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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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angerufen werden, und bald da bald dort gab es ein heftigeres Gedränge, aber die Rappen standen jedesmal auf einen Pfiff ihres Herrn stille. Oftmals auch grüßte dieser einen Bekannten und rief ihm zu: Weißt schon, im Hirsch. In dem Marktgewühl stachen besonders die Schäfer hervor in ihren weißen, rothausgeschlagenen und mit rothen Einnähten versehenen Zwillichröcken, auf denen noch, über die rechte Schulter gelegt, schärpenartig der lederne Gurt mit glänzenden Messingringen prangte; ihre Hunde liefen hart neben ihnen, denn sie hatten sie an die vielgelenkige Kette angekoppelt. Ueber das bartlose runde Antlitz des Fahrenden zuckte oft ein Lächeln, denn er hörte die Staunenden am Wege fragen: Wer ist das? worauf die Antwortenden immer ihre Verwunderung ausdrückten, daß man den nicht kenne: Das ist ja der Diethelm von Buchenberg, hieß es dann, der hat mehr Kronenthaler, als die zwei Gäul' ziehen können, und ein Anderer sagte wieder: Ich wollt', du und ich, wir hätten das mit einander im Vermögen, was der heut für Woll' und Schafe einnimmt. Wenn der Diethelm da ist, geht der Markt erst an, sagte ein Dritter; die Engelländer warten Alle auf ihn, rief ein Vierter. Ein Mann, der mit mehreren anderen eine gute Strecke neben dem Wagen herging, berichtete: Ich bin von Letzweiler, und der Diethelm ist auch von da gebürtig. Er hat einen grausam mächtigen Familienanhang. Vor zwanzig Jahren sind das lauter Krattenmacher (Korbmacher) und Bettelleut' gewesen, und der Diethelm hat sie hingestellt, daß sie capitelfest sind. So ein Mann in der Freundschaft, und sie ist glücklich.

Der Fahrende stieß manchmal die neben ihm Sitzende an, daß sie auch hinhorche auf das, was man sage; die üble Nachrede im eigentlichsten Sinn des Wortes schien der Fahrende nicht zu vernehmen, denn es gab auch Manche, die über die Ungebühr schimpften, mit Roß und Wagen mitten durch das Menschengedränge zu fahren; Andere machten darob Witze, und einige gehobene Heldenseelen fluchten hinter dem Wagen

angerufen werden, und bald da bald dort gab es ein heftigeres Gedränge, aber die Rappen standen jedesmal auf einen Pfiff ihres Herrn stille. Oftmals auch grüßte dieser einen Bekannten und rief ihm zu: Weißt schon, im Hirsch. In dem Marktgewühl stachen besonders die Schäfer hervor in ihren weißen, rothausgeschlagenen und mit rothen Einnähten versehenen Zwillichröcken, auf denen noch, über die rechte Schulter gelegt, schärpenartig der lederne Gurt mit glänzenden Messingringen prangte; ihre Hunde liefen hart neben ihnen, denn sie hatten sie an die vielgelenkige Kette angekoppelt. Ueber das bartlose runde Antlitz des Fahrenden zuckte oft ein Lächeln, denn er hörte die Staunenden am Wege fragen: Wer ist das? worauf die Antwortenden immer ihre Verwunderung ausdrückten, daß man den nicht kenne: Das ist ja der Diethelm von Buchenberg, hieß es dann, der hat mehr Kronenthaler, als die zwei Gäul' ziehen können, und ein Anderer sagte wieder: Ich wollt', du und ich, wir hätten das mit einander im Vermögen, was der heut für Woll' und Schafe einnimmt. Wenn der Diethelm da ist, geht der Markt erst an, sagte ein Dritter; die Engelländer warten Alle auf ihn, rief ein Vierter. Ein Mann, der mit mehreren anderen eine gute Strecke neben dem Wagen herging, berichtete: Ich bin von Letzweiler, und der Diethelm ist auch von da gebürtig. Er hat einen grausam mächtigen Familienanhang. Vor zwanzig Jahren sind das lauter Krattenmacher (Korbmacher) und Bettelleut' gewesen, und der Diethelm hat sie hingestellt, daß sie capitelfest sind. So ein Mann in der Freundschaft, und sie ist glücklich.

Der Fahrende stieß manchmal die neben ihm Sitzende an, daß sie auch hinhorche auf das, was man sage; die üble Nachrede im eigentlichsten Sinn des Wortes schien der Fahrende nicht zu vernehmen, denn es gab auch Manche, die über die Ungebühr schimpften, mit Roß und Wagen mitten durch das Menschengedränge zu fahren; Andere machten darob Witze, und einige gehobene Heldenseelen fluchten hinter dem Wagen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/8>, abgerufen am 28.03.2024.