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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seinem Vater beistand, ihm noch eine Unterredung mit dem Waldhornwirth zu verschaffen; aber der junge Kübler war dessen eingedenk, wie Diethelm ihn mit Undank angefahren und sogar gedroht hatte, ihn zu verrathen; er blieb allen Schmeichelworten unerbittlich, und Diethelm, dessen Furcht vor einem Mitwisser noch größer war als die vor dem Gerichte, fand sich endlich drein, Alles geschehen zu lassen, wie es sich von selbst machte, ja es gab Zeiten, in denen er so zerknirscht war, daß er die Entdeckung wünschte, nur um dieser schwebenden Qual enthoben zu werden. So zerknirscht er aber auch in der Einsamkeit des Gefängnisses war, so kampfgerüstet und fest erschien er jedesmal vor dem Richter, schon die Stimme desselben erweckte ihn zu Muth und Trotz, und bald zeigte sich, daß die ursächlichen Verbindungen zwischen allem Geschehenen nur ihm klar waren, den Anderen zerfiel Alles zusammenhanglos.

Dies stellte sich besonders heraus, als der Amtsverweser die Fortführung der Untersuchung dem neu bestallten Richter übergab. Man hatte geglaubt, daß ein neuer, in Criminalsachen gewiegter Mann Diethelm verblüffen und verwirren würde; aber gerade das Gegentheil war eingetreten: dem fremden Manne gegenüber, der ihn nie weich gesehen hatte, fühlte sich Diethelm doppelt stark, und bei manchen Fragen zeigte Diethelm sein Uebergewicht, indem er sagte: das hab' ich im Protocoll von dem und dem Datum schon angegeben; seine Gewandtheit im Kopfrechnen kam ihm jetzt in anderer Weise zu statten. Diethelm dachte gar nichts mehr als sein Verhör, er wendete es nach allen Seiten, und wenn er antwortete, sprudelte er die Worte so sicher hervor, als stünden sie vor ihm geschrieben.

seinem Vater beistand, ihm noch eine Unterredung mit dem Waldhornwirth zu verschaffen; aber der junge Kübler war dessen eingedenk, wie Diethelm ihn mit Undank angefahren und sogar gedroht hatte, ihn zu verrathen; er blieb allen Schmeichelworten unerbittlich, und Diethelm, dessen Furcht vor einem Mitwisser noch größer war als die vor dem Gerichte, fand sich endlich drein, Alles geschehen zu lassen, wie es sich von selbst machte, ja es gab Zeiten, in denen er so zerknirscht war, daß er die Entdeckung wünschte, nur um dieser schwebenden Qual enthoben zu werden. So zerknirscht er aber auch in der Einsamkeit des Gefängnisses war, so kampfgerüstet und fest erschien er jedesmal vor dem Richter, schon die Stimme desselben erweckte ihn zu Muth und Trotz, und bald zeigte sich, daß die ursächlichen Verbindungen zwischen allem Geschehenen nur ihm klar waren, den Anderen zerfiel Alles zusammenhanglos.

Dies stellte sich besonders heraus, als der Amtsverweser die Fortführung der Untersuchung dem neu bestallten Richter übergab. Man hatte geglaubt, daß ein neuer, in Criminalsachen gewiegter Mann Diethelm verblüffen und verwirren würde; aber gerade das Gegentheil war eingetreten: dem fremden Manne gegenüber, der ihn nie weich gesehen hatte, fühlte sich Diethelm doppelt stark, und bei manchen Fragen zeigte Diethelm sein Uebergewicht, indem er sagte: das hab' ich im Protocoll von dem und dem Datum schon angegeben; seine Gewandtheit im Kopfrechnen kam ihm jetzt in anderer Weise zu statten. Diethelm dachte gar nichts mehr als sein Verhör, er wendete es nach allen Seiten, und wenn er antwortete, sprudelte er die Worte so sicher hervor, als stünden sie vor ihm geschrieben.

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[0138] seinem Vater beistand, ihm noch eine Unterredung mit dem Waldhornwirth zu verschaffen; aber der junge Kübler war dessen eingedenk, wie Diethelm ihn mit Undank angefahren und sogar gedroht hatte, ihn zu verrathen; er blieb allen Schmeichelworten unerbittlich, und Diethelm, dessen Furcht vor einem Mitwisser noch größer war als die vor dem Gerichte, fand sich endlich drein, Alles geschehen zu lassen, wie es sich von selbst machte, ja es gab Zeiten, in denen er so zerknirscht war, daß er die Entdeckung wünschte, nur um dieser schwebenden Qual enthoben zu werden. So zerknirscht er aber auch in der Einsamkeit des Gefängnisses war, so kampfgerüstet und fest erschien er jedesmal vor dem Richter, schon die Stimme desselben erweckte ihn zu Muth und Trotz, und bald zeigte sich, daß die ursächlichen Verbindungen zwischen allem Geschehenen nur ihm klar waren, den Anderen zerfiel Alles zusammenhanglos. Dies stellte sich besonders heraus, als der Amtsverweser die Fortführung der Untersuchung dem neu bestallten Richter übergab. Man hatte geglaubt, daß ein neuer, in Criminalsachen gewiegter Mann Diethelm verblüffen und verwirren würde; aber gerade das Gegentheil war eingetreten: dem fremden Manne gegenüber, der ihn nie weich gesehen hatte, fühlte sich Diethelm doppelt stark, und bei manchen Fragen zeigte Diethelm sein Uebergewicht, indem er sagte: das hab' ich im Protocoll von dem und dem Datum schon angegeben; seine Gewandtheit im Kopfrechnen kam ihm jetzt in anderer Weise zu statten. Diethelm dachte gar nichts mehr als sein Verhör, er wendete es nach allen Seiten, und wenn er antwortete, sprudelte er die Worte so sicher hervor, als stünden sie vor ihm geschrieben.

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/138>, abgerufen am 20.04.2024.