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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mutter, dann legte sie ihre heiße Wange an die eingefallene kalte Wange der Mutter und sagte:

Ach Gott, wenn ich nur mein warmes junges Blut da in Euch hinübergießen könnt'. Kommet nur jetzt gleich, wir müssen sehen, daß wir den Vater sprechen können.

Martha erklärte, daß sie nicht mehr gehen könne, ihr seien die Beine wie abgehackt, vom Todtenbette des Kindes weg in solch ein Elend hinein, das sei zu viel. Fränz befahl schnell einen warmen Wein für die Mutter, sie lief in raschen Schritten im Zimmer hin und her, das dauerte ihr viel zu lang, bis das Befohlene kam, sie wollte selber hinab und das Angeordnete bereiten, sie verstünden das hier nicht; aber die Mutter bat, sie nicht zu verlassen, sie könne nicht mehr allein sein. Plötzlich kniete Fränz vor der Mutter nieder und sah nach, ob sie warme Füße habe; sie sprang rasch auf, als sie fühlte, wie dieselben eisstarr waren, sie klingelte nach Branntwein, aber rasch, rasch! befahl sie, und es war ihr eine freudige Buße, als sie nun der Mutter die Füße wusch und rieb. Die Mutter ließ Alles mit sich geschehen wie ein Kind; sie schlürfte dann den warmen Wein, den ihr Fränz an den Mund hielt, und mit schmerzlichem Lächeln sagte sie nach jedem Schluck: Ah, das thut gut. Versuch's nur auch, Fränz. Fränz nippte, und die Mutter sagte wie halb träumend:

Du bist so schön geworden, Fränz, und siehst mich so getreu an, so... so... so hab' ich dich lieb. Wenn nur der Vater auch so was Gutes hätt', und wenn er dich nur auch sehen könnt'. Sein Herz hängt an dir, ach, und du bist jetzt auch mein einzig Kind. Komm, leg' deinen Backen wieder an meinen Backen. So. Jetzt sag, wie kommst denn du daher? Wie ist dir's denn gangen?

Fränz schluckte die Thränen hinab, da sie die Mutter so beruhigt sah und dieselbe nicht wieder neu aufregen wollte. Sie erzählte mit möglichster Umgehung alles Erschütternden, wie sie das Brandunglück erfahren, und sagte zuletzt:

Mutter, dann legte sie ihre heiße Wange an die eingefallene kalte Wange der Mutter und sagte:

Ach Gott, wenn ich nur mein warmes junges Blut da in Euch hinübergießen könnt'. Kommet nur jetzt gleich, wir müssen sehen, daß wir den Vater sprechen können.

Martha erklärte, daß sie nicht mehr gehen könne, ihr seien die Beine wie abgehackt, vom Todtenbette des Kindes weg in solch ein Elend hinein, das sei zu viel. Fränz befahl schnell einen warmen Wein für die Mutter, sie lief in raschen Schritten im Zimmer hin und her, das dauerte ihr viel zu lang, bis das Befohlene kam, sie wollte selber hinab und das Angeordnete bereiten, sie verstünden das hier nicht; aber die Mutter bat, sie nicht zu verlassen, sie könne nicht mehr allein sein. Plötzlich kniete Fränz vor der Mutter nieder und sah nach, ob sie warme Füße habe; sie sprang rasch auf, als sie fühlte, wie dieselben eisstarr waren, sie klingelte nach Branntwein, aber rasch, rasch! befahl sie, und es war ihr eine freudige Buße, als sie nun der Mutter die Füße wusch und rieb. Die Mutter ließ Alles mit sich geschehen wie ein Kind; sie schlürfte dann den warmen Wein, den ihr Fränz an den Mund hielt, und mit schmerzlichem Lächeln sagte sie nach jedem Schluck: Ah, das thut gut. Versuch's nur auch, Fränz. Fränz nippte, und die Mutter sagte wie halb träumend:

Du bist so schön geworden, Fränz, und siehst mich so getreu an, so... so... so hab' ich dich lieb. Wenn nur der Vater auch so was Gutes hätt', und wenn er dich nur auch sehen könnt'. Sein Herz hängt an dir, ach, und du bist jetzt auch mein einzig Kind. Komm, leg' deinen Backen wieder an meinen Backen. So. Jetzt sag, wie kommst denn du daher? Wie ist dir's denn gangen?

Fränz schluckte die Thränen hinab, da sie die Mutter so beruhigt sah und dieselbe nicht wieder neu aufregen wollte. Sie erzählte mit möglichster Umgehung alles Erschütternden, wie sie das Brandunglück erfahren, und sagte zuletzt:

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[0124] Mutter, dann legte sie ihre heiße Wange an die eingefallene kalte Wange der Mutter und sagte: Ach Gott, wenn ich nur mein warmes junges Blut da in Euch hinübergießen könnt'. Kommet nur jetzt gleich, wir müssen sehen, daß wir den Vater sprechen können. Martha erklärte, daß sie nicht mehr gehen könne, ihr seien die Beine wie abgehackt, vom Todtenbette des Kindes weg in solch ein Elend hinein, das sei zu viel. Fränz befahl schnell einen warmen Wein für die Mutter, sie lief in raschen Schritten im Zimmer hin und her, das dauerte ihr viel zu lang, bis das Befohlene kam, sie wollte selber hinab und das Angeordnete bereiten, sie verstünden das hier nicht; aber die Mutter bat, sie nicht zu verlassen, sie könne nicht mehr allein sein. Plötzlich kniete Fränz vor der Mutter nieder und sah nach, ob sie warme Füße habe; sie sprang rasch auf, als sie fühlte, wie dieselben eisstarr waren, sie klingelte nach Branntwein, aber rasch, rasch! befahl sie, und es war ihr eine freudige Buße, als sie nun der Mutter die Füße wusch und rieb. Die Mutter ließ Alles mit sich geschehen wie ein Kind; sie schlürfte dann den warmen Wein, den ihr Fränz an den Mund hielt, und mit schmerzlichem Lächeln sagte sie nach jedem Schluck: Ah, das thut gut. Versuch's nur auch, Fränz. Fränz nippte, und die Mutter sagte wie halb träumend: Du bist so schön geworden, Fränz, und siehst mich so getreu an, so... so... so hab' ich dich lieb. Wenn nur der Vater auch so was Gutes hätt', und wenn er dich nur auch sehen könnt'. Sein Herz hängt an dir, ach, und du bist jetzt auch mein einzig Kind. Komm, leg' deinen Backen wieder an meinen Backen. So. Jetzt sag, wie kommst denn du daher? Wie ist dir's denn gangen? Fränz schluckte die Thränen hinab, da sie die Mutter so beruhigt sah und dieselbe nicht wieder neu aufregen wollte. Sie erzählte mit möglichster Umgehung alles Erschütternden, wie sie das Brandunglück erfahren, und sagte zuletzt:

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/124>, abgerufen am 19.04.2024.