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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num XLIV. David Joris erklär Cap. 7. Röm.
[Spaltenumbruch] bewahret werden. Dann so du dich nicht von
gantzem hertzen/ sinn und gemüth mit seiner
liebe vereinigest/ so kan dir dein mund- und
hand-glaube mit keinem einigen äusserlichen
schein nutzen und profitlich seyn. Das fleisch
nutzet nichts/ nur der Geist machet lebendig.
Wer daraus gebohren wird/ der ist geist und
geistlich gesinnet. Wer ohren hat zu hören/ der
höre.

Darum tragt doch nicht länger den namen
vor die that und werdet doch nicht falsch/ lü-
genhafft und untreu befunden/ belüget und
betrüget euch selbst nicht/ haltet euch nicht
vor das/ das ihr nicht seyd. So lange die
welt oder das fleisch mehr gelüstet/ geliebet
und demselben gelebet/ mehr geachtet/ be-
dacht/ geehret und gefürchtet wird als
GOTT/ können wir CHristi diener oder
knecht/ weib oder kind nicht seyn. GOTT
hat uns von der welt her außerkohren/ das
ist/ er wil uns gern von dem ungerechten/
gottlosen wesen/ und fleischlichen/ viehi-
schen/ natürlichen und tödtlichen leben/ in
ein gerecht/ und warhafftig wesen und geist-
lich ewig leben leiten/ so wir ihn hören/ glau-
ben/ und in der stimme seines ewigen worts
und der warheit nachfolgen. Jn welchem
wesen und leben wir das licht der warheit in sei-
nem lichte sollen sehen/ GOTT warhafftig
von angesicht zu angesicht in der Göttlichen ge-
burt beschauen/ wie er ewig lauter in sich selbst
zu finden ist/ viel lauterer/ als wir ihn in uns
mit einem sinnlichen bilde vorbilden und vor
augen stellen oder menschlicher weiß abmah-
len können/ und nur durch unser eigen blin-
des/ irrendes/ dunckeles/ unreines und
böses wesen abgehalten werden/ daß wir ihn
nicht sehen oder erkennen können. Aber das ist
er bey weitem nicht/ man kan ihn auch nicht
abmahlen oder abtrucken/ nein/ in ein sol-
ches plätzgen läst er sich nicht einschrencken/
weil wir irrdisch/ und er himmlisch/ wir
fleischlich/ er aber geistlich ist/ und darum
muß es eine andere materie/ hertz/ sinn
und gemüthe seyn/ in welchem der ein-
druck seines geistlichen wesens könne gefun-
den und also betrachtet und beschauet wer-
den.

Habt ihr nun lust darzu/ so beuget euere
hertzen und neiget euere ohren nieder/ wartets/
leidet euch/ und seyd gedultig/ betrachte ein
jeder seinen eigenen schmertzen/ und mache
dich/ o mensch/ GOtt im sinn von hertzen
gefällig/ entziehe dich seinem willen nicht/ son-
dern stehe dir selbst still und leer/ halte dich
selbst gantz zurücke/ und schweige dich/ laß
GOTT in dir reden/ wollen und wircken.
Und wann du das begehrest/ so glaube und
traue es ihme auch zu/ er wird es bey seiner
treue in der warheit thun/ und dich hertzlich
gerne annehmen/ dich vor dem ewigen ver-
derben bewahren/ in allen nöthen/ kum-
mer und ängsten zu hülffe kommen/ und end-
lich von allem übel warhafftig erlösen. A-
men.

Sehet/ ehe diesem aber von hertzen mit an-
dächtigem verstande warhafftig beygestimmet
wird/ nemlich das gute (GOTT) erwehlet/
und das böse (der teuffel) verworffen wird/ müs-
[Spaltenumbruch] sen viel grosse unglaubens-gedancken und wie-
dersprechungen des fleisches und aller boßheit
über den menschen kommen/ und ein bitterer
kelch wegen unsers fleisches getruncken weiden/
ursache/ weil es nicht mit dem munde/ sondern
mit dem hertzen geschicht/ und geistlich/ sinn-
reich/ groß/ hoch/ weit/ tieff und lang in der zeit
auff glauben wider die hoffnung in der hoff-
nung überkommen wird. Darum alle wie-
derwärtigkeit/ bangigkeit/ pein/ leiden und ver,
drieß so lange währet und bleibet/ biß wir unse-
re eigene fleischliche begierden und affecten als
böse verachtet und gantz außgezogen/ und uns
selber darinnen verdammt/ verflucht und
weggeworffen/ das ist/ uns in der seelen
gründlich und lauterlich GOTT begeben ha-
ben. Und diß hat zu einiger zeit wohl seinen
anfang. Aber so gering oder schwach es mit
geprüfften glaubigen hertzen williglich in liebe
erwehlet und darein bewilliget wird/ so gehet
doch die treue/ der kuß und der ewige eingang/
das ist/ die unsterblichkeit und das unbeweg-
liche wesen an. Es wird sich in der warheit
also befinden. So richtet euch dann darnach
alle/ die ihr mit CHristo JESU/ unserm
freundlichen HErrn/ euch in wahrem
glauben befinden/ und ein leib
mit ihme seyn wollet.

ENDE.

NUM. XLIV.
David Joris erklärung deß siebenden
Capitels an die Römer/ worinn uns
der weg der seligkeit aus gnaden geof-
fenbahret und bekannt gemacht wird
durch JESUM CHristum im Gei-
ste/ damit wir ohne abweichen im lich-
te zu der stadt deß lebendigen GOT-
TES
wandeln mögen. Zum heyl
und besserung vor alle gutwillige/ de-
müthige hertzen und liebhaber der
warheit/ gebenedeyet in
ewigkeit.
1. Joh. I. 6. 7. 8.
So wir sagen/ daß wir gemeinschafft
mit CHristo haben/ und wandeln im
finsternis/ so lügen wir/ und thun nicht
die warheit. So wir aber im lichte
wandeln/ gleich wie er im lichte ist/
so haben wir gemeinschafft untereinan-
der/ und das blut JESU CHristi/ des
Sohns GOTTES reiniget uns von al-
lensünden.

Wiederum gedruckt im Jahr 1614.

Die bahn zur seligkeit ist uns offenbahret/
und der neue lebendige weg kund gethan durch
JESUM CHristum im Geiste/ der uns
zum lehrmeister und unterweiser gegeben ist/
damit wir ohne abweichen im lichte zur stadt
deß lebendigen GOTTES wandeln
mögen/ allda zur ruhe zu kommen.
Mercket wohl dar-
auff.

Salutem

Th. IV. Sect. II. Num XLIV. David Joris erklaͤr Cap. 7. Roͤm.
[Spaltenumbruch] bewahret werden. Dann ſo du dich nicht von
gantzem hertzen/ ſinn und gemuͤth mit ſeiner
liebe vereinigeſt/ ſo kan dir dein mund- und
hand-glaube mit keinem einigen aͤuſſerlichen
ſchein nutzen und profitlich ſeyn. Das fleiſch
nutzet nichts/ nur der Geiſt machet lebendig.
Wer daraus gebohren wird/ der iſt geiſt und
geiſtlich geſinnet. Wer ohren hat zu hoͤren/ der
hoͤre.

Darum tragt doch nicht laͤnger den namen
vor die that und werdet doch nicht falſch/ luͤ-
genhafft und untreu befunden/ beluͤget und
betruͤget euch ſelbſt nicht/ haltet euch nicht
vor das/ das ihr nicht ſeyd. So lange die
welt oder das fleiſch mehr geluͤſtet/ geliebet
und demſelben gelebet/ mehr geachtet/ be-
dacht/ geehret und gefuͤrchtet wird als
GOTT/ koͤnnen wir CHriſti diener oder
knecht/ weib oder kind nicht ſeyn. GOTT
hat uns von der welt her außerkohren/ das
iſt/ er wil uns gern von dem ungerechten/
gottloſen weſen/ und fleiſchlichen/ viehi-
ſchen/ natuͤrlichen und toͤdtlichen leben/ in
ein gerecht/ und warhafftig weſen und geiſt-
lich ewig leben leiten/ ſo wir ihn hoͤren/ glau-
ben/ und in der ſtimme ſeines ewigen worts
und der warheit nachfolgen. Jn welchem
weſen und leben wir das licht der warheit in ſei-
nem lichte ſollen ſehen/ GOTT warhafftig
von angeſicht zu angeſicht in der Goͤttlichen ge-
burt beſchauen/ wie er ewig lauter in ſich ſelbſt
zu finden iſt/ viel lauterer/ als wir ihn in uns
mit einem ſinnlichen bilde vorbilden und vor
augen ſtellen oder menſchlicher weiß abmah-
len koͤnnen/ und nur durch unſer eigen blin-
des/ irrendes/ dunckeles/ unreines und
boͤſes weſen abgehalten werden/ daß wir ihn
nicht ſehen oder erkennen koͤnnen. Aber das iſt
er bey weitem nicht/ man kan ihn auch nicht
abmahlen oder abtrucken/ nein/ in ein ſol-
ches plaͤtzgen laͤſt er ſich nicht einſchrencken/
weil wir irrdiſch/ und er himmliſch/ wir
fleiſchlich/ er aber geiſtlich iſt/ und darum
muß es eine andere materie/ hertz/ ſinn
und gemuͤthe ſeyn/ in welchem der ein-
druck ſeines geiſtlichen weſens koͤnne gefun-
den und alſo betrachtet und beſchauet wer-
den.

Habt ihr nun luſt darzu/ ſo beuget euere
hertzen und neiget euere ohren nieder/ wartets/
leidet euch/ und ſeyd gedultig/ betrachte ein
jeder ſeinen eigenen ſchmertzen/ und mache
dich/ o menſch/ GOtt im ſinn von hertzen
gefaͤllig/ entziehe dich ſeinem willen nicht/ ſon-
dern ſtehe dir ſelbſt ſtill und leer/ halte dich
ſelbſt gantz zuruͤcke/ und ſchweige dich/ laß
GOTT in dir reden/ wollen und wircken.
Und wann du das begehreſt/ ſo glaube und
traue es ihme auch zu/ er wird es bey ſeiner
treue in der warheit thun/ und dich hertzlich
gerne annehmen/ dich vor dem ewigen ver-
derben bewahren/ in allen noͤthen/ kum-
mer und aͤngſten zu huͤlffe kommen/ und end-
lich von allem uͤbel warhafftig erloͤſen. A-
men.

Sehet/ ehe dieſem aber von hertzen mit an-
daͤchtigem verſtande warhafftig beygeſtimmet
wird/ nemlich das gute (GOTT) erwehlet/
und das boͤſe (der teuffel) verworffen wird/ muͤſ-
[Spaltenumbruch] ſen viel groſſe unglaubens-gedancken und wie-
derſprechungen des fleiſches und aller boßheit
uͤber den menſchen kommen/ und ein bitterer
kelch wegen unſers fleiſches getruncken weiden/
urſache/ weil es nicht mit dem munde/ ſondern
mit dem hertzen geſchicht/ und geiſtlich/ ſinn-
reich/ groß/ hoch/ weit/ tieff und lang in der zeit
auff glauben wider die hoffnung in der hoff-
nung uͤberkommen wird. Darum alle wie-
derwaͤrtigkeit/ bangigkeit/ pein/ leiden und ver,
drieß ſo lange waͤhret und bleibet/ biß wir unſe-
re eigene fleiſchliche begierden und affecten als
boͤſe verachtet und gantz außgezogen/ und uns
ſelber darinnen verdammt/ verflucht und
weggeworffen/ das iſt/ uns in der ſeelen
gruͤndlich und lauterlich GOTT begeben ha-
ben. Und diß hat zu einiger zeit wohl ſeinen
anfang. Aber ſo gering oder ſchwach es mit
gepruͤfften glaubigen hertzen williglich in liebe
erwehlet und darein bewilliget wird/ ſo gehet
doch die treue/ der kuß und der ewige eingang/
das iſt/ die unſterblichkeit und das unbeweg-
liche weſen an. Es wird ſich in der warheit
alſo befinden. So richtet euch dann darnach
alle/ die ihr mit CHriſto JESU/ unſerm
freundlichen HErrn/ euch in wahrem
glauben befinden/ und ein leib
mit ihme ſeyn wollet.

ENDE.

NUM. XLIV.
David Joris erklaͤrung deß ſiebenden
Capitels an die Roͤmer/ worinn uns
der weg der ſeligkeit aus gnaden geof-
fenbahret und bekannt gemacht wird
durch JESUM CHriſtum im Gei-
ſte/ damit wir ohne abweichen im lich-
te zu der ſtadt deß lebendigen GOT-
TES
wandeln moͤgen. Zum heyl
und beſſerung vor alle gutwillige/ de-
muͤthige hertzen und liebhaber der
warheit/ gebenedeyet in
ewigkeit.
1. Joh. I. 6. 7. 8.
So wir ſagen/ daß wir gemeinſchafft
mit CHriſto haben/ und wandeln im
finſternis/ ſo luͤgen wir/ und thun nicht
die warheit. So wir aber im lichte
wandeln/ gleich wie er im lichte iſt/
ſo haben wir gemeinſchafft untereinan-
der/ und das blut JESU CHriſti/ des
Sohns GOTTES reiniget uns von al-
lenſuͤnden.

Wiederum gedruckt im Jahr 1614.

Die bahn zur ſeligkeit iſt uns offenbahret/
und der neue lebendige weg kund gethan durch
JESUM CHriſtum im Geiſte/ der uns
zum lehrmeiſter und unterweiſer gegeben iſt/
damit wir ohne abweichen im lichte zur ſtadt
deß lebendigen GOTTES wandeln
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auff.

Salutem
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[336/0632] Th. IV. Sect. II. Num XLIV. David Joris erklaͤr Cap. 7. Roͤm. bewahret werden. Dann ſo du dich nicht von gantzem hertzen/ ſinn und gemuͤth mit ſeiner liebe vereinigeſt/ ſo kan dir dein mund- und hand-glaube mit keinem einigen aͤuſſerlichen ſchein nutzen und profitlich ſeyn. Das fleiſch nutzet nichts/ nur der Geiſt machet lebendig. Wer daraus gebohren wird/ der iſt geiſt und geiſtlich geſinnet. Wer ohren hat zu hoͤren/ der hoͤre. Darum tragt doch nicht laͤnger den namen vor die that und werdet doch nicht falſch/ luͤ- genhafft und untreu befunden/ beluͤget und betruͤget euch ſelbſt nicht/ haltet euch nicht vor das/ das ihr nicht ſeyd. So lange die welt oder das fleiſch mehr geluͤſtet/ geliebet und demſelben gelebet/ mehr geachtet/ be- dacht/ geehret und gefuͤrchtet wird als GOTT/ koͤnnen wir CHriſti diener oder knecht/ weib oder kind nicht ſeyn. GOTT hat uns von der welt her außerkohren/ das iſt/ er wil uns gern von dem ungerechten/ gottloſen weſen/ und fleiſchlichen/ viehi- ſchen/ natuͤrlichen und toͤdtlichen leben/ in ein gerecht/ und warhafftig weſen und geiſt- lich ewig leben leiten/ ſo wir ihn hoͤren/ glau- ben/ und in der ſtimme ſeines ewigen worts und der warheit nachfolgen. Jn welchem weſen und leben wir das licht der warheit in ſei- nem lichte ſollen ſehen/ GOTT warhafftig von angeſicht zu angeſicht in der Goͤttlichen ge- burt beſchauen/ wie er ewig lauter in ſich ſelbſt zu finden iſt/ viel lauterer/ als wir ihn in uns mit einem ſinnlichen bilde vorbilden und vor augen ſtellen oder menſchlicher weiß abmah- len koͤnnen/ und nur durch unſer eigen blin- des/ irrendes/ dunckeles/ unreines und boͤſes weſen abgehalten werden/ daß wir ihn nicht ſehen oder erkennen koͤnnen. Aber das iſt er bey weitem nicht/ man kan ihn auch nicht abmahlen oder abtrucken/ nein/ in ein ſol- ches plaͤtzgen laͤſt er ſich nicht einſchrencken/ weil wir irrdiſch/ und er himmliſch/ wir fleiſchlich/ er aber geiſtlich iſt/ und darum muß es eine andere materie/ hertz/ ſinn und gemuͤthe ſeyn/ in welchem der ein- druck ſeines geiſtlichen weſens koͤnne gefun- den und alſo betrachtet und beſchauet wer- den. Habt ihr nun luſt darzu/ ſo beuget euere hertzen und neiget euere ohren nieder/ wartets/ leidet euch/ und ſeyd gedultig/ betrachte ein jeder ſeinen eigenen ſchmertzen/ und mache dich/ o menſch/ GOtt im ſinn von hertzen gefaͤllig/ entziehe dich ſeinem willen nicht/ ſon- dern ſtehe dir ſelbſt ſtill und leer/ halte dich ſelbſt gantz zuruͤcke/ und ſchweige dich/ laß GOTT in dir reden/ wollen und wircken. Und wann du das begehreſt/ ſo glaube und traue es ihme auch zu/ er wird es bey ſeiner treue in der warheit thun/ und dich hertzlich gerne annehmen/ dich vor dem ewigen ver- derben bewahren/ in allen noͤthen/ kum- mer und aͤngſten zu huͤlffe kommen/ und end- lich von allem uͤbel warhafftig erloͤſen. A- men. Sehet/ ehe dieſem aber von hertzen mit an- daͤchtigem verſtande warhafftig beygeſtimmet wird/ nemlich das gute (GOTT) erwehlet/ und das boͤſe (der teuffel) verworffen wird/ muͤſ- ſen viel groſſe unglaubens-gedancken und wie- derſprechungen des fleiſches und aller boßheit uͤber den menſchen kommen/ und ein bitterer kelch wegen unſers fleiſches getruncken weiden/ urſache/ weil es nicht mit dem munde/ ſondern mit dem hertzen geſchicht/ und geiſtlich/ ſinn- reich/ groß/ hoch/ weit/ tieff und lang in der zeit auff glauben wider die hoffnung in der hoff- nung uͤberkommen wird. Darum alle wie- derwaͤrtigkeit/ bangigkeit/ pein/ leiden und ver, drieß ſo lange waͤhret und bleibet/ biß wir unſe- re eigene fleiſchliche begierden und affecten als boͤſe verachtet und gantz außgezogen/ und uns ſelber darinnen verdammt/ verflucht und weggeworffen/ das iſt/ uns in der ſeelen gruͤndlich und lauterlich GOTT begeben ha- ben. Und diß hat zu einiger zeit wohl ſeinen anfang. Aber ſo gering oder ſchwach es mit gepruͤfften glaubigen hertzen williglich in liebe erwehlet und darein bewilliget wird/ ſo gehet doch die treue/ der kuß und der ewige eingang/ das iſt/ die unſterblichkeit und das unbeweg- liche weſen an. Es wird ſich in der warheit alſo befinden. So richtet euch dann darnach alle/ die ihr mit CHriſto JESU/ unſerm freundlichen HErrn/ euch in wahrem glauben befinden/ und ein leib mit ihme ſeyn wollet. ENDE. NUM. XLIV. David Joris erklaͤrung deß ſiebenden Capitels an die Roͤmer/ worinn uns der weg der ſeligkeit aus gnaden geof- fenbahret und bekannt gemacht wird durch JESUM CHriſtum im Gei- ſte/ damit wir ohne abweichen im lich- te zu der ſtadt deß lebendigen GOT- TES wandeln moͤgen. Zum heyl und beſſerung vor alle gutwillige/ de- muͤthige hertzen und liebhaber der warheit/ gebenedeyet in ewigkeit. 1. Joh. I. 6. 7. 8. So wir ſagen/ daß wir gemeinſchafft mit CHriſto haben/ und wandeln im finſternis/ ſo luͤgen wir/ und thun nicht die warheit. So wir aber im lichte wandeln/ gleich wie er im lichte iſt/ ſo haben wir gemeinſchafft untereinan- der/ und das blut JESU CHriſti/ des Sohns GOTTES reiniget uns von al- lenſuͤnden. Wiederum gedruckt im Jahr 1614. Die bahn zur ſeligkeit iſt uns offenbahret/ und der neue lebendige weg kund gethan durch JESUM CHriſtum im Geiſte/ der uns zum lehrmeiſter und unterweiſer gegeben iſt/ damit wir ohne abweichen im lichte zur ſtadt deß lebendigen GOTTES wandeln moͤgen/ allda zur ruhe zu kommen. Mercket wohl dar- auff. Salutem

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/632>, abgerufen am 23.04.2024.