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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Diethelm daran erinnerte, daß er das Geld, das in sechs Wochen fällig war, bereits anderweit versagt hätte. Der hat auch was, knirschte Diethelm, den Brief in die Tasche steckend, und hätte er in diesem Augenblicke ein Verbrechen an der ganzen Welt begehen können, es wäre ihm eine Lust gewesen. Er hielt noch die Hand auf dem Briefe des Kastenverwalters, als Kübler kam, aber er brachte statt Einer Kerze ein Gebund, das vier solcher enthielt.

Ich hab' nur Eine gewollt, aber es ist so auch recht, sagte Diethelm und hielt in zitternder Hand die Kerzen. Es war ihm, als müßte er damit sengen und brennen.

Elftes Kapitel.

Der Schnee wirbelte um ihn her, und Diethelm fuhr durch die Nacht dahin heimwärts, seine Wangen glühten und die Schneeflocken, die darauf fielen, konnten die Glut nicht löschen. Am ersten Berg hielt er an, öffnete den Kutschensitz, aber nicht um seinen Inhalt, verborgen vor jedem Späherauge, zu zerstreuen; er legte drei der geweihten Kerzen noch zu dem Kienholz. Er fühlte einen Stich durchs Herz, und doch bewegte ihn ein freudiger erfindungsreicher Gedanke: diese Kerzen brennen eine volle Tag- und Nachtlänge, mit ihnen läßt sich verdachtlos etwas bewirken.

Im Schritt den Berg hinanfahrend überdachte Diethelm sein ganzes vergangenes Leben. Er spürte ein Jucken in den Augen, als er der unsäglich vielen Freuden gedachte, die er seinen Eltern und allen seinen Angehörigen bereitet hatte; und plötzlich stand es vor ihm, daß sein Bruderskind in Elend verkomme, wenn er nicht dem Kübler zur Ansässigmachung verhelfe. Alles, was er thue, sei ja zum Guten.

Diethelm daran erinnerte, daß er das Geld, das in sechs Wochen fällig war, bereits anderweit versagt hätte. Der hat auch was, knirschte Diethelm, den Brief in die Tasche steckend, und hätte er in diesem Augenblicke ein Verbrechen an der ganzen Welt begehen können, es wäre ihm eine Lust gewesen. Er hielt noch die Hand auf dem Briefe des Kastenverwalters, als Kübler kam, aber er brachte statt Einer Kerze ein Gebund, das vier solcher enthielt.

Ich hab' nur Eine gewollt, aber es ist so auch recht, sagte Diethelm und hielt in zitternder Hand die Kerzen. Es war ihm, als müßte er damit sengen und brennen.

Elftes Kapitel.

Der Schnee wirbelte um ihn her, und Diethelm fuhr durch die Nacht dahin heimwärts, seine Wangen glühten und die Schneeflocken, die darauf fielen, konnten die Glut nicht löschen. Am ersten Berg hielt er an, öffnete den Kutschensitz, aber nicht um seinen Inhalt, verborgen vor jedem Späherauge, zu zerstreuen; er legte drei der geweihten Kerzen noch zu dem Kienholz. Er fühlte einen Stich durchs Herz, und doch bewegte ihn ein freudiger erfindungsreicher Gedanke: diese Kerzen brennen eine volle Tag- und Nachtlänge, mit ihnen läßt sich verdachtlos etwas bewirken.

Im Schritt den Berg hinanfahrend überdachte Diethelm sein ganzes vergangenes Leben. Er spürte ein Jucken in den Augen, als er der unsäglich vielen Freuden gedachte, die er seinen Eltern und allen seinen Angehörigen bereitet hatte; und plötzlich stand es vor ihm, daß sein Bruderskind in Elend verkomme, wenn er nicht dem Kübler zur Ansässigmachung verhelfe. Alles, was er thue, sei ja zum Guten.

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[0076] Diethelm daran erinnerte, daß er das Geld, das in sechs Wochen fällig war, bereits anderweit versagt hätte. Der hat auch was, knirschte Diethelm, den Brief in die Tasche steckend, und hätte er in diesem Augenblicke ein Verbrechen an der ganzen Welt begehen können, es wäre ihm eine Lust gewesen. Er hielt noch die Hand auf dem Briefe des Kastenverwalters, als Kübler kam, aber er brachte statt Einer Kerze ein Gebund, das vier solcher enthielt. Ich hab' nur Eine gewollt, aber es ist so auch recht, sagte Diethelm und hielt in zitternder Hand die Kerzen. Es war ihm, als müßte er damit sengen und brennen. Elftes Kapitel. Der Schnee wirbelte um ihn her, und Diethelm fuhr durch die Nacht dahin heimwärts, seine Wangen glühten und die Schneeflocken, die darauf fielen, konnten die Glut nicht löschen. Am ersten Berg hielt er an, öffnete den Kutschensitz, aber nicht um seinen Inhalt, verborgen vor jedem Späherauge, zu zerstreuen; er legte drei der geweihten Kerzen noch zu dem Kienholz. Er fühlte einen Stich durchs Herz, und doch bewegte ihn ein freudiger erfindungsreicher Gedanke: diese Kerzen brennen eine volle Tag- und Nachtlänge, mit ihnen läßt sich verdachtlos etwas bewirken. Im Schritt den Berg hinanfahrend überdachte Diethelm sein ganzes vergangenes Leben. Er spürte ein Jucken in den Augen, als er der unsäglich vielen Freuden gedachte, die er seinen Eltern und allen seinen Angehörigen bereitet hatte; und plötzlich stand es vor ihm, daß sein Bruderskind in Elend verkomme, wenn er nicht dem Kübler zur Ansässigmachung verhelfe. Alles, was er thue, sei ja zum Guten.

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/76>, abgerufen am 29.03.2024.