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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

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Das zweyte Hauptstück, fünfte Abtheilung.
Tab. VI.
§. 13.

Da wir gesehen haben, daß der Mordent, zumahl
wenn er lang ist, bey lang auszuhaltenden Noten zur Ausfül-
lung
gebraucht wird; so kan er auch nach einem Triller in die-
sem Falle vorkommen; man muß ihn aber durch die Theilung
der langen Note von dem Triller absondern. Ausser dieser Vor-
sicht würde es unrecht seyn, unmittelbar nach dem Triller den
Mordenten anzubringen, weil man niemahls die Manieren
hinter einander häufen soll.
Nach der bey Fig. LXXVII.
abgebildeten Ausführung eines Exempels ist also beyden Anmer-
ckungen ihr Recht wiederfahren. Die Währung des Mordenten
richtet sich nach dem Tempo, welches allerdings nicht geschwinde
seyn darf, weil man sonst dieses Hülfs-Mittel nicht nöthig hat.

§. 14.

Bey dieser Gelegenheit kan man anmercken, daß
der Mordent und der Prall-Triller zwey entgegengesetzte Manieren
sind. Der letzte kan nur auf eine Art, nehmlich bey einer fal-
lenden Secunde angebracht werden, wo gar niemahls ein Mor-
dent statt hat. Das eintzige haben sie mit einander gemein, daß
sie beyderseits in die Secunde hineinschleifen, der Mordent im
hinaufsteigen, und der Prall-Triller im heruntergehen. Bey Fig.
LXXVIII. sehen wir diesen Fall deutlich vorgestellt.

§. 15.

Bey Gelegenheit des Mordenten muß ich einer will-
kührlichen Manier Erwehnung thun, welche wir zuweilen in lang-
samen Stücken im Anfange, und vor Fermaten oder Pausen,
besonders von den Sängern hören. Die simpeln Noten, wo diese
Manier statt hat, sammt ihrer Ausführung finden wir unter Fig.
LXXIX. Da diese letztere den Noten eines Mordenten vollkom-
men ähnlich ist, und der Fall, wo man sie trift, einen Morden-
ten leidet, nur daß er nach dem gewöhnlichen Vortrage zu bald
vorbey gehen dürfte, so kan man diese Manier für einen langsamen
Mordenten ansehen, welcher ausser diesem Falle verwerflich ist.

Sechste
Das zweyte Hauptſtuͤck, fuͤnfte Abtheilung.
Tab. VI.
§. 13.

Da wir geſehen haben, daß der Mordent, zumahl
wenn er lang iſt, bey lang auszuhaltenden Noten zur Ausfuͤl-
lung
gebraucht wird; ſo kan er auch nach einem Triller in die-
ſem Falle vorkommen; man muß ihn aber durch die Theilung
der langen Note von dem Triller abſondern. Auſſer dieſer Vor-
ſicht wuͤrde es unrecht ſeyn, unmittelbar nach dem Triller den
Mordenten anzubringen, weil man niemahls die Manieren
hinter einander haͤufen ſoll.
Nach der bey Fig. LXXVII.
abgebildeten Ausfuͤhrung eines Exempels iſt alſo beyden Anmer-
ckungen ihr Recht wiederfahren. Die Waͤhrung des Mordenten
richtet ſich nach dem Tempo, welches allerdings nicht geſchwinde
ſeyn darf, weil man ſonſt dieſes Huͤlfs-Mittel nicht noͤthig hat.

§. 14.

Bey dieſer Gelegenheit kan man anmercken, daß
der Mordent und der Prall-Triller zwey entgegengeſetzte Manieren
ſind. Der letzte kan nur auf eine Art, nehmlich bey einer fal-
lenden Secunde angebracht werden, wo gar niemahls ein Mor-
dent ſtatt hat. Das eintzige haben ſie mit einander gemein, daß
ſie beyderſeits in die Secunde hineinſchleifen, der Mordent im
hinaufſteigen, und der Prall-Triller im heruntergehen. Bey Fig.
LXXVIII. ſehen wir dieſen Fall deutlich vorgeſtellt.

§. 15.

Bey Gelegenheit des Mordenten muß ich einer will-
kuͤhrlichen Manier Erwehnung thun, welche wir zuweilen in lang-
ſamen Stuͤcken im Anfange, und vor Fermaten oder Pauſen,
beſonders von den Saͤngern hoͤren. Die ſimpeln Noten, wo dieſe
Manier ſtatt hat, ſammt ihrer Ausfuͤhrung finden wir unter Fig.
LXXIX. Da dieſe letztere den Noten eines Mordenten vollkom-
men aͤhnlich iſt, und der Fall, wo man ſie trift, einen Morden-
ten leidet, nur daß er nach dem gewoͤhnlichen Vortrage zu bald
vorbey gehen duͤrfte, ſo kan man dieſe Manier fuͤr einen langſamen
Mordenten anſehen, welcher auſſer dieſem Falle verwerflich iſt.

Sechſte
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[90/0098] Das zweyte Hauptſtuͤck, fuͤnfte Abtheilung. §. 13. Da wir geſehen haben, daß der Mordent, zumahl wenn er lang iſt, bey lang auszuhaltenden Noten zur Ausfuͤl- lung gebraucht wird; ſo kan er auch nach einem Triller in die- ſem Falle vorkommen; man muß ihn aber durch die Theilung der langen Note von dem Triller abſondern. Auſſer dieſer Vor- ſicht wuͤrde es unrecht ſeyn, unmittelbar nach dem Triller den Mordenten anzubringen, weil man niemahls die Manieren hinter einander haͤufen ſoll. Nach der bey Fig. LXXVII. abgebildeten Ausfuͤhrung eines Exempels iſt alſo beyden Anmer- ckungen ihr Recht wiederfahren. Die Waͤhrung des Mordenten richtet ſich nach dem Tempo, welches allerdings nicht geſchwinde ſeyn darf, weil man ſonſt dieſes Huͤlfs-Mittel nicht noͤthig hat. §. 14. Bey dieſer Gelegenheit kan man anmercken, daß der Mordent und der Prall-Triller zwey entgegengeſetzte Manieren ſind. Der letzte kan nur auf eine Art, nehmlich bey einer fal- lenden Secunde angebracht werden, wo gar niemahls ein Mor- dent ſtatt hat. Das eintzige haben ſie mit einander gemein, daß ſie beyderſeits in die Secunde hineinſchleifen, der Mordent im hinaufſteigen, und der Prall-Triller im heruntergehen. Bey Fig. LXXVIII. ſehen wir dieſen Fall deutlich vorgeſtellt. §. 15. Bey Gelegenheit des Mordenten muß ich einer will- kuͤhrlichen Manier Erwehnung thun, welche wir zuweilen in lang- ſamen Stuͤcken im Anfange, und vor Fermaten oder Pauſen, beſonders von den Saͤngern hoͤren. Die ſimpeln Noten, wo dieſe Manier ſtatt hat, ſammt ihrer Ausfuͤhrung finden wir unter Fig. LXXIX. Da dieſe letztere den Noten eines Mordenten vollkom- men aͤhnlich iſt, und der Fall, wo man ſie trift, einen Morden- ten leidet, nur daß er nach dem gewoͤhnlichen Vortrage zu bald vorbey gehen duͤrfte, ſo kan man dieſe Manier fuͤr einen langſamen Mordenten anſehen, welcher auſſer dieſem Falle verwerflich iſt. Sechſte

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/98>, abgerufen am 24.04.2024.