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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihr vorauf und streckte dem Vater beide Hände entgegen. Diethelm schüttelte sie wacker und reichte dann die andere Hand seiner Frau, die er aber bald zurückzog, um sich eine Thräne abzutrocknen. Fränz berichtete, daß sie mit der Mutter in der Post wohne. Der Richter befahl, daß Diethelm abgeführt werde. Er sprach kein Wort mit den Seinigen und ging von dannen.

Der Richter sagte nun Martha, daß er sie auch gleich verhören wolle, da sie nun da sei; er bot ihr den Stuhl an, den Diethelm so eben verlassen, sie setzte sich und legte die Hände in einander. Sie bat, ob nicht ihre Fränz bei ihr bleiben dürfe, der Richter verneinte dies mit Bedauern, Fränz könne indeß im Vorzimmer warten.

Martha preßte die gefalteten Hände wie zu einem Dankgebet zusammen, als ihr der Amtmann die schönmenschliche Gesetzesbestimmung erklärte, daß ein Angehöriger keinen Zeugeneid zu leisten habe, und es überbaupt seinem Belieben anheimgestellt sei, Zeugniß abzulegen oder zu verweigern. Martha erklärte sich für ersteres, theils in der Hoffnung, ihrem Manne zu nützen, theils auch, weil sie den Muth nicht hatte, ohne Red' und Antwort das bestellte Gericht zu verlassen.

Martha war so offenbar ein Bild des aufrichtigen Jammers, daß der Richter sie nicht mit verwickelten Fragen quälen zu wollen schien. Sie konnte mit Fug betheuern, daß sie von der Handelschaft ihres Mannes fast gar keine Einsicht hatte, und als auf ihren Ehezwist wegen der Großthuerei und Verschwendung Diethelm's die Rede kam, glaubte sie, daß Gott es ihr verzeihen müsse, wenn sie das nicht unter die Welt kommen lasse; sie bestritt daher jeden ehelichen Zwist und lobte ihren Mann aus Herzensgrund. Der Richter ging bald hievon ab und fragte:

Ist nie zwischen Euch und Eurem Manne davon die Rede gewesen, daß er brandstiften will?

Martha war's, als schlügen ihr Flammen ins Gesicht. Was sollte sie darauf antworten? Zwar hatte damals am

ihr vorauf und streckte dem Vater beide Hände entgegen. Diethelm schüttelte sie wacker und reichte dann die andere Hand seiner Frau, die er aber bald zurückzog, um sich eine Thräne abzutrocknen. Fränz berichtete, daß sie mit der Mutter in der Post wohne. Der Richter befahl, daß Diethelm abgeführt werde. Er sprach kein Wort mit den Seinigen und ging von dannen.

Der Richter sagte nun Martha, daß er sie auch gleich verhören wolle, da sie nun da sei; er bot ihr den Stuhl an, den Diethelm so eben verlassen, sie setzte sich und legte die Hände in einander. Sie bat, ob nicht ihre Fränz bei ihr bleiben dürfe, der Richter verneinte dies mit Bedauern, Fränz könne indeß im Vorzimmer warten.

Martha preßte die gefalteten Hände wie zu einem Dankgebet zusammen, als ihr der Amtmann die schönmenschliche Gesetzesbestimmung erklärte, daß ein Angehöriger keinen Zeugeneid zu leisten habe, und es überbaupt seinem Belieben anheimgestellt sei, Zeugniß abzulegen oder zu verweigern. Martha erklärte sich für ersteres, theils in der Hoffnung, ihrem Manne zu nützen, theils auch, weil sie den Muth nicht hatte, ohne Red' und Antwort das bestellte Gericht zu verlassen.

Martha war so offenbar ein Bild des aufrichtigen Jammers, daß der Richter sie nicht mit verwickelten Fragen quälen zu wollen schien. Sie konnte mit Fug betheuern, daß sie von der Handelschaft ihres Mannes fast gar keine Einsicht hatte, und als auf ihren Ehezwist wegen der Großthuerei und Verschwendung Diethelm's die Rede kam, glaubte sie, daß Gott es ihr verzeihen müsse, wenn sie das nicht unter die Welt kommen lasse; sie bestritt daher jeden ehelichen Zwist und lobte ihren Mann aus Herzensgrund. Der Richter ging bald hievon ab und fragte:

Ist nie zwischen Euch und Eurem Manne davon die Rede gewesen, daß er brandstiften will?

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[0130] ihr vorauf und streckte dem Vater beide Hände entgegen. Diethelm schüttelte sie wacker und reichte dann die andere Hand seiner Frau, die er aber bald zurückzog, um sich eine Thräne abzutrocknen. Fränz berichtete, daß sie mit der Mutter in der Post wohne. Der Richter befahl, daß Diethelm abgeführt werde. Er sprach kein Wort mit den Seinigen und ging von dannen. Der Richter sagte nun Martha, daß er sie auch gleich verhören wolle, da sie nun da sei; er bot ihr den Stuhl an, den Diethelm so eben verlassen, sie setzte sich und legte die Hände in einander. Sie bat, ob nicht ihre Fränz bei ihr bleiben dürfe, der Richter verneinte dies mit Bedauern, Fränz könne indeß im Vorzimmer warten. Martha preßte die gefalteten Hände wie zu einem Dankgebet zusammen, als ihr der Amtmann die schönmenschliche Gesetzesbestimmung erklärte, daß ein Angehöriger keinen Zeugeneid zu leisten habe, und es überbaupt seinem Belieben anheimgestellt sei, Zeugniß abzulegen oder zu verweigern. Martha erklärte sich für ersteres, theils in der Hoffnung, ihrem Manne zu nützen, theils auch, weil sie den Muth nicht hatte, ohne Red' und Antwort das bestellte Gericht zu verlassen. Martha war so offenbar ein Bild des aufrichtigen Jammers, daß der Richter sie nicht mit verwickelten Fragen quälen zu wollen schien. Sie konnte mit Fug betheuern, daß sie von der Handelschaft ihres Mannes fast gar keine Einsicht hatte, und als auf ihren Ehezwist wegen der Großthuerei und Verschwendung Diethelm's die Rede kam, glaubte sie, daß Gott es ihr verzeihen müsse, wenn sie das nicht unter die Welt kommen lasse; sie bestritt daher jeden ehelichen Zwist und lobte ihren Mann aus Herzensgrund. Der Richter ging bald hievon ab und fragte: Ist nie zwischen Euch und Eurem Manne davon die Rede gewesen, daß er brandstiften will? Martha war's, als schlügen ihr Flammen ins Gesicht. Was sollte sie darauf antworten? Zwar hatte damals am

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/130>, abgerufen am 24.04.2024.