Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

wohl daheim, daß ihm die vergangenen Tage und das Hinaussehnen wie ein Traum erschien. Hier allein war Friede und Glückseligkeit. Er ließ den Munde in die Stube rufen, dankte ihm für seine entschiedene Hülfe und schenkte ihm einen Kronenthaler. Munde nahm zaghaft das dargebotene Geld, aber er nahm es doch, und fast stolperte er über Fränz, die am Spinnrocken saß, und verließ ohne ein Wort die Stube. Diethelm war so hingegeben, daß er fast geneigt war, seiner Frau die ganze Lage seiner Verhältnisse zu offenbaren; aber er hielt noch zeitig genug an sich und erklärte ihr nur, daß er entschlossen sei, nur noch diesmal die Handelschaft zu treiben, dann wolle er wiederum hier oder anderswo sich Aecker kaufen und ruhig bauern, wie ehedem. Diese tröstliche Aussicht, die das Antlitz der Frau fast verjüngte, erfüllte Diethelm selbst mit einer heitern Gemüthsruhe, und in ihm sprach's: es muß Alles wieder gut werden, Gott darf eine so schöne Zukunft nicht zu Schanden werden lassen. . . Eine andächtige Stille herrschte in der Stube, und Diethelm zog die Uhr auf, das war das Zeichen, daß es Zeit zum Schlafengehen sei.

Neuntes Kapitel.

Fränz allein war voll Unruhe und Widerstreit. Es war ein seltsam geartetes Kind, wie es in einer Ehe, die so oft von Zwietracht zerstört war, kaum anders erwachsen konnte. Als sie noch Kind war, scheuten sich die Eltern anfangs noch, irgend einen Zerfall vor ihr laut werden zu lassen; nach und nach aber verlor sich diese Zurückhaltung, ja die hässigen Reden des Einen und des Andern wurden

wohl daheim, daß ihm die vergangenen Tage und das Hinaussehnen wie ein Traum erschien. Hier allein war Friede und Glückseligkeit. Er ließ den Munde in die Stube rufen, dankte ihm für seine entschiedene Hülfe und schenkte ihm einen Kronenthaler. Munde nahm zaghaft das dargebotene Geld, aber er nahm es doch, und fast stolperte er über Fränz, die am Spinnrocken saß, und verließ ohne ein Wort die Stube. Diethelm war so hingegeben, daß er fast geneigt war, seiner Frau die ganze Lage seiner Verhältnisse zu offenbaren; aber er hielt noch zeitig genug an sich und erklärte ihr nur, daß er entschlossen sei, nur noch diesmal die Handelschaft zu treiben, dann wolle er wiederum hier oder anderswo sich Aecker kaufen und ruhig bauern, wie ehedem. Diese tröstliche Aussicht, die das Antlitz der Frau fast verjüngte, erfüllte Diethelm selbst mit einer heitern Gemüthsruhe, und in ihm sprach's: es muß Alles wieder gut werden, Gott darf eine so schöne Zukunft nicht zu Schanden werden lassen. . . Eine andächtige Stille herrschte in der Stube, und Diethelm zog die Uhr auf, das war das Zeichen, daß es Zeit zum Schlafengehen sei.

Neuntes Kapitel.

Fränz allein war voll Unruhe und Widerstreit. Es war ein seltsam geartetes Kind, wie es in einer Ehe, die so oft von Zwietracht zerstört war, kaum anders erwachsen konnte. Als sie noch Kind war, scheuten sich die Eltern anfangs noch, irgend einen Zerfall vor ihr laut werden zu lassen; nach und nach aber verlor sich diese Zurückhaltung, ja die hässigen Reden des Einen und des Andern wurden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="8">
        <p><pb facs="#f0059"/>
wohl                daheim, daß ihm die vergangenen Tage und das Hinaussehnen wie ein Traum erschien.                Hier allein war Friede und Glückseligkeit. Er ließ den Munde in die Stube rufen,                dankte ihm für seine entschiedene Hülfe und schenkte ihm einen Kronenthaler. Munde                nahm zaghaft das dargebotene Geld, aber er nahm es doch, und fast stolperte er über                Fränz, die am Spinnrocken saß, und verließ ohne ein Wort die Stube. Diethelm war so                hingegeben, daß er fast geneigt war, seiner Frau die ganze Lage seiner Verhältnisse                zu offenbaren; aber er hielt noch zeitig genug an sich und erklärte ihr nur, daß er                entschlossen sei, nur noch diesmal die Handelschaft zu treiben, dann wolle er                wiederum hier oder anderswo sich Aecker kaufen und ruhig bauern, wie ehedem. Diese                tröstliche Aussicht, die das Antlitz der Frau fast verjüngte, erfüllte Diethelm                selbst mit einer heitern Gemüthsruhe, und in ihm sprach's: es muß Alles wieder gut                werden, Gott darf eine so schöne Zukunft nicht zu Schanden werden lassen. . . Eine                andächtige Stille herrschte in der Stube, und Diethelm zog die Uhr auf, das war das                Zeichen, daß es Zeit zum Schlafengehen sei.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="9">
        <head>Neuntes Kapitel.</head><lb/>
        <p>Fränz allein war voll Unruhe und Widerstreit. Es war ein seltsam geartetes Kind, wie                es in einer Ehe, die so oft von Zwietracht zerstört war, kaum anders erwachsen                konnte. Als sie noch Kind war, scheuten sich die Eltern anfangs noch, irgend einen                Zerfall vor ihr laut werden zu lassen; nach und nach aber verlor sich diese                Zurückhaltung, ja die hässigen Reden des Einen und des Andern wurden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] wohl daheim, daß ihm die vergangenen Tage und das Hinaussehnen wie ein Traum erschien. Hier allein war Friede und Glückseligkeit. Er ließ den Munde in die Stube rufen, dankte ihm für seine entschiedene Hülfe und schenkte ihm einen Kronenthaler. Munde nahm zaghaft das dargebotene Geld, aber er nahm es doch, und fast stolperte er über Fränz, die am Spinnrocken saß, und verließ ohne ein Wort die Stube. Diethelm war so hingegeben, daß er fast geneigt war, seiner Frau die ganze Lage seiner Verhältnisse zu offenbaren; aber er hielt noch zeitig genug an sich und erklärte ihr nur, daß er entschlossen sei, nur noch diesmal die Handelschaft zu treiben, dann wolle er wiederum hier oder anderswo sich Aecker kaufen und ruhig bauern, wie ehedem. Diese tröstliche Aussicht, die das Antlitz der Frau fast verjüngte, erfüllte Diethelm selbst mit einer heitern Gemüthsruhe, und in ihm sprach's: es muß Alles wieder gut werden, Gott darf eine so schöne Zukunft nicht zu Schanden werden lassen. . . Eine andächtige Stille herrschte in der Stube, und Diethelm zog die Uhr auf, das war das Zeichen, daß es Zeit zum Schlafengehen sei. Neuntes Kapitel. Fränz allein war voll Unruhe und Widerstreit. Es war ein seltsam geartetes Kind, wie es in einer Ehe, die so oft von Zwietracht zerstört war, kaum anders erwachsen konnte. Als sie noch Kind war, scheuten sich die Eltern anfangs noch, irgend einen Zerfall vor ihr laut werden zu lassen; nach und nach aber verlor sich diese Zurückhaltung, ja die hässigen Reden des Einen und des Andern wurden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/59
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/59>, abgerufen am 25.04.2024.