die ar-
men leute von dem geiſtlichen innerlichen kampff
wider das boͤſe auff fleiſchliche waffen fielen.

Jndeſſen mag ein geſchickter leſer aus dieſen ih-
ren nachfolgenden erklaͤrungen ſelbſt pruͤfen/ was
von ihrer uͤbrigen erkaͤntniß in Goͤttlichen dingen
und in der H. Schrifft zu halten ſey. Der titul
des buͤchleins/ welches ſie anno 1535. im andern
monath (wie darunter ſtehet) herausgegeben/
iſt dieſer/ und zwar in Niederſaͤchſiſcher ſprache:
Von verborgenheit der ſchrifft des rykes
Chriſti/ unde von dem daghe des HErꝛn/
duꝛch de ghemeynte Chriſti tho Muͤnſter:

Aus welchem ich dieſes folgende Hochteutſch hie-
her ſetzen will.

Das 1. capitel.
Die ſchrifft iſt gleich einem ſchrein oder
kaſten/ darinne der ſchatz der erkaͤnt-
niß Gottes und Chriſti verborgen
und verſchloſſen ſind.

Wann dieſes alſo ſchlecht ausgeſprochen blie-
be ſonder weiterer erklaͤrung/ ſo vermuthen wir
uns doch/ daß dem kein verſtaͤndiger ſolte wie-
derſprechen; dann wer ſolte das nicht wiſſen und
verſtehen wollen/ daß in der ſchrifft/ als in
einem ſchreine/ ſolches verborgen und ver-
ſchloſſen ſey? Gewißlich ein jeder wuͤrde uns ſol-
ches zuſtehen/ aber was der rechte verſtand darvon
iſt/ wie ſolches ſoll angeſehen werden/ fuͤrchtē wir/
das ſolte von wenigen recht begriffen werden;
denn ein jedes wort ſeinen verſtand dabey bringet/
ſonderlich den kluͤglingen/ der zu dieſer zeit viel
ſind/ die ſich laſſen duͤncken/ daß ſie Doctor und
meiſter ſeynd/ ſo ſie doch nur in der rechten ſchulen
lehrlinge geweſen ſeyn/ aber aus vernuͤnfftiger
Philoſophie/ und aus denungewiſſen und toͤdtli-
chen buchſtaben/ deren die ſich alleꝛley geheimniſſe
unterſtehen auszulegen; und von ſolchen vermeſſe-
nen und unverſchaͤmmten kluͤglingen wird der ge-
meine einfaͤltige mann jaͤmmeꝛlich verworren und
verfuͤhrt/ ja auch mancher/ der recht ſtehet/ wird
durch ſolche verfuͤhrung umgeſtoſſen/ davor auch
Paulus die ſeinen warnet Col. II. daß ſie ſich huͤ-
ten ſolten. Darum wollen wir/ wie diß zu verſtehē
iſt/ anweiſen/ und das nicht aus vernuͤnfftiger
Philoſophie/ oder dem todten buchſtabē/ ſondern
aus dem befundenen und lebendigen verſtande
des geiſtes; nun wir wollen uns nicht ruͤhmen/ das
werck ſoll ſich wol bekannt machen/ und die geiſt-
lich ſind und recht richtende Chriſten/ die pruͤfen uñ
richten es/ ſo moͤgen ſie erkennen/ ob wir aus geiſt-
licher weißheit ſprechen/ ob wir aus vernuͤnffti-
gem verſtande reden; die andern vergreiffen ſich
nicht/ verdammen nicht/ das ſie nicht verſtehen/
ſondern mercken auff die ſchrifft/ lernen erſt verſte-
hen/ darnach richten ſie dann; hiervon gnug/ nun
wollen wir ſchlecht zur ſache greiffen; der Herꝛ wol-
le uns recht auffſchlieſſen/ auff daß wir unſern
ſchatz/ den er uns gegeben hat/ alt und neu recht
und wuͤrdiglich moͤgen hervor tragen!

Wie alle ſchrifft/ die von buchſtaben und wor-
ten zuſammen geſetzet wird/ einen verſtand in ſich
verſchloſſen hat/ anders mag es keine ſchrifft ge-
heiſſen werden; denn die ſchrifft iſt eine verdeckung

des wiſ-
A. K. H. Vierter Theil. C c 2
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[203/0499] Th. IV. Sect. II. Num. XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wiedertaͤuffer. NUM XXVII. Schrifft der Muͤnſteriſchen Wieder- taͤuffer. Jn der hiſtorie ſelbſt iſt von denen Muͤntzeri- ſchen und Muͤnſteriſchen wiedertaͤuffern bereits angemeꝛcket woꝛden/ daß ſie alleꝛdings im anfang viel gnade von Gott gehabt/ ſo wol in erkaͤntniß des groſſen verfalls unter den Chriſten als anderer ſonderbaren geheimniſſe. Daß ſie aber hierauff/ als ſie nicht in noͤthiger wachſamkeit/ demuth und ſanfftmuth geblieben/ oder viel mehr nach derſel- ben nicht vor allen dingen ernſtlich geſtrebet/ in dieſe greuliche irꝛthuͤmer und verſuchungen geſtuͤr- tzet worden|/ wo durch ſie nicht nur in gaͤntzlichen ruin gerathen/ ſondern auch ſo wol ſchwachen als vorſaͤtzlichen ſpoͤttern und laͤſterern die anlaß ge- geben/ alle und jede wuͤrckungen GOttes und ſei- nes geiſtes ſo gleich mit dem Muͤntzeriſchen und Muͤnſteriſchen auffruhr zu vergleichen. Wie wol es inzwiſchen durch die treue und guͤtige vorſe- hung GOttes geſchehen/ daß ſeit ſelbiger zeit faſt wol kein ſolch exempel mehr bekant worden/ daß diejenigen/ welche ſich auff die fuͤhrung des Heil. Geiſtes beruffen gehabt/ in dergleichen ſtraffba- re exceſſe ausgebrochen waͤren. Zumal es auch ſchlechter dings unmoͤglich iſt/ daß ein menſch/ der GOtt um ſeine eigene und eintzigefuͤhrung ernſtlich anruffet/ auch in ſtaͤtigem gebet und wa- chen bey wahrhafftiger auffopfferung ſein ſelbſt/ und ſtaͤtem wachsthum in der von Chriſto gelern- ten demuth und ſanfftmuth beharret/ ſich um die aͤuſſerlichen haͤndel der welt weiter bekuͤmmern/ geſchweige unꝛuhe odeꝛ krieg anrichten ſolte. Dan- nenhero dergleichen blutige actiones von denen jetzt beſchꝛiebenen peꝛſonen wol ewig feꝛne bleiben/ als die viel beſſere und noͤthigere dinge zu verſor- gen/ und an ſtatt fleiſches und blutes mit Fuͤrſten und gewaltigen zuſtreiten haben. Und folglich faͤl- let der gemeine vorwurff gaͤntzlich hinweg/ da der gute und H. Geiſt GOttes von vielen ketzerma- chern laͤſterlicher weiſe zu einem aufruͤhriſchen und blutgierigen geiſt gemachet wird/ indem ſie alle ausbruͤche der Goͤttlichen krafft alsbald der obrig- keit damit verdaͤchtig und gehaͤßig machen wol- len/ als wenn hiebey nichts anders als auffruhr/ mord und verwuͤſtung zu beſorgen waͤre/ da doch im gegentheil die kirchen-hiſtorie durchgehends weiſet/ wie leider die meiſten blutſtuͤrtzungen/ krie- ge/ rebellionen/ leibes-ſtraffen/ und faſt alles un- heil urſpruͤnglich von der verderbten Cleriſey und ihren herſchſuͤchtigen blutduͤrſtigen lehr-ſaͤtzen/ re- belliſchen predigten uñ actionen entſtanden ſeyn. Damit aber ein ſolcher leſer der alles weißlich pruͤfen/ und allein das gute behalten kan/ von dem was oben wegen des erſten zuſtandes derer wieder- taͤuffer geſagt worden/ einige probe ſehen koͤnne: Haben wir hier etwas von ihren ſchrifften beyfuͤ- gen wollen/ und zwar ſo wol aus Thomas Muͤn- tzers/ als aus der Muͤnſteriſchen hinteꝛlaſſenen buͤ- chern. Aus beydeꝛley wiꝛd ein eꝛleuchtetes auge gar bald ſehen/ daß bey dieſen leuten annoch licht und finſternis gar ſehr mit einander geſtritten/ und ſie ſelbſt noch nicht zu einer ſo voͤlligen lauterkeit und wahrheit des ſinnes Chriſti gelanget geweſen/ in welcher ſie alsdenn im wahrhafftigen abſterben des alten menſchen vor dergleichen ſchrecklichen ausbruͤchen der boͤſen natur haͤtten bewahret wer- den moͤgen. Die Muͤnſteriſchen haben in ihren ſchrifften/ ſowol in der/ welche ſie die Reſtitution tituliret/ als in der andern von verborgenheit der ſchrifft des reiches CHriſti ausdruͤck- lich geſetzet: Die Chriſten ſolten nun das ſchwerdt gebrauchen/ und es ſolte nicht auffhoͤren/ biß denen Gottloſen vergol- ten und ſelbiges in ihr eigen hertz geſto- chen wuͤrde. Sie ſchlieſſen auch zuletzt mit die- ſem wunſch: Gott wolle ſeinen David und volck ſtreiten lernen/ und ihre finger zum krieg ſchicken! Welches freylich erſchreckliche und verderbliche irꝛthuͤmer waren/ dadurch die ar- men leute von dem geiſtlichen innerlichen kampff wider das boͤſe auff fleiſchliche waffen fielen. Jndeſſen mag ein geſchickter leſer aus dieſen ih- ren nachfolgenden erklaͤrungen ſelbſt pruͤfen/ was von ihrer uͤbrigen erkaͤntniß in Goͤttlichen dingen und in der H. Schrifft zu halten ſey. Der titul des buͤchleins/ welches ſie anno 1535. im andern monath (wie darunter ſtehet) herausgegeben/ iſt dieſer/ und zwar in Niederſaͤchſiſcher ſprache: Von verborgenheit der ſchrifft des rykes Chriſti/ unde von dem daghe des HErꝛn/ duꝛch de ghemeynte Chriſti tho Muͤnſter: Aus welchem ich dieſes folgende Hochteutſch hie- her ſetzen will. Das 1. capitel. Die ſchrifft iſt gleich einem ſchrein oder kaſten/ darinne der ſchatz der erkaͤnt- niß Gottes und Chriſti verborgen und verſchloſſen ſind. Wann dieſes alſo ſchlecht ausgeſprochen blie- be ſonder weiterer erklaͤrung/ ſo vermuthen wir uns doch/ daß dem kein verſtaͤndiger ſolte wie- derſprechen; dann wer ſolte das nicht wiſſen und verſtehen wollen/ daß in der ſchrifft/ als in einem ſchreine/ ſolches verborgen und ver- ſchloſſen ſey? Gewißlich ein jeder wuͤrde uns ſol- ches zuſtehen/ aber was der rechte verſtand darvon iſt/ wie ſolches ſoll angeſehen werden/ fuͤrchtē wir/ das ſolte von wenigen recht begriffen werden; denn ein jedes wort ſeinen verſtand dabey bringet/ ſonderlich den kluͤglingen/ der zu dieſer zeit viel ſind/ die ſich laſſen duͤncken/ daß ſie Doctor und meiſter ſeynd/ ſo ſie doch nur in der rechten ſchulen lehrlinge geweſen ſeyn/ aber aus vernuͤnfftiger Philoſophie/ und aus denungewiſſen und toͤdtli- chen buchſtaben/ deren die ſich alleꝛley geheimniſſe unterſtehen auszulegen; und von ſolchen vermeſſe- nen und unverſchaͤmmten kluͤglingen wird der ge- meine einfaͤltige mann jaͤmmeꝛlich verworren und verfuͤhrt/ ja auch mancher/ der recht ſtehet/ wird durch ſolche verfuͤhrung umgeſtoſſen/ davor auch Paulus die ſeinen warnet Col. II. daß ſie ſich huͤ- ten ſolten. Darum wollen wir/ wie diß zu verſtehē iſt/ anweiſen/ und das nicht aus vernuͤnfftiger Philoſophie/ oder dem todten buchſtabē/ ſondern aus dem befundenen und lebendigen verſtande des geiſtes; nun wir wollen uns nicht ruͤhmen/ das werck ſoll ſich wol bekannt machen/ und die geiſt- lich ſind und recht richtende Chriſten/ die pruͤfen uñ richten es/ ſo moͤgen ſie erkennen/ ob wir aus geiſt- licher weißheit ſprechen/ ob wir aus vernuͤnffti- gem verſtande reden; die andern vergreiffen ſich nicht/ verdammen nicht/ das ſie nicht verſtehen/ ſondern mercken auff die ſchrifft/ lernen erſt verſte- hen/ darnach richten ſie dann; hiervon gnug/ nun wollen wir ſchlecht zur ſache greiffen; der Herꝛ wol- le uns recht auffſchlieſſen/ auff daß wir unſern ſchatz/ den er uns gegeben hat/ alt und neu recht und wuͤrdiglich moͤgen hervor tragen! Wie alle ſchrifft/ die von buchſtaben und wor- ten zuſammen geſetzet wird/ einen verſtand in ſich verſchloſſen hat/ anders mag es keine ſchrifft ge- heiſſen werden; denn die ſchrifft iſt eine verdeckung des wiſ- A. K. H. Vierter Theil. C c 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/499>, abgerufen am 28.03.2024.