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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hielt Diethelm streng darauf, daß sie keine volle Einsicht in seine Handelschaft hatte, so viel aber wußte sie doch, daß er jetzt baar Geld brauchte, er konnte also unmöglich eingekauft haben. Mit den heimkehrenden Marktgängern, ihren mitgebrachten Lederspangen, Gewandstoffen, Kinderpfeifen und Kindertrompeten, mit der Musterung der eingekauften Pferde und Kühe, vor Allem aber mit der lärmenden Laune der Angetrunkenen war etwas von dem geräuschvollen Marktgewühl in das stille Dorf gedrungen, und die Heimgebliebenen sahen dem verwunderlich zu; vor Allen aber betrachtete die Grobbäuerin -- wie Martha Diethelm noch immer nach ihrem ersten Manne genannt wurde -- das Alles, als wäre es etwas Unerhörtes. Da zeigten die Einen die neuen Schuhe und Stiefel, die sie in der Hand trugen, und ließen um den Preis rathen, oder sie übergaben den Kindern die für sie eingekauften, die damit davon rannten; Andere ließen ihre neuen Hüte mustern, die sie auf dem Kopfe trugen, während sie die alten in der Hand hielten, und mancher Spaßvogel stülpte den neuen Hut über den alten auf den Kopf. Der Schmied hatte seinen Weißdornstock quer über den Rücken gelegt und die Arme als Haken darüber geschlungen, Martha wußte nicht, war es die Weinlaune oder Ernst, als er ihr berichtete, der Diethelm käme zehnmal so reich wieder heim. Als es wieder stille im Dorfe wurde, in den Häusern die Lichter erflammten und ein Jedes im Kreise der Seinen erzählte, was ihm am heutigen wichtigen Tage begegnet war, saß Martha noch immer im Dunkeln in ihrer Stube; ihr war so bang, sie war wie festgezaubert, daß sie nicht der Magd nach Licht rufen konnte; und als diese endlich von selbst damit kam, heiterte sie sich wieder auf; es war ja nichts geschehen, worüber sie zu bangen ein Recht hatte, und sie ließ sich gern von der Magd berichten, welche neue Kleider u. dgl. in das Dorf gekommen waren. Als endlich Schlafenszeit und noch immer kein Diethelm und keine ausdrückliche Nachricht von ihm kommen

hielt Diethelm streng darauf, daß sie keine volle Einsicht in seine Handelschaft hatte, so viel aber wußte sie doch, daß er jetzt baar Geld brauchte, er konnte also unmöglich eingekauft haben. Mit den heimkehrenden Marktgängern, ihren mitgebrachten Lederspangen, Gewandstoffen, Kinderpfeifen und Kindertrompeten, mit der Musterung der eingekauften Pferde und Kühe, vor Allem aber mit der lärmenden Laune der Angetrunkenen war etwas von dem geräuschvollen Marktgewühl in das stille Dorf gedrungen, und die Heimgebliebenen sahen dem verwunderlich zu; vor Allen aber betrachtete die Grobbäuerin — wie Martha Diethelm noch immer nach ihrem ersten Manne genannt wurde — das Alles, als wäre es etwas Unerhörtes. Da zeigten die Einen die neuen Schuhe und Stiefel, die sie in der Hand trugen, und ließen um den Preis rathen, oder sie übergaben den Kindern die für sie eingekauften, die damit davon rannten; Andere ließen ihre neuen Hüte mustern, die sie auf dem Kopfe trugen, während sie die alten in der Hand hielten, und mancher Spaßvogel stülpte den neuen Hut über den alten auf den Kopf. Der Schmied hatte seinen Weißdornstock quer über den Rücken gelegt und die Arme als Haken darüber geschlungen, Martha wußte nicht, war es die Weinlaune oder Ernst, als er ihr berichtete, der Diethelm käme zehnmal so reich wieder heim. Als es wieder stille im Dorfe wurde, in den Häusern die Lichter erflammten und ein Jedes im Kreise der Seinen erzählte, was ihm am heutigen wichtigen Tage begegnet war, saß Martha noch immer im Dunkeln in ihrer Stube; ihr war so bang, sie war wie festgezaubert, daß sie nicht der Magd nach Licht rufen konnte; und als diese endlich von selbst damit kam, heiterte sie sich wieder auf; es war ja nichts geschehen, worüber sie zu bangen ein Recht hatte, und sie ließ sich gern von der Magd berichten, welche neue Kleider u. dgl. in das Dorf gekommen waren. Als endlich Schlafenszeit und noch immer kein Diethelm und keine ausdrückliche Nachricht von ihm kommen

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[0043] hielt Diethelm streng darauf, daß sie keine volle Einsicht in seine Handelschaft hatte, so viel aber wußte sie doch, daß er jetzt baar Geld brauchte, er konnte also unmöglich eingekauft haben. Mit den heimkehrenden Marktgängern, ihren mitgebrachten Lederspangen, Gewandstoffen, Kinderpfeifen und Kindertrompeten, mit der Musterung der eingekauften Pferde und Kühe, vor Allem aber mit der lärmenden Laune der Angetrunkenen war etwas von dem geräuschvollen Marktgewühl in das stille Dorf gedrungen, und die Heimgebliebenen sahen dem verwunderlich zu; vor Allen aber betrachtete die Grobbäuerin — wie Martha Diethelm noch immer nach ihrem ersten Manne genannt wurde — das Alles, als wäre es etwas Unerhörtes. Da zeigten die Einen die neuen Schuhe und Stiefel, die sie in der Hand trugen, und ließen um den Preis rathen, oder sie übergaben den Kindern die für sie eingekauften, die damit davon rannten; Andere ließen ihre neuen Hüte mustern, die sie auf dem Kopfe trugen, während sie die alten in der Hand hielten, und mancher Spaßvogel stülpte den neuen Hut über den alten auf den Kopf. Der Schmied hatte seinen Weißdornstock quer über den Rücken gelegt und die Arme als Haken darüber geschlungen, Martha wußte nicht, war es die Weinlaune oder Ernst, als er ihr berichtete, der Diethelm käme zehnmal so reich wieder heim. Als es wieder stille im Dorfe wurde, in den Häusern die Lichter erflammten und ein Jedes im Kreise der Seinen erzählte, was ihm am heutigen wichtigen Tage begegnet war, saß Martha noch immer im Dunkeln in ihrer Stube; ihr war so bang, sie war wie festgezaubert, daß sie nicht der Magd nach Licht rufen konnte; und als diese endlich von selbst damit kam, heiterte sie sich wieder auf; es war ja nichts geschehen, worüber sie zu bangen ein Recht hatte, und sie ließ sich gern von der Magd berichten, welche neue Kleider u. dgl. in das Dorf gekommen waren. Als endlich Schlafenszeit und noch immer kein Diethelm und keine ausdrückliche Nachricht von ihm kommen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/43>, abgerufen am 28.03.2024.