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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXX. Menno Simonis Lebens-Lauff.
[Spaltenumbruch]
Num. XXX.
Menno Simonis
Lebens-Lauff.

Zur Historia derer Mennonisten ist ihres an-
fängers leben/ und vornemlich dessen Reli-
gions-veränderung zu lesen nicht undienlich/
und zwar aus seiner eigenen erzehlung/ welche
also lautet:

Menno Simons außgang aus
dem Pabstthum.

Vorrede.

Lieber Leser/ ich schreibe dir die warheit in
CHRisto/ und lüge nicht. Es geschahe An-
Anno 1528
Pingium
2. stund
von Fra-
necker.
no 1528. in dem 24. Jahr meines alters/ daß
ich mich in meines Vatern dorff/ Pingium ge-
nannt/ in der Pfaffen dienst begab/ woselbst
noch zween andere meines alters mit mir im
gleichen dienste stunden/ der eine war mein Pa-
stor ein ziemlich gelehrter Mann/ der ander war
unter mir. Diese beyde hatten die Schrifft ei-
niger massen gelesen/ ich aber hatte sie mein le-
benlang nicht angerührt; denn ich fürchtete/
ich möchte durch lesung derselben/ verführet
werden. Sihe/ so ein thummer Prediger war
Anno 1530
mein kum-
mer über
der Pfaf-
fen Brod
und Wein
ob es auch
Fleisch und
Blut sey?
ich/ in die zwey jahr lang. Das erste jahr her-
nach fiel mir ein gedancke ein/ so offt ich in der
Messe mit Brod und Wein zu thun hatte/ daß
es nicht des HErrn Fleisch und Blut wäre:
Anfangs meinte ich/ solcher gedancke käme vom
Teuffel her/ der mich suchte von meinem Glau-
ben abzuführen; Jch beichtete es offtmals mit
seuffzen/ und betete/ gleichwol konte ich dieser ge-
Meine
ruchlofig-
keit/ und
grosse
blindheit
im Pabst-
thum.
dancken nicht loß werden. Die zween gemeld-
te junge Männer/ und ich/ brachten unsern täg-
lichen wandel mit spielen/ trincken/ und derglei-
chen zeit-vertreib in aller eitelkeit zu/ wie denn
leider! solcher unfruchtbaren leute gewonheit
ist. Und wenn wir denn ein wenig von der
Schrifft handeln solten/ konte ich nicht ein
wort ohne verspottung mit ihnen sprechen; denn
ich wuste selbst nicht/ was ich wolte/ so verschlos-
sen lag Gottes wort vor meinen augen. Zuletzt
Anfang
meines le-
sens/ mei-
ne aufflö-
sung wege
des ge-
dachten
Brodts.
nahm ich mir vor/ das Neue Testament einmal
mit fleiß zu untersuchen. Jch kam nicht gar
weit darinn/ da ward ich bald gewahr/ daß wir
betrogen wären/ und mein bekümmertes ge-
müth wegen des vorbenannten Brods ward
auch ohne einige anweisung von seiner beküm-
merniß bald entlediget: doch in so weit kam
mir Lutherus zu statten/ daß Menschen-Gebo-
te niemand verbinden zur straffe des ewigen to-
Mein zu-
nehmen in
der Heil.
Schrifft.
des. Jch ging durch des HErrn erleuchtung
und gnade von tag zu tag fort in erkäntniß der
Schrifft/ und ward von einigen alsbald ein
Evangelischer Prediger (wiewol mit unrecht)
genennet/ ein jeder suchte und beliebte mich/
denn die welt liebte mich/ und ich die welt/ den-
noch hieß es/ daß ich Gottes Wort predigte/
und ein feiner Mann wäre. Darnach gescha-
he es Anno 1531. ehe ich noch mein lebtag von
einigen Brüdern gehöret/ daß ein gottsfürch-
tiger frommer Held/ Sicke Schneider genant/
zu Leuwarden enthauptet ward/ darüm daß er
seine Tauffe verneuret hätte. Es klang mir sehr
wunderlich in meinen ohren/ daß man von ei-
ner andern Tauffe sprach. Jch untersuchte die
Schrifft mit fleiß/ und dachte ihr mit ernst
nach/ kunte aber von der Kinder-Tauffe keinen
bericht darinnen finden. Als ich dieses merckte/
[Spaltenumbruch] besprach ich mich dieser sache wegen mit meinem
obbenanten Pastore/ und nach vielen reden
brachte ich ihn so weit/ daß er gestehen muste
die Kinder-Tauffe hätte in der Schrifft keinen
grund. Gleichwol durffte ich meinem verstan-Der Alten
Grund und
Lehr von
der Kin-
der-Tauff.

de so viel nicht trauen; erholte mich also raths
bey einigen alten Scribenten/ die lehrten mich/
daß die kinder dadurch von ihrer erbsünde mü-
sten gewaschen werden: ich hielte es gegen die
Schrifft/ und merckte/ daß solches CHRisti
blut zuwieder war. Darnach gieng ich zu Lu-Lutheri
Lehr von
der Kin-
der Tauff.

thero/ und wolte gern von ihm grund wissen/
der lehrte mich/ daß man die kinder auff ihren
eigenen Glauben tauffen müste: Jch sahe/
daß auch dieses Gottes wort nicht gemäß war.
Zum dritten gieng ich zu Bucero, der lehrteBuceri
Lehr von
der Kin-
der-Tauff.

mich/ daß man sie darüm tauffen solte/ da-
mit man ihrer desto fleissiger könte wahr-
nehmen und in des HErren wegen aufferzie-
hen; sahe aber/ daß auch dieses ohne grund
geredet war. Viertens zu Bullingero, derBullingeri
Lehr von
der Kin-
der Tauff.

wiese mich auff den Bund und die Beschnei-
dung; ich befand aber gleichfals/ daß es
nach der Schrifft nicht bestehen kunte. Als
ich nun allenthalben merckte/ daß die Scri-Meine er-
leuchtung
von der
Kinder-
Tauffe.

benten im grunde so weit getheilet stunden/
und ein jeder seiner vernunfft folgte/ da sa-
he ich klar/ daß wir mit der Kinder-Tauffe
betrogen waren. Nicht lang darnach ward
ich in ein ander dorff beruffen/ WitmarsumWitmar-
sum dritte-
halb stun-
de von
Franecker.

genannt/ in welchem ich gebohren bin/ ich zog
aus gewinnsucht und begierde eines grossen
namens hin/ sprach auch daselbst ohne Geist
und Liebe (wie aller heuchler art ist) von des
HErrn wort/ und zeugete dadurch solche Jün-
ger/ die nichts besser waren als ich/ ihr Lehrmei-
ster/ nemlich eitele großsprecher/ leichtfertige
schwätzer/ und denen die sache eben so wenig/
als mir selbst ein ernst war. Und wiewol ich
viel dinges aus der Heil. Schrifft erkannte/
so verzehrte ich/ dessen ungeachtet/ diese er-
käntniß mit den| lüsten meiner jugend in einem
unreinem fleischlichem leben ohne einigen nu-
tzen/ und suchte nichts anders als gewinn/ ge-
mächlichkeit/ menschen-gunst/ herrligkeit/ ei-
nen grossen namen und ehre/ wie es solche
leute insgemein zu machen pflegen/ die in die-
sem spital kranck liegen. Sihe/ lieber Leser/
also habe ich mein erkäntniß so wol von der
Tauffe/ als Nachtmal/ durch die erleuchtung
des Heil. Geistes/ mit meinem vielem lesen und
nachdencken der Schrifft aus GOttes gnä-
diger gunst erlanget/ und nicht durch den
dienst und mittel der verführischen Secten/
wie man mir schuld giebt. Jch hoffe/ daß
ich die warheit schreibe und keinen eiteln ruhm
suche. Doch/ so mir einige menschen möch-
ten worinn beförderlich gewesen seyn/ wil ich
dem HErrn ewig davor dancken. Mittler
zeit/ als ich ohngefehr ein jahr daselbst gewoh-
net hatte/ begab es sich/ daß etliche mit der
Tauffe herein brachen; allein von wannen die
erste anfänger herkommen/ oder wo sie zu hau-Anfang
der Mün-
sterischen
Anno 1533
während
biß 1535.
24. Junii/
ehe die
Stadt ü-
bergieng.

se gehören/ und wer sie eigentlich gewesen/ ist
mir noch biß auff diese stunde unbekandt/ ha-
be sie auch mein lebenlang nicht gesehen.
Drauff brach die Secte von Münster an/
durch welche viel fromme hertzen auch an un-
serer seite betrogen wurden. Meine seele war
in grosser betrübniß; denn ich merckte/ daß sie

eyfer-
Th. IV. Sect. II. Num. XXX. Menno Simonis Lebens-Lauff.
[Spaltenumbruch]
Num. XXX.
Menno Simonis
Lebens-Lauff.

Zur Hiſtoria derer Mennoniſten iſt ihres an-
faͤngers leben/ und vornemlich deſſen Reli-
gions-veraͤnderung zu leſen nicht undienlich/
und zwar aus ſeiner eigenen erzehlung/ welche
alſo lautet:

Menno Simons außgang aus
dem Pabſtthum.

Vorrede.

Lieber Leſer/ ich ſchreibe dir die warheit in
CHRiſto/ und luͤge nicht. Es geſchahe An-
Anno 1528
Pingium
2. ſtund
von Fra-
necker.
no 1528. in dem 24. Jahr meines alters/ daß
ich mich in meines Vatern dorff/ Pingium ge-
nannt/ in der Pfaffen dienſt begab/ woſelbſt
noch zween andere meines alters mit mir im
gleichen dienſte ſtunden/ der eine war mein Pa-
ſtor ein ziemlich gelehrter Mann/ der ander war
unter mir. Dieſe beyde hatten die Schrifft ei-
niger maſſen geleſen/ ich aber hatte ſie mein le-
benlang nicht angeruͤhrt; denn ich fuͤrchtete/
ich moͤchte durch leſung derſelben/ verfuͤhret
werden. Sihe/ ſo ein thummer Prediger war
Anno 1530
mein kum-
mer uͤber
der Pfaf-
fen Brod
und Wein
ob es auch
Fleiſch uñ
Blut ſey?
ich/ in die zwey jahr lang. Das erſte jahr her-
nach fiel mir ein gedancke ein/ ſo offt ich in der
Meſſe mit Brod und Wein zu thun hatte/ daß
es nicht des HErrn Fleiſch und Blut waͤre:
Anfangs meinte ich/ ſolcher gedancke kaͤme vom
Teuffel her/ der mich ſuchte von meinem Glau-
ben abzufuͤhren; Jch beichtete es offtmals mit
ſeuffzen/ und betete/ gleichwol konte ich dieſer ge-
Meine
ruchlofig-
keit/ und
groſſe
blindheit
im Pabſt-
thum.
dancken nicht loß werden. Die zween gemeld-
te junge Maͤnner/ und ich/ brachten unſern taͤg-
lichen wandel mit ſpielen/ trincken/ und derglei-
chen zeit-vertreib in aller eitelkeit zu/ wie denn
leider! ſolcher unfruchtbaren leute gewonheit
iſt. Und wenn wir denn ein wenig von der
Schrifft handeln ſolten/ konte ich nicht ein
wort ohne verſpottung mit ihnen ſprechen; denn
ich wuſte ſelbſt nicht/ was ich wolte/ ſo verſchloſ-
ſen lag Gottes wort vor meinen augen. Zuletzt
Anfang
meines le-
ſens/ mei-
ne auffloͤ-
ſung wegē
des ge-
dachten
Brodts.
nahm ich mir vor/ das Neue Teſtament einmal
mit fleiß zu unterſuchen. Jch kam nicht gar
weit darinn/ da ward ich bald gewahr/ daß wir
betrogen waͤren/ und mein bekuͤmmertes ge-
muͤth wegen des vorbenannten Brods ward
auch ohne einige anweiſung von ſeiner bekuͤm-
merniß bald entlediget: doch in ſo weit kam
mir Lutherus zu ſtatten/ daß Menſchen-Gebo-
te niemand verbinden zur ſtraffe des ewigen to-
Mein zu-
nehmen in
der Heil.
Schrifft.
des. Jch ging durch des HErrn erleuchtung
und gnade von tag zu tag fort in erkaͤntniß der
Schrifft/ und ward von einigen alsbald ein
Evangeliſcher Prediger (wiewol mit unrecht)
genennet/ ein jeder ſuchte und beliebte mich/
denn die welt liebte mich/ und ich die welt/ den-
noch hieß es/ daß ich Gottes Wort predigte/
und ein feiner Mann waͤre. Darnach geſcha-
he es Anno 1531. ehe ich noch mein lebtag von
einigen Bruͤdern gehoͤret/ daß ein gottsfuͤrch-
tiger frommer Held/ Sicke Schneider genant/
zu Leuwarden enthauptet ward/ daruͤm daß er
ſeine Tauffe verneuret haͤtte. Es klang mir ſehr
wunderlich in meinen ohren/ daß man von ei-
ner andern Tauffe ſprach. Jch unterſuchte die
Schrifft mit fleiß/ und dachte ihr mit ernſt
nach/ kunte aber von der Kinder-Tauffe keinen
bericht darinnen finden. Als ich dieſes merckte/
[Spaltenumbruch] beſprach ich mich dieſer ſache wegen mit meinem
obbenanten Paſtore/ und nach vielen reden
brachte ich ihn ſo weit/ daß er geſtehen muſte
die Kinder-Tauffe haͤtte in der Schrifft keinen
grund. Gleichwol durffte ich meinem verſtan-Der Alten
Grund uñ
Lehr von
der Kin-
der-Tauff.

de ſo viel nicht trauen; erholte mich alſo raths
bey einigen alten Scribenten/ die lehrten mich/
daß die kinder dadurch von ihrer erbſuͤnde muͤ-
ſten gewaſchen werden: ich hielte es gegen die
Schrifft/ und merckte/ daß ſolches CHRiſti
blut zuwieder war. Darnach gieng ich zu Lu-Lutheri
Lehr von
der Kin-
deꝛ Tauff.

thero/ und wolte gern von ihm grund wiſſen/
der lehrte mich/ daß man die kinder auff ihren
eigenen Glauben tauffen muͤſte: Jch ſahe/
daß auch dieſes Gottes wort nicht gemaͤß war.
Zum dritten gieng ich zu Bucero, der lehrteBuceri
Lehr von
der Kin-
der-Tauff.

mich/ daß man ſie daruͤm tauffen ſolte/ da-
mit man ihrer deſto fleiſſiger koͤnte wahr-
nehmen und in des HErren wegen aufferzie-
hen; ſahe aber/ daß auch dieſes ohne grund
geredet war. Viertens zu Bullingero, derBullingeri
Lehr von
der Kin-
der Tauff.

wieſe mich auff den Bund und die Beſchnei-
dung; ich befand aber gleichfals/ daß es
nach der Schrifft nicht beſtehen kunte. Als
ich nun allenthalben merckte/ daß die Scri-Meine er-
leuchtung
von der
Kinder-
Tauffe.

benten im grunde ſo weit getheilet ſtunden/
und ein jeder ſeiner vernunfft folgte/ da ſa-
he ich klar/ daß wir mit der Kinder-Tauffe
betrogen waren. Nicht lang darnach ward
ich in ein ander dorff beruffen/ WitmarſumWitmar-
ſum dꝛitte-
halb ſtun-
de von
Franecker.

genannt/ in welchem ich gebohren bin/ ich zog
aus gewinnſucht und begierde eines groſſen
namens hin/ ſprach auch daſelbſt ohne Geiſt
und Liebe (wie aller heuchler art iſt) von des
HErrn wort/ und zeugete dadurch ſolche Juͤn-
ger/ die nichts beſſer waren als ich/ ihr Lehrmei-
ſter/ nemlich eitele großſprecher/ leichtfertige
ſchwaͤtzer/ und denen die ſache eben ſo wenig/
als mir ſelbſt ein ernſt war. Und wiewol ich
viel dinges aus der Heil. Schrifft erkannte/
ſo verzehrte ich/ deſſen ungeachtet/ dieſe er-
kaͤntniß mit den| luͤſten meiner jugend in einem
unreinem fleiſchlichem leben ohne einigen nu-
tzen/ und ſuchte nichts anders als gewinn/ ge-
maͤchlichkeit/ menſchen-gunſt/ herrligkeit/ ei-
nen groſſen namen und ehre/ wie es ſolche
leute insgemein zu machen pflegen/ die in die-
ſem ſpital kranck liegen. Sihe/ lieber Leſer/
alſo habe ich mein erkaͤntniß ſo wol von der
Tauffe/ als Nachtmal/ durch die erleuchtung
des Heil. Geiſtes/ mit meinem vielem leſen und
nachdencken der Schrifft aus GOttes gnaͤ-
diger gunſt erlanget/ und nicht durch den
dienſt und mittel der verfuͤhriſchen Secten/
wie man mir ſchuld giebt. Jch hoffe/ daß
ich die warheit ſchreibe und keinen eiteln ruhm
ſuche. Doch/ ſo mir einige menſchen moͤch-
ten worinn befoͤrderlich geweſen ſeyn/ wil ich
dem HErrn ewig davor dancken. Mittler
zeit/ als ich ohngefehr ein jahr daſelbſt gewoh-
net hatte/ begab es ſich/ daß etliche mit der
Tauffe herein brachen; allein von wannen die
erſte anfaͤnger herkommen/ oder wo ſie zu hau-Anfang
der Muͤn-
ſteriſchen
Anno 1533
waͤhrend
biß 1535.
24. Junii/
ehe die
Stadt uͤ-
bergieng.

ſe gehoͤren/ und wer ſie eigentlich geweſen/ iſt
mir noch biß auff dieſe ſtunde unbekandt/ ha-
be ſie auch mein lebenlang nicht geſehen.
Drauff brach die Secte von Muͤnſter an/
durch welche viel fromme hertzen auch an un-
ſerer ſeite betrogen wurden. Meine ſeele war
in groſſer betruͤbniß; denn ich merckte/ daß ſie

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[224/0520] Th. IV. Sect. II. Num. XXX. Menno Simonis Lebens-Lauff. Num. XXX. Menno Simonis Lebens-Lauff. Zur Hiſtoria derer Mennoniſten iſt ihres an- faͤngers leben/ und vornemlich deſſen Reli- gions-veraͤnderung zu leſen nicht undienlich/ und zwar aus ſeiner eigenen erzehlung/ welche alſo lautet: Menno Simons außgang aus dem Pabſtthum. Vorrede. Lieber Leſer/ ich ſchreibe dir die warheit in CHRiſto/ und luͤge nicht. Es geſchahe An- no 1528. in dem 24. Jahr meines alters/ daß ich mich in meines Vatern dorff/ Pingium ge- nannt/ in der Pfaffen dienſt begab/ woſelbſt noch zween andere meines alters mit mir im gleichen dienſte ſtunden/ der eine war mein Pa- ſtor ein ziemlich gelehrter Mann/ der ander war unter mir. Dieſe beyde hatten die Schrifft ei- niger maſſen geleſen/ ich aber hatte ſie mein le- benlang nicht angeruͤhrt; denn ich fuͤrchtete/ ich moͤchte durch leſung derſelben/ verfuͤhret werden. Sihe/ ſo ein thummer Prediger war ich/ in die zwey jahr lang. Das erſte jahr her- nach fiel mir ein gedancke ein/ ſo offt ich in der Meſſe mit Brod und Wein zu thun hatte/ daß es nicht des HErrn Fleiſch und Blut waͤre: Anfangs meinte ich/ ſolcher gedancke kaͤme vom Teuffel her/ der mich ſuchte von meinem Glau- ben abzufuͤhren; Jch beichtete es offtmals mit ſeuffzen/ und betete/ gleichwol konte ich dieſer ge- dancken nicht loß werden. Die zween gemeld- te junge Maͤnner/ und ich/ brachten unſern taͤg- lichen wandel mit ſpielen/ trincken/ und derglei- chen zeit-vertreib in aller eitelkeit zu/ wie denn leider! ſolcher unfruchtbaren leute gewonheit iſt. Und wenn wir denn ein wenig von der Schrifft handeln ſolten/ konte ich nicht ein wort ohne verſpottung mit ihnen ſprechen; denn ich wuſte ſelbſt nicht/ was ich wolte/ ſo verſchloſ- ſen lag Gottes wort vor meinen augen. Zuletzt nahm ich mir vor/ das Neue Teſtament einmal mit fleiß zu unterſuchen. Jch kam nicht gar weit darinn/ da ward ich bald gewahr/ daß wir betrogen waͤren/ und mein bekuͤmmertes ge- muͤth wegen des vorbenannten Brods ward auch ohne einige anweiſung von ſeiner bekuͤm- merniß bald entlediget: doch in ſo weit kam mir Lutherus zu ſtatten/ daß Menſchen-Gebo- te niemand verbinden zur ſtraffe des ewigen to- des. Jch ging durch des HErrn erleuchtung und gnade von tag zu tag fort in erkaͤntniß der Schrifft/ und ward von einigen alsbald ein Evangeliſcher Prediger (wiewol mit unrecht) genennet/ ein jeder ſuchte und beliebte mich/ denn die welt liebte mich/ und ich die welt/ den- noch hieß es/ daß ich Gottes Wort predigte/ und ein feiner Mann waͤre. Darnach geſcha- he es Anno 1531. ehe ich noch mein lebtag von einigen Bruͤdern gehoͤret/ daß ein gottsfuͤrch- tiger frommer Held/ Sicke Schneider genant/ zu Leuwarden enthauptet ward/ daruͤm daß er ſeine Tauffe verneuret haͤtte. Es klang mir ſehr wunderlich in meinen ohren/ daß man von ei- ner andern Tauffe ſprach. Jch unterſuchte die Schrifft mit fleiß/ und dachte ihr mit ernſt nach/ kunte aber von der Kinder-Tauffe keinen bericht darinnen finden. Als ich dieſes merckte/ beſprach ich mich dieſer ſache wegen mit meinem obbenanten Paſtore/ und nach vielen reden brachte ich ihn ſo weit/ daß er geſtehen muſte die Kinder-Tauffe haͤtte in der Schrifft keinen grund. Gleichwol durffte ich meinem verſtan- de ſo viel nicht trauen; erholte mich alſo raths bey einigen alten Scribenten/ die lehrten mich/ daß die kinder dadurch von ihrer erbſuͤnde muͤ- ſten gewaſchen werden: ich hielte es gegen die Schrifft/ und merckte/ daß ſolches CHRiſti blut zuwieder war. Darnach gieng ich zu Lu- thero/ und wolte gern von ihm grund wiſſen/ der lehrte mich/ daß man die kinder auff ihren eigenen Glauben tauffen muͤſte: Jch ſahe/ daß auch dieſes Gottes wort nicht gemaͤß war. Zum dritten gieng ich zu Bucero, der lehrte mich/ daß man ſie daruͤm tauffen ſolte/ da- mit man ihrer deſto fleiſſiger koͤnte wahr- nehmen und in des HErren wegen aufferzie- hen; ſahe aber/ daß auch dieſes ohne grund geredet war. Viertens zu Bullingero, der wieſe mich auff den Bund und die Beſchnei- dung; ich befand aber gleichfals/ daß es nach der Schrifft nicht beſtehen kunte. Als ich nun allenthalben merckte/ daß die Scri- benten im grunde ſo weit getheilet ſtunden/ und ein jeder ſeiner vernunfft folgte/ da ſa- he ich klar/ daß wir mit der Kinder-Tauffe betrogen waren. Nicht lang darnach ward ich in ein ander dorff beruffen/ Witmarſum genannt/ in welchem ich gebohren bin/ ich zog aus gewinnſucht und begierde eines groſſen namens hin/ ſprach auch daſelbſt ohne Geiſt und Liebe (wie aller heuchler art iſt) von des HErrn wort/ und zeugete dadurch ſolche Juͤn- ger/ die nichts beſſer waren als ich/ ihr Lehrmei- ſter/ nemlich eitele großſprecher/ leichtfertige ſchwaͤtzer/ und denen die ſache eben ſo wenig/ als mir ſelbſt ein ernſt war. Und wiewol ich viel dinges aus der Heil. Schrifft erkannte/ ſo verzehrte ich/ deſſen ungeachtet/ dieſe er- kaͤntniß mit den| luͤſten meiner jugend in einem unreinem fleiſchlichem leben ohne einigen nu- tzen/ und ſuchte nichts anders als gewinn/ ge- maͤchlichkeit/ menſchen-gunſt/ herrligkeit/ ei- nen groſſen namen und ehre/ wie es ſolche leute insgemein zu machen pflegen/ die in die- ſem ſpital kranck liegen. Sihe/ lieber Leſer/ alſo habe ich mein erkaͤntniß ſo wol von der Tauffe/ als Nachtmal/ durch die erleuchtung des Heil. Geiſtes/ mit meinem vielem leſen und nachdencken der Schrifft aus GOttes gnaͤ- diger gunſt erlanget/ und nicht durch den dienſt und mittel der verfuͤhriſchen Secten/ wie man mir ſchuld giebt. Jch hoffe/ daß ich die warheit ſchreibe und keinen eiteln ruhm ſuche. Doch/ ſo mir einige menſchen moͤch- ten worinn befoͤrderlich geweſen ſeyn/ wil ich dem HErrn ewig davor dancken. Mittler zeit/ als ich ohngefehr ein jahr daſelbſt gewoh- net hatte/ begab es ſich/ daß etliche mit der Tauffe herein brachen; allein von wannen die erſte anfaͤnger herkommen/ oder wo ſie zu hau- ſe gehoͤren/ und wer ſie eigentlich geweſen/ iſt mir noch biß auff dieſe ſtunde unbekandt/ ha- be ſie auch mein lebenlang nicht geſehen. Drauff brach die Secte von Muͤnſter an/ durch welche viel fromme hertzen auch an un- ſerer ſeite betrogen wurden. Meine ſeele war in groſſer betruͤbniß; denn ich merckte/ daß ſie eyfer- Anno 1528 Pingium 2. ſtund von Fra- necker. Anno 1530 mein kum- mer uͤber der Pfaf- fen Brod und Wein ob es auch Fleiſch uñ Blut ſey? Meine ruchlofig- keit/ und groſſe blindheit im Pabſt- thum. Anfang meines le- ſens/ mei- ne auffloͤ- ſung wegē des ge- dachten Brodts. Mein zu- nehmen in der Heil. Schrifft. Der Alten Grund uñ Lehr von der Kin- der-Tauff. Lutheri Lehr von der Kin- deꝛ Tauff. Buceri Lehr von der Kin- der-Tauff. Bullingeri Lehr von der Kin- der Tauff. Meine er- leuchtung von der Kinder- Tauffe. Witmar- ſum dꝛitte- halb ſtun- de von Franecker. Anfang der Muͤn- ſteriſchen Anno 1533 waͤhrend biß 1535. 24. Junii/ ehe die Stadt uͤ- bergieng.

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/520>, abgerufen am 19.04.2024.