Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

übergehender Gedanke war; innerlich aber fühlte er sich erleichtert, seiner Frau den Weg gezeigt zu haben, wenn er sie nicht vorher aus dem Hause bringen konnte; denn durch ihn allein, von keiner andern Menschenseele gekannt, sollte die That geschehen.

Heute machte Diethelm keinen Versuch mehr, den Inhalt des Kutschensitzes zu verstreuen, er freute sich des fallenden Schnee's, der die Halbkutsche in der Scheune ließ und den Schlitten zur Verwendung brachte.

Am Morgen fühlte Diethelm noch einmal ein Bangen über seinen Vorsatz, und doch war's ihm, als hätte er Jemanden das Versprechen gegeben, ihn zu vollführen. Eben wollte er die geweihte Kerze in das Pfarrhaus schicken, als seine Bruderstochter aus Letzweiler ankam. Noch bevor sie ein Wort reden konnte, weinte sie laut und erklärte endlich, daß man in G. sage, Diethelm werde ihr keine Aussteuer geben, die Hochzeit nicht stattfinden und sie im Elend bleiben. Man konnte nicht herausbringen, woher das Gerücht gekommen war, und das Mädchen, das immer auf der Bank sitzen blieb und nicht aufstand, schwur, daß sie sich ein Leid anthue, wenn das Gerücht wahr sei. Diethelm stand lange still vor dem Mädchen, betrachtete es scharf, so daß es die Augen niederschlug, und sich auf die Brust schlagend, daß es dröhnte, schwur Diethelm: Guck, mir soll die Kerze da auf der Seele verbrennen, wenn du nicht Alles von mir bekommst, wie ich's versprochen habe.

Er ging mehrmals mit schweren Schritten die Stube auf und ab und stand wieder vor dem Mädchen still und sagte:

Warum hast denn ein so schlechtes Kleid an? Hast keine besseren?

Freilich, ich hab' ja die zwei, die Ihr mir geschenkt habt, aber ich will sie sparen.

Du weißt ja, fuhr Diethelm auf, ich kann nicht leiden, wenn eines von den Meinigen so verlumpt daher kommt.

übergehender Gedanke war; innerlich aber fühlte er sich erleichtert, seiner Frau den Weg gezeigt zu haben, wenn er sie nicht vorher aus dem Hause bringen konnte; denn durch ihn allein, von keiner andern Menschenseele gekannt, sollte die That geschehen.

Heute machte Diethelm keinen Versuch mehr, den Inhalt des Kutschensitzes zu verstreuen, er freute sich des fallenden Schnee's, der die Halbkutsche in der Scheune ließ und den Schlitten zur Verwendung brachte.

Am Morgen fühlte Diethelm noch einmal ein Bangen über seinen Vorsatz, und doch war's ihm, als hätte er Jemanden das Versprechen gegeben, ihn zu vollführen. Eben wollte er die geweihte Kerze in das Pfarrhaus schicken, als seine Bruderstochter aus Letzweiler ankam. Noch bevor sie ein Wort reden konnte, weinte sie laut und erklärte endlich, daß man in G. sage, Diethelm werde ihr keine Aussteuer geben, die Hochzeit nicht stattfinden und sie im Elend bleiben. Man konnte nicht herausbringen, woher das Gerücht gekommen war, und das Mädchen, das immer auf der Bank sitzen blieb und nicht aufstand, schwur, daß sie sich ein Leid anthue, wenn das Gerücht wahr sei. Diethelm stand lange still vor dem Mädchen, betrachtete es scharf, so daß es die Augen niederschlug, und sich auf die Brust schlagend, daß es dröhnte, schwur Diethelm: Guck, mir soll die Kerze da auf der Seele verbrennen, wenn du nicht Alles von mir bekommst, wie ich's versprochen habe.

Er ging mehrmals mit schweren Schritten die Stube auf und ab und stand wieder vor dem Mädchen still und sagte:

Warum hast denn ein so schlechtes Kleid an? Hast keine besseren?

Freilich, ich hab' ja die zwei, die Ihr mir geschenkt habt, aber ich will sie sparen.

Du weißt ja, fuhr Diethelm auf, ich kann nicht leiden, wenn eines von den Meinigen so verlumpt daher kommt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="11">
        <p><pb facs="#f0081"/>
übergehender Gedanke war; innerlich aber fühlte er sich                erleichtert, seiner Frau den Weg gezeigt zu haben, wenn er sie nicht vorher aus dem                Hause bringen konnte; denn durch ihn allein, von keiner andern Menschenseele gekannt,                sollte die That geschehen.</p><lb/>
        <p>Heute machte Diethelm keinen Versuch mehr, den Inhalt des Kutschensitzes zu                verstreuen, er freute sich des fallenden Schnee's, der die Halbkutsche in der Scheune                ließ und den Schlitten zur Verwendung brachte.</p><lb/>
        <p>Am Morgen fühlte Diethelm noch einmal ein Bangen über seinen Vorsatz, und doch war's                ihm, als hätte er Jemanden das Versprechen gegeben, ihn zu vollführen. Eben wollte er                die geweihte Kerze in das Pfarrhaus schicken, als seine Bruderstochter aus Letzweiler                ankam. Noch bevor sie ein Wort reden konnte, weinte sie laut und erklärte endlich,                daß man in G. sage, Diethelm werde ihr keine Aussteuer geben, die Hochzeit nicht                stattfinden und sie im Elend bleiben. Man konnte nicht herausbringen, woher das                Gerücht gekommen war, und das Mädchen, das immer auf der Bank sitzen blieb und nicht                aufstand, schwur, daß sie sich ein Leid anthue, wenn das Gerücht wahr sei. Diethelm                stand lange still vor dem Mädchen, betrachtete es scharf, so daß es die Augen                niederschlug, und sich auf die Brust schlagend, daß es dröhnte, schwur Diethelm:                Guck, mir soll die Kerze da auf der Seele verbrennen, wenn du nicht Alles von mir                bekommst, wie ich's versprochen habe.</p><lb/>
        <p>Er ging mehrmals mit schweren Schritten die Stube auf und ab und stand wieder vor dem                Mädchen still und sagte:</p><lb/>
        <p>Warum hast denn ein so schlechtes Kleid an? Hast keine besseren?</p><lb/>
        <p>Freilich, ich hab' ja die zwei, die Ihr mir geschenkt habt, aber ich will sie                sparen.</p><lb/>
        <p>Du weißt ja, fuhr Diethelm auf, ich kann nicht leiden, wenn eines von den Meinigen so                verlumpt daher kommt.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] übergehender Gedanke war; innerlich aber fühlte er sich erleichtert, seiner Frau den Weg gezeigt zu haben, wenn er sie nicht vorher aus dem Hause bringen konnte; denn durch ihn allein, von keiner andern Menschenseele gekannt, sollte die That geschehen. Heute machte Diethelm keinen Versuch mehr, den Inhalt des Kutschensitzes zu verstreuen, er freute sich des fallenden Schnee's, der die Halbkutsche in der Scheune ließ und den Schlitten zur Verwendung brachte. Am Morgen fühlte Diethelm noch einmal ein Bangen über seinen Vorsatz, und doch war's ihm, als hätte er Jemanden das Versprechen gegeben, ihn zu vollführen. Eben wollte er die geweihte Kerze in das Pfarrhaus schicken, als seine Bruderstochter aus Letzweiler ankam. Noch bevor sie ein Wort reden konnte, weinte sie laut und erklärte endlich, daß man in G. sage, Diethelm werde ihr keine Aussteuer geben, die Hochzeit nicht stattfinden und sie im Elend bleiben. Man konnte nicht herausbringen, woher das Gerücht gekommen war, und das Mädchen, das immer auf der Bank sitzen blieb und nicht aufstand, schwur, daß sie sich ein Leid anthue, wenn das Gerücht wahr sei. Diethelm stand lange still vor dem Mädchen, betrachtete es scharf, so daß es die Augen niederschlug, und sich auf die Brust schlagend, daß es dröhnte, schwur Diethelm: Guck, mir soll die Kerze da auf der Seele verbrennen, wenn du nicht Alles von mir bekommst, wie ich's versprochen habe. Er ging mehrmals mit schweren Schritten die Stube auf und ab und stand wieder vor dem Mädchen still und sagte: Warum hast denn ein so schlechtes Kleid an? Hast keine besseren? Freilich, ich hab' ja die zwei, die Ihr mir geschenkt habt, aber ich will sie sparen. Du weißt ja, fuhr Diethelm auf, ich kann nicht leiden, wenn eines von den Meinigen so verlumpt daher kommt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/81
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/81>, abgerufen am 28.03.2024.