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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

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Einleitung.
§. 18.

Alsdenn gehe man das Capitel von den Manieren
fleißig durch und übe solche, damit sie in gehöriger Fertigkeit
geschickt heraus gebracht werden können; und da dieses eine Auf-
gabe ist, woran man beynahe Zeit Lebens lernen kan, indem
diese Manieren zum Theil mehr Fertigkeit und Geschwindigkeit
erfordern als alle Passagien, so halte man den Scholaren damit
nicht länger auf, als bis man wegen dieses Punckts mit seiner
natürlichen Fähigkeit und Jahren zur Noth zufrieden seyn kan.

§. 19.

Man gehe sogleich an die Probe-Stücke, man lehre
sie erstlich ohne Manieren, welche besonders zu üben sind, um
hernach mit denenselben nach denen Regeln, welche in dem Ca-
pitel von dem guten Vortrage abgehandelt sind, zu spielen. Die-
ses muß im Anfange auf dem Clavicorde allein geschehen, her-
nach kan man mit dem Flügel abwechseln.

§. 20.

Einen grossen Nutzen und Erleichterung in die gantze
Spiel-Art wird derjenige spüren, welcher zu gleicher Zeit Gele-
genheit hat, die Singe-Kunst zu lernen, und gute Sänger fleißig
zu hören.

§. 21.

Damit man die Tasten auswendig finden lerne und
das nöthige Noten-Lesen nicht beschwerlich falle, wird man wohl
thun, wenn man das Gelernte fleißig auswendig im Finstern
spielet.

§. 22.

Da ich bey Bezeichnung der Probe-Stücke alles
nöthige beygefüget habe, und ich solche zu vielen mahlen mit
der grösten Achtsamkeit durchgespielet, damit mir auch nicht die
geringste Kleinigkeit entwischen möchte, so glaube ich, daß, wenn
man alles in acht nimmt, hierdurch die Geschicklichkeit der Hände
sowohl als der Geschmack hinlänglich gebildet werden kan, an-
dere und schwerere Sachen zu erlernen.

§. 23.

Jch habe zu Vermeidung aller Zweydeutigkeit die
Triolen ohne 3, das Abstossen der Noten ohne Striche mit blos-

sen
B 2
Einleitung.
§. 18.

Alsdenn gehe man das Capitel von den Manieren
fleißig durch und uͤbe ſolche, damit ſie in gehoͤriger Fertigkeit
geſchickt heraus gebracht werden koͤnnen; und da dieſes eine Auf-
gabe iſt, woran man beynahe Zeit Lebens lernen kan, indem
dieſe Manieren zum Theil mehr Fertigkeit und Geſchwindigkeit
erfordern als alle Paſſagien, ſo halte man den Scholaren damit
nicht laͤnger auf, als bis man wegen dieſes Punckts mit ſeiner
natuͤrlichen Faͤhigkeit und Jahren zur Noth zufrieden ſeyn kan.

§. 19.

Man gehe ſogleich an die Probe-Stuͤcke, man lehre
ſie erſtlich ohne Manieren, welche beſonders zu uͤben ſind, um
hernach mit denenſelben nach denen Regeln, welche in dem Ca-
pitel von dem guten Vortrage abgehandelt ſind, zu ſpielen. Die-
ſes muß im Anfange auf dem Clavicorde allein geſchehen, her-
nach kan man mit dem Fluͤgel abwechſeln.

§. 20.

Einen groſſen Nutzen und Erleichterung in die gantze
Spiel-Art wird derjenige ſpuͤren, welcher zu gleicher Zeit Gele-
genheit hat, die Singe-Kunſt zu lernen, und gute Saͤnger fleißig
zu hoͤren.

§. 21.

Damit man die Taſten auswendig finden lerne und
das noͤthige Noten-Leſen nicht beſchwerlich falle, wird man wohl
thun, wenn man das Gelernte fleißig auswendig im Finſtern
ſpielet.

§. 22.

Da ich bey Bezeichnung der Probe-Stuͤcke alles
noͤthige beygefuͤget habe, und ich ſolche zu vielen mahlen mit
der groͤſten Achtſamkeit durchgeſpielet, damit mir auch nicht die
geringſte Kleinigkeit entwiſchen moͤchte, ſo glaube ich, daß, wenn
man alles in acht nimmt, hierdurch die Geſchicklichkeit der Haͤnde
ſowohl als der Geſchmack hinlaͤnglich gebildet werden kan, an-
dere und ſchwerere Sachen zu erlernen.

§. 23.

Jch habe zu Vermeidung aller Zweydeutigkeit die
Triolen ohne 3, das Abſtoſſen der Noten ohne Striche mit bloſ-

ſen
B 2
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[11/0019] Einleitung. §. 18. Alsdenn gehe man das Capitel von den Manieren fleißig durch und uͤbe ſolche, damit ſie in gehoͤriger Fertigkeit geſchickt heraus gebracht werden koͤnnen; und da dieſes eine Auf- gabe iſt, woran man beynahe Zeit Lebens lernen kan, indem dieſe Manieren zum Theil mehr Fertigkeit und Geſchwindigkeit erfordern als alle Paſſagien, ſo halte man den Scholaren damit nicht laͤnger auf, als bis man wegen dieſes Punckts mit ſeiner natuͤrlichen Faͤhigkeit und Jahren zur Noth zufrieden ſeyn kan. §. 19. Man gehe ſogleich an die Probe-Stuͤcke, man lehre ſie erſtlich ohne Manieren, welche beſonders zu uͤben ſind, um hernach mit denenſelben nach denen Regeln, welche in dem Ca- pitel von dem guten Vortrage abgehandelt ſind, zu ſpielen. Die- ſes muß im Anfange auf dem Clavicorde allein geſchehen, her- nach kan man mit dem Fluͤgel abwechſeln. §. 20. Einen groſſen Nutzen und Erleichterung in die gantze Spiel-Art wird derjenige ſpuͤren, welcher zu gleicher Zeit Gele- genheit hat, die Singe-Kunſt zu lernen, und gute Saͤnger fleißig zu hoͤren. §. 21. Damit man die Taſten auswendig finden lerne und das noͤthige Noten-Leſen nicht beſchwerlich falle, wird man wohl thun, wenn man das Gelernte fleißig auswendig im Finſtern ſpielet. §. 22. Da ich bey Bezeichnung der Probe-Stuͤcke alles noͤthige beygefuͤget habe, und ich ſolche zu vielen mahlen mit der groͤſten Achtſamkeit durchgeſpielet, damit mir auch nicht die geringſte Kleinigkeit entwiſchen moͤchte, ſo glaube ich, daß, wenn man alles in acht nimmt, hierdurch die Geſchicklichkeit der Haͤnde ſowohl als der Geſchmack hinlaͤnglich gebildet werden kan, an- dere und ſchwerere Sachen zu erlernen. §. 23. Jch habe zu Vermeidung aller Zweydeutigkeit die Triolen ohne 3, das Abſtoſſen der Noten ohne Striche mit bloſ- ſen B 2

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/19>, abgerufen am 18.04.2024.