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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihm das Geld zu geben. Ueberhaupt, erzählte er, sei der Meister seit fast einem Jahre zweierlei Menschen, bald streichle er einen wie mit Sammtpfoten, bald sei er ein borstiger Igel, bald lobe er Alles, bald mache man ihm gar nichts recht. Die Brüder besprachen sich noch lange über das seltsame Wesen des Meisters, denn auch der Soldat hatte ehemals bei Diethelm als Schäfer gedient.

Als der Schäfer äußerte, daß Diethelm vielleicht um so größer thue, je kleiner er geworden sei, und vielleicht noch einen tüchtigen Raps mache, so lang man ihm traue, fuhr der Soldat dagegen los, als ob er selber beleidigt wäre, und es war noch mehr als das: denn da gilt ja gar nichts mehr, wenn man gegen solch einen Mann nur so was denken darf, worauf der Andere lächelnd erwiederte:

Büble, Büble, du wirst dein Lebtag nicht gescheidt, du glaubst den Leuten, was sie dir vormachen. Laß sehen, was du für Tubak hast, schloß er und nahm dem Soldaten die Pfeife aus dem Mund und rauchte sie weiter; der Soldat sagte kein Wort dazu.

Es war ein seltsames Brüderpaar, das da bei einander saß. Medard hätte dem Alter nach der Vater Munde's sein können, aber ähnlich sahen sich die Brüder nicht. Medard hatte ein langes dürres Gesicht, das durch den zottigen Backenbart und die aufgesträubten röthlichen Augenbrauen Aehnlichkeit mit dem Schäferhunde hatte, während Munde kugelrund aussah und Angesicht und Hals von dunkelbrauner Farbe war; er hatte kohlschwarzes Haar und kleine, in fetten Augenlidern versteckte braune Augen, aus denen ein stilles, sanftes Gemüth sprach. Medard sah aus, als könnte er nie lachen, und Munde sah noch jetzt in seiner Betrübniß aus, als könnte Schmerz und Zorn keine Heimath in seinem Gesichtsausdruck finden.

Medard war gerade um fünf und zwanzig Jahre älter als sein Bruder, und diese Beiden und noch eine Schwester, die dem alten Bruder in Buchenberg Haus hielt, waren von

ihm das Geld zu geben. Ueberhaupt, erzählte er, sei der Meister seit fast einem Jahre zweierlei Menschen, bald streichle er einen wie mit Sammtpfoten, bald sei er ein borstiger Igel, bald lobe er Alles, bald mache man ihm gar nichts recht. Die Brüder besprachen sich noch lange über das seltsame Wesen des Meisters, denn auch der Soldat hatte ehemals bei Diethelm als Schäfer gedient.

Als der Schäfer äußerte, daß Diethelm vielleicht um so größer thue, je kleiner er geworden sei, und vielleicht noch einen tüchtigen Raps mache, so lang man ihm traue, fuhr der Soldat dagegen los, als ob er selber beleidigt wäre, und es war noch mehr als das: denn da gilt ja gar nichts mehr, wenn man gegen solch einen Mann nur so was denken darf, worauf der Andere lächelnd erwiederte:

Büble, Büble, du wirst dein Lebtag nicht gescheidt, du glaubst den Leuten, was sie dir vormachen. Laß sehen, was du für Tubak hast, schloß er und nahm dem Soldaten die Pfeife aus dem Mund und rauchte sie weiter; der Soldat sagte kein Wort dazu.

Es war ein seltsames Brüderpaar, das da bei einander saß. Medard hätte dem Alter nach der Vater Munde's sein können, aber ähnlich sahen sich die Brüder nicht. Medard hatte ein langes dürres Gesicht, das durch den zottigen Backenbart und die aufgesträubten röthlichen Augenbrauen Aehnlichkeit mit dem Schäferhunde hatte, während Munde kugelrund aussah und Angesicht und Hals von dunkelbrauner Farbe war; er hatte kohlschwarzes Haar und kleine, in fetten Augenlidern versteckte braune Augen, aus denen ein stilles, sanftes Gemüth sprach. Medard sah aus, als könnte er nie lachen, und Munde sah noch jetzt in seiner Betrübniß aus, als könnte Schmerz und Zorn keine Heimath in seinem Gesichtsausdruck finden.

Medard war gerade um fünf und zwanzig Jahre älter als sein Bruder, und diese Beiden und noch eine Schwester, die dem alten Bruder in Buchenberg Haus hielt, waren von

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[0027] ihm das Geld zu geben. Ueberhaupt, erzählte er, sei der Meister seit fast einem Jahre zweierlei Menschen, bald streichle er einen wie mit Sammtpfoten, bald sei er ein borstiger Igel, bald lobe er Alles, bald mache man ihm gar nichts recht. Die Brüder besprachen sich noch lange über das seltsame Wesen des Meisters, denn auch der Soldat hatte ehemals bei Diethelm als Schäfer gedient. Als der Schäfer äußerte, daß Diethelm vielleicht um so größer thue, je kleiner er geworden sei, und vielleicht noch einen tüchtigen Raps mache, so lang man ihm traue, fuhr der Soldat dagegen los, als ob er selber beleidigt wäre, und es war noch mehr als das: denn da gilt ja gar nichts mehr, wenn man gegen solch einen Mann nur so was denken darf, worauf der Andere lächelnd erwiederte: Büble, Büble, du wirst dein Lebtag nicht gescheidt, du glaubst den Leuten, was sie dir vormachen. Laß sehen, was du für Tubak hast, schloß er und nahm dem Soldaten die Pfeife aus dem Mund und rauchte sie weiter; der Soldat sagte kein Wort dazu. Es war ein seltsames Brüderpaar, das da bei einander saß. Medard hätte dem Alter nach der Vater Munde's sein können, aber ähnlich sahen sich die Brüder nicht. Medard hatte ein langes dürres Gesicht, das durch den zottigen Backenbart und die aufgesträubten röthlichen Augenbrauen Aehnlichkeit mit dem Schäferhunde hatte, während Munde kugelrund aussah und Angesicht und Hals von dunkelbrauner Farbe war; er hatte kohlschwarzes Haar und kleine, in fetten Augenlidern versteckte braune Augen, aus denen ein stilles, sanftes Gemüth sprach. Medard sah aus, als könnte er nie lachen, und Munde sah noch jetzt in seiner Betrübniß aus, als könnte Schmerz und Zorn keine Heimath in seinem Gesichtsausdruck finden. Medard war gerade um fünf und zwanzig Jahre älter als sein Bruder, und diese Beiden und noch eine Schwester, die dem alten Bruder in Buchenberg Haus hielt, waren von

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/27>, abgerufen am 25.04.2024.