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Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 30.
30 Januar 1840.

Großbritannien.

(M. Post.) Wegen des Ablebens der verwittibten Landgräfin von Hessen-Homburg, seiner erlauchten Schwester, hat Se. Maj. der König von Hannover seine beabsichtigte Reise nach England zur Vermählung der Königin aufgegeben. Sollten die Angelegenheiten Hannovers Sr. Maj. erlauben, England im künftigen Sommer zu besuchen, so wird derselbe vermuthlich Anfangs Junius eintreffen, sein Aufenthalt aber nicht über drei Wochen dauern.

Lord Dinorben ist an des verstorbenen Sir W. W. Wynn Stelle, zum Milizadjutanten der Königin ernannt.

Am 22 Jan. Nachmittags ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten.

Lord J. Russell hat einen Katholiken, Lord Edward Howard, Sohn des Herzogs von Norfolk, zu seinem Privatsecretär ernannt.

Wie gestern kurz erwähnt, ward auch die lange Unterhaussitzung vom 21, mit Ausschluß der den Prinzen Albert betreffenden Frage, wieder ganz mit der Discussion über die parlamentarische Privilegiumsangelegenheit ausgefüllt. Bemerkenswerth ist, daß die Toryjournale ohne Ausnahme Partei für Stockdale und die Queensbench gegen das "tyrannische, der Unabhängigkeit der Gerichte und der Bill of Rights zu nahe tretende Ansinnen" des Hauses der Gemeinen nehmen, während Sir R. Peel, der Leiter der Tories in diesem Haus, entschieden auf der Seite der Minister und des parlamentarischen Privilegiums steht. Der torystische Rechtsgelehrte Hr. Kelly - derselbe, der sich in Monmouth neben Sir F. Pollock als Vertheidiger Frosts auszeichnete - motivirte, indem er eine Petition der beiden in den Fall verwickelten Sheriffs von Middlesex, John Weelton und William Evans Esqs. überreichte, die Motion, diese beiden Beamten vor die Schranken zu rufen und sie alsbald frei zu lassen. Lord J. Russell beharrte, diesem Vorschlag gegenüber, auf seinem ursprünglichen Antrag, die Sheriffs (wegen Theilnahme an der Verletzung des Privilegiums des Hauses, und bis sie die Summe von 640 Pf., wegen deren sie Hrn. Hansard gepfändet, an diesen zurückerstattet haben würden) dem Gewahrsam des Stabträgers des Hauses zu überantworten. Sir Francis Burdett, der, den Erfahrungen seiner Jugend zufolge, eigentlich kein Freund der Queensbench seyn sollte, in deren Gefängniß ihn damals sein Eifer für die Parlamentsreform geführt, zeigte sich als consequenten Tory. Das Haus der Gemeinen, behauptete er, sey im Begriff, sich dieselbe Gewalt anzumaßen, deren Ausübung mit dem Tode Karls I geendet. Wenn der Attorney-General das jetzt angesprochene Privilegium aus der Bill of Rights folgere, so könne er sich über eine solche Auslegung nur verwundern, denn, so viel er wisse, gewähre dieselbe nur Redefreiheit und persönliche Exemtion der Parlamentsmitglieder von Gefängniß. Sehr schön sage der Poet:

"Es ist herrlich.
Des Riesen Kraft besitzen, doch tyrannisch
Ist's wie ein Riese sie gebrauchen." -

Das Haus scheine Danton, den Helden der ersten französischen Revolution nachahmen zu wollen, dessen Wahlspruch gewesen: "L'audace, encore l'audace, et toujours l'audace." Mit einer kleinen Abschweifung kam dann Sir Francis auf O'Connell und dessen "revolutionäre Agitation" zu sprechen, wobei das ehrenwerthe und gelehrte Mitglied für Dublin ein anderes Motto als Danton sich gewählt habe, nämlich dieß: "Stecke Geld in deine Tasche." Hr. O'Connell erwiederte, er merke wohl, daß das weiland radicale Mitglied für Westminster auf ihn stichle. Vor nicht sehr langer Zeit habe der Hr. Baronet ihn einmal gelobt; wenn der Hr. Baronet ihm verspreche, ihn nicht mehr zu loben, so wolle er ihm seine jetzige Stichelrede, und jede künftige im voraus von Herzen gern verzeihen. Man schritt zur Abstimmung, und Hrn. Kelly's Motion wurde mit 210 gegen 99 Stimmen verworfen, der Antrag auf Committirung der Sheriffs aber mit 195 gegen 94 Stimmen angenommen. Die beiden Sheriffs sind nun in der That in einer fatalen Lage, denn sie sitzen zwischen zwei Stühlen. An demselben Tage nämlich (21), wo das Unterhaus obigen Beschluß gegen sie faßte, sprach die Queensbench, unter Vorsitz des Oberrichters Lord Denman, den definitiven Bescheid - "the rule absolute," wie es in der Gerichtssprache heißt - aus, daß die Sheriffs das aus der Pfändung Hansards erlöste Geld an Stockdale oder dessen Mandatare zu übermachen haben. Also das Unterhaus befiehlt, sie sollen es an Hansard zurück-, die königliche Bank, sie sollen es an Stockdale herauszahlen, und werden sie aus dem Parlamentsgefängniß, wo sie wegen "high contempt" des Unterhauses sitzen, entlassen, so kann es ihnen begegnen, daß sie dann wegen "high contempt" der

Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 30.
30 Januar 1840.

Großbritannien.

(M. Post.) Wegen des Ablebens der verwittibten Landgräfin von Hessen-Homburg, seiner erlauchten Schwester, hat Se. Maj. der König von Hannover seine beabsichtigte Reise nach England zur Vermählung der Königin aufgegeben. Sollten die Angelegenheiten Hannovers Sr. Maj. erlauben, England im künftigen Sommer zu besuchen, so wird derselbe vermuthlich Anfangs Junius eintreffen, sein Aufenthalt aber nicht über drei Wochen dauern.

Lord Dinorben ist an des verstorbenen Sir W. W. Wynn Stelle, zum Milizadjutanten der Königin ernannt.

Am 22 Jan. Nachmittags ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten.

Lord J. Russell hat einen Katholiken, Lord Edward Howard, Sohn des Herzogs von Norfolk, zu seinem Privatsecretär ernannt.

Wie gestern kurz erwähnt, ward auch die lange Unterhaussitzung vom 21, mit Ausschluß der den Prinzen Albert betreffenden Frage, wieder ganz mit der Discussion über die parlamentarische Privilegiumsangelegenheit ausgefüllt. Bemerkenswerth ist, daß die Toryjournale ohne Ausnahme Partei für Stockdale und die Queensbench gegen das „tyrannische, der Unabhängigkeit der Gerichte und der Bill of Rights zu nahe tretende Ansinnen“ des Hauses der Gemeinen nehmen, während Sir R. Peel, der Leiter der Tories in diesem Haus, entschieden auf der Seite der Minister und des parlamentarischen Privilegiums steht. Der torystische Rechtsgelehrte Hr. Kelly – derselbe, der sich in Monmouth neben Sir F. Pollock als Vertheidiger Frosts auszeichnete – motivirte, indem er eine Petition der beiden in den Fall verwickelten Sheriffs von Middlesex, John Weelton und William Evans Esqs. überreichte, die Motion, diese beiden Beamten vor die Schranken zu rufen und sie alsbald frei zu lassen. Lord J. Russell beharrte, diesem Vorschlag gegenüber, auf seinem ursprünglichen Antrag, die Sheriffs (wegen Theilnahme an der Verletzung des Privilegiums des Hauses, und bis sie die Summe von 640 Pf., wegen deren sie Hrn. Hansard gepfändet, an diesen zurückerstattet haben würden) dem Gewahrsam des Stabträgers des Hauses zu überantworten. Sir Francis Burdett, der, den Erfahrungen seiner Jugend zufolge, eigentlich kein Freund der Queensbench seyn sollte, in deren Gefängniß ihn damals sein Eifer für die Parlamentsreform geführt, zeigte sich als consequenten Tory. Das Haus der Gemeinen, behauptete er, sey im Begriff, sich dieselbe Gewalt anzumaßen, deren Ausübung mit dem Tode Karls I geendet. Wenn der Attorney-General das jetzt angesprochene Privilegium aus der Bill of Rights folgere, so könne er sich über eine solche Auslegung nur verwundern, denn, so viel er wisse, gewähre dieselbe nur Redefreiheit und persönliche Exemtion der Parlamentsmitglieder von Gefängniß. Sehr schön sage der Poet:

„Es ist herrlich.
Des Riesen Kraft besitzen, doch tyrannisch
Ist's wie ein Riese sie gebrauchen.“ –

Das Haus scheine Danton, den Helden der ersten französischen Revolution nachahmen zu wollen, dessen Wahlspruch gewesen: „L'audace, encore l'audace, et toujours l'audace.“ Mit einer kleinen Abschweifung kam dann Sir Francis auf O'Connell und dessen „revolutionäre Agitation“ zu sprechen, wobei das ehrenwerthe und gelehrte Mitglied für Dublin ein anderes Motto als Danton sich gewählt habe, nämlich dieß: „Stecke Geld in deine Tasche.“ Hr. O'Connell erwiederte, er merke wohl, daß das weiland radicale Mitglied für Westminster auf ihn stichle. Vor nicht sehr langer Zeit habe der Hr. Baronet ihn einmal gelobt; wenn der Hr. Baronet ihm verspreche, ihn nicht mehr zu loben, so wolle er ihm seine jetzige Stichelrede, und jede künftige im voraus von Herzen gern verzeihen. Man schritt zur Abstimmung, und Hrn. Kelly's Motion wurde mit 210 gegen 99 Stimmen verworfen, der Antrag auf Committirung der Sheriffs aber mit 195 gegen 94 Stimmen angenommen. Die beiden Sheriffs sind nun in der That in einer fatalen Lage, denn sie sitzen zwischen zwei Stühlen. An demselben Tage nämlich (21), wo das Unterhaus obigen Beschluß gegen sie faßte, sprach die Queensbench, unter Vorsitz des Oberrichters Lord Denman, den definitiven Bescheid – „the rule absolute,“ wie es in der Gerichtssprache heißt – aus, daß die Sheriffs das aus der Pfändung Hansards erlöste Geld an Stockdale oder dessen Mandatare zu übermachen haben. Also das Unterhaus befiehlt, sie sollen es an Hansard zurück-, die königliche Bank, sie sollen es an Stockdale herauszahlen, und werden sie aus dem Parlamentsgefängniß, wo sie wegen „high contempt“ des Unterhauses sitzen, entlassen, so kann es ihnen begegnen, daß sie dann wegen „high contempt“ der

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[0233/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Donnerstag Nr. 30. 30 Januar 1840. Großbritannien. _ London, 23 Jan. (M. Post.) Wegen des Ablebens der verwittibten Landgräfin von Hessen-Homburg, seiner erlauchten Schwester, hat Se. Maj. der König von Hannover seine beabsichtigte Reise nach England zur Vermählung der Königin aufgegeben. Sollten die Angelegenheiten Hannovers Sr. Maj. erlauben, England im künftigen Sommer zu besuchen, so wird derselbe vermuthlich Anfangs Junius eintreffen, sein Aufenthalt aber nicht über drei Wochen dauern. Lord Dinorben ist an des verstorbenen Sir W. W. Wynn Stelle, zum Milizadjutanten der Königin ernannt. Am 22 Jan. Nachmittags ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten. Lord J. Russell hat einen Katholiken, Lord Edward Howard, Sohn des Herzogs von Norfolk, zu seinem Privatsecretär ernannt. Wie gestern kurz erwähnt, ward auch die lange Unterhaussitzung vom 21, mit Ausschluß der den Prinzen Albert betreffenden Frage, wieder ganz mit der Discussion über die parlamentarische Privilegiumsangelegenheit ausgefüllt. Bemerkenswerth ist, daß die Toryjournale ohne Ausnahme Partei für Stockdale und die Queensbench gegen das „tyrannische, der Unabhängigkeit der Gerichte und der Bill of Rights zu nahe tretende Ansinnen“ des Hauses der Gemeinen nehmen, während Sir R. Peel, der Leiter der Tories in diesem Haus, entschieden auf der Seite der Minister und des parlamentarischen Privilegiums steht. Der torystische Rechtsgelehrte Hr. Kelly – derselbe, der sich in Monmouth neben Sir F. Pollock als Vertheidiger Frosts auszeichnete – motivirte, indem er eine Petition der beiden in den Fall verwickelten Sheriffs von Middlesex, John Weelton und William Evans Esqs. überreichte, die Motion, diese beiden Beamten vor die Schranken zu rufen und sie alsbald frei zu lassen. Lord J. Russell beharrte, diesem Vorschlag gegenüber, auf seinem ursprünglichen Antrag, die Sheriffs (wegen Theilnahme an der Verletzung des Privilegiums des Hauses, und bis sie die Summe von 640 Pf., wegen deren sie Hrn. Hansard gepfändet, an diesen zurückerstattet haben würden) dem Gewahrsam des Stabträgers des Hauses zu überantworten. Sir Francis Burdett, der, den Erfahrungen seiner Jugend zufolge, eigentlich kein Freund der Queensbench seyn sollte, in deren Gefängniß ihn damals sein Eifer für die Parlamentsreform geführt, zeigte sich als consequenten Tory. Das Haus der Gemeinen, behauptete er, sey im Begriff, sich dieselbe Gewalt anzumaßen, deren Ausübung mit dem Tode Karls I geendet. Wenn der Attorney-General das jetzt angesprochene Privilegium aus der Bill of Rights folgere, so könne er sich über eine solche Auslegung nur verwundern, denn, so viel er wisse, gewähre dieselbe nur Redefreiheit und persönliche Exemtion der Parlamentsmitglieder von Gefängniß. Sehr schön sage der Poet: „Es ist herrlich. Des Riesen Kraft besitzen, doch tyrannisch Ist's wie ein Riese sie gebrauchen.“ – Das Haus scheine Danton, den Helden der ersten französischen Revolution nachahmen zu wollen, dessen Wahlspruch gewesen: „L'audace, encore l'audace, et toujours l'audace.“ Mit einer kleinen Abschweifung kam dann Sir Francis auf O'Connell und dessen „revolutionäre Agitation“ zu sprechen, wobei das ehrenwerthe und gelehrte Mitglied für Dublin ein anderes Motto als Danton sich gewählt habe, nämlich dieß: „Stecke Geld in deine Tasche.“ Hr. O'Connell erwiederte, er merke wohl, daß das weiland radicale Mitglied für Westminster auf ihn stichle. Vor nicht sehr langer Zeit habe der Hr. Baronet ihn einmal gelobt; wenn der Hr. Baronet ihm verspreche, ihn nicht mehr zu loben, so wolle er ihm seine jetzige Stichelrede, und jede künftige im voraus von Herzen gern verzeihen. Man schritt zur Abstimmung, und Hrn. Kelly's Motion wurde mit 210 gegen 99 Stimmen verworfen, der Antrag auf Committirung der Sheriffs aber mit 195 gegen 94 Stimmen angenommen. Die beiden Sheriffs sind nun in der That in einer fatalen Lage, denn sie sitzen zwischen zwei Stühlen. An demselben Tage nämlich (21), wo das Unterhaus obigen Beschluß gegen sie faßte, sprach die Queensbench, unter Vorsitz des Oberrichters Lord Denman, den definitiven Bescheid – „the rule absolute,“ wie es in der Gerichtssprache heißt – aus, daß die Sheriffs das aus der Pfändung Hansards erlöste Geld an Stockdale oder dessen Mandatare zu übermachen haben. Also das Unterhaus befiehlt, sie sollen es an Hansard zurück-, die königliche Bank, sie sollen es an Stockdale herauszahlen, und werden sie aus dem Parlamentsgefängniß, wo sie wegen „high contempt“ des Unterhauses sitzen, entlassen, so kann es ihnen begegnen, daß sie dann wegen „high contempt“ der

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840, S. 0233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_030_18400130/1>, abgerufen am 29.03.2024.