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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und Wohlthätigkeit; das Mitgefühl ist rasch erregbar, und jener dunkle Zusammenhang mit der Außenwelt offenbart sich in Leid und Lust. Was man die Gutherzigkeit nennt und mit Recht hoch hält, ist durch solchen Ursprung nicht aufgelös't, die Sonne freier Erkenntniß färbt die Frucht, der aus dunkelm Grunde der Saft zuströmt.

Diethelm empfand eine wahre Glückseligkeit in der Anschauung und in dem Gedanken, wie Viele er labte und erquickte.

Der Wein mundete vortrefflich, und da einmal aus Versehen ausgespannt war und die Frau zu Hause gewiß kein Essen bereitet hatte, ließ sich Diethelm solches, trotzdem es noch so früh am Tag war, trefflich schmecken; zankte nun die Frau daheim, so hatte er doch vorgesorgt, und der Wein gab Muth zu Allem. Der Wirth äußerte in redseliger Weise seine Freude über die Einkehr Diethelm's und erzählte, wie es ihn schon lang verdrossen habe, daß er immer ohne anzukehren vorübergefahren sei. Freilich, setzte er hinzu, früher hat das Haus kein Ansehen gehabt, aber jetzt, seit ich neu gebaut habe, besuchen mich die Herrschaften aus der Stadt.

Hast deßwegen neu gebaut?

Nein, ich hab' müssen, ich bin ja abgebrannt.

So? sagte Diethelm und stürzte ein volles Glas hinab. Bist versichert gewesen?

Darüber könnt' ich nicht klagen, der Kaufmann Gäbler auf dem Markt hat mir den Schemel unterm Tisch vergütet.

Diethelm schwieg während der weitläufigen Erzählung von dem Brand und dem Neubau. Er hörte mißtrauisch die ganze Darlegung von der Anklage auf Brandstiftung und der vollkommenen Freisprechung von derselben, und so heiter er in das Wirthshaus eingetreten war, eben so mißmuthig verließ er dasselbe: der Mann und alle seine Habe, alle die Tische, Stühle, Thüren erschienen ihm so verbrecherisch, das ganze Haus so unheimlich, als spräche aus jedem Stein und Balken das Verbrechen, das es gegründet haben sollte.

und Wohlthätigkeit; das Mitgefühl ist rasch erregbar, und jener dunkle Zusammenhang mit der Außenwelt offenbart sich in Leid und Lust. Was man die Gutherzigkeit nennt und mit Recht hoch hält, ist durch solchen Ursprung nicht aufgelös't, die Sonne freier Erkenntniß färbt die Frucht, der aus dunkelm Grunde der Saft zuströmt.

Diethelm empfand eine wahre Glückseligkeit in der Anschauung und in dem Gedanken, wie Viele er labte und erquickte.

Der Wein mundete vortrefflich, und da einmal aus Versehen ausgespannt war und die Frau zu Hause gewiß kein Essen bereitet hatte, ließ sich Diethelm solches, trotzdem es noch so früh am Tag war, trefflich schmecken; zankte nun die Frau daheim, so hatte er doch vorgesorgt, und der Wein gab Muth zu Allem. Der Wirth äußerte in redseliger Weise seine Freude über die Einkehr Diethelm's und erzählte, wie es ihn schon lang verdrossen habe, daß er immer ohne anzukehren vorübergefahren sei. Freilich, setzte er hinzu, früher hat das Haus kein Ansehen gehabt, aber jetzt, seit ich neu gebaut habe, besuchen mich die Herrschaften aus der Stadt.

Hast deßwegen neu gebaut?

Nein, ich hab' müssen, ich bin ja abgebrannt.

So? sagte Diethelm und stürzte ein volles Glas hinab. Bist versichert gewesen?

Darüber könnt' ich nicht klagen, der Kaufmann Gäbler auf dem Markt hat mir den Schemel unterm Tisch vergütet.

Diethelm schwieg während der weitläufigen Erzählung von dem Brand und dem Neubau. Er hörte mißtrauisch die ganze Darlegung von der Anklage auf Brandstiftung und der vollkommenen Freisprechung von derselben, und so heiter er in das Wirthshaus eingetreten war, eben so mißmuthig verließ er dasselbe: der Mann und alle seine Habe, alle die Tische, Stühle, Thüren erschienen ihm so verbrecherisch, das ganze Haus so unheimlich, als spräche aus jedem Stein und Balken das Verbrechen, das es gegründet haben sollte.

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[0053] und Wohlthätigkeit; das Mitgefühl ist rasch erregbar, und jener dunkle Zusammenhang mit der Außenwelt offenbart sich in Leid und Lust. Was man die Gutherzigkeit nennt und mit Recht hoch hält, ist durch solchen Ursprung nicht aufgelös't, die Sonne freier Erkenntniß färbt die Frucht, der aus dunkelm Grunde der Saft zuströmt. Diethelm empfand eine wahre Glückseligkeit in der Anschauung und in dem Gedanken, wie Viele er labte und erquickte. Der Wein mundete vortrefflich, und da einmal aus Versehen ausgespannt war und die Frau zu Hause gewiß kein Essen bereitet hatte, ließ sich Diethelm solches, trotzdem es noch so früh am Tag war, trefflich schmecken; zankte nun die Frau daheim, so hatte er doch vorgesorgt, und der Wein gab Muth zu Allem. Der Wirth äußerte in redseliger Weise seine Freude über die Einkehr Diethelm's und erzählte, wie es ihn schon lang verdrossen habe, daß er immer ohne anzukehren vorübergefahren sei. Freilich, setzte er hinzu, früher hat das Haus kein Ansehen gehabt, aber jetzt, seit ich neu gebaut habe, besuchen mich die Herrschaften aus der Stadt. Hast deßwegen neu gebaut? Nein, ich hab' müssen, ich bin ja abgebrannt. So? sagte Diethelm und stürzte ein volles Glas hinab. Bist versichert gewesen? Darüber könnt' ich nicht klagen, der Kaufmann Gäbler auf dem Markt hat mir den Schemel unterm Tisch vergütet. Diethelm schwieg während der weitläufigen Erzählung von dem Brand und dem Neubau. Er hörte mißtrauisch die ganze Darlegung von der Anklage auf Brandstiftung und der vollkommenen Freisprechung von derselben, und so heiter er in das Wirthshaus eingetreten war, eben so mißmuthig verließ er dasselbe: der Mann und alle seine Habe, alle die Tische, Stühle, Thüren erschienen ihm so verbrecherisch, das ganze Haus so unheimlich, als spräche aus jedem Stein und Balken das Verbrechen, das es gegründet haben sollte.

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/53>, abgerufen am 24.04.2024.