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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wollte er auch sein neues Anwesen in Buchenberg verkaufen, und, wie er doch schon lang vorhatte, nach der Kreisstadt ziehen.

Die warme Quelle hatte weder Diethelm von seinem Froste, noch seine Frau von der Abgestorbenheit ihrer Finger befreit, man getröstete sie der Nachwirkung.

Nur Fränz hatte erreicht, was sie wollte, und die Eltern erfreuten sich bei der Heimfahrt im Sprechen über das Glück ihres Kindes und vergaßen darüber alle Körperleiden und alles Leid in der Seele.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Wie ein Mensch aus höheren Regionen, der sich bescheidentlich herabläßt, mit niederen Erdgeborenen zu verkehren, so ging Diethelm durch Buchenberg; er hatte mit fürstlichen Personen, mit hohen Staatsmännern verkehrt, und ein Staatsanwalt -- denn solches war er geworden -- war sein Schwiegersohn! Es dünkte ihn wie ein Traum, daß er sein einziges Kind einst einem armen Schäfer hatte geben wollen. Wenn er seiner That gedachte, war sie ihm wie längst abgethan, und die Gunst der Großen, denen er so nahe gestanden, erschien ihm als Schild und Schirm, daß nie mehr auch der leiseste Verdacht sich gegen ihn erheben dürfte. Wenn der Eilwagen durch das Dorf fuhr und bald darauf Briefe kamen, sah Diethelm immer, ob keiner mit einem großen Siegel darunter sei, der ihm einen Orden zubrächte oder irgend eine andere unverhoffte Auszeichnung. Es kamen aber meist Bettelbriefe von allen Orten, von den entferntesten Verwandten, von Schulmeistern geschrieben, die in hochtrabendem Tone den hochverehrten Herrn Vetter um Gaben und Dar-

wollte er auch sein neues Anwesen in Buchenberg verkaufen, und, wie er doch schon lang vorhatte, nach der Kreisstadt ziehen.

Die warme Quelle hatte weder Diethelm von seinem Froste, noch seine Frau von der Abgestorbenheit ihrer Finger befreit, man getröstete sie der Nachwirkung.

Nur Fränz hatte erreicht, was sie wollte, und die Eltern erfreuten sich bei der Heimfahrt im Sprechen über das Glück ihres Kindes und vergaßen darüber alle Körperleiden und alles Leid in der Seele.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Wie ein Mensch aus höheren Regionen, der sich bescheidentlich herabläßt, mit niederen Erdgeborenen zu verkehren, so ging Diethelm durch Buchenberg; er hatte mit fürstlichen Personen, mit hohen Staatsmännern verkehrt, und ein Staatsanwalt — denn solches war er geworden — war sein Schwiegersohn! Es dünkte ihn wie ein Traum, daß er sein einziges Kind einst einem armen Schäfer hatte geben wollen. Wenn er seiner That gedachte, war sie ihm wie längst abgethan, und die Gunst der Großen, denen er so nahe gestanden, erschien ihm als Schild und Schirm, daß nie mehr auch der leiseste Verdacht sich gegen ihn erheben dürfte. Wenn der Eilwagen durch das Dorf fuhr und bald darauf Briefe kamen, sah Diethelm immer, ob keiner mit einem großen Siegel darunter sei, der ihm einen Orden zubrächte oder irgend eine andere unverhoffte Auszeichnung. Es kamen aber meist Bettelbriefe von allen Orten, von den entferntesten Verwandten, von Schulmeistern geschrieben, die in hochtrabendem Tone den hochverehrten Herrn Vetter um Gaben und Dar-

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/197>, abgerufen am 28.03.2024.