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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

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Von der Finger-Setzung.
erhält, indem sie sich allezeit biegen müssen, wenn der Daumen
sich bald bey diesem bald jenem Finger eindringt. Was man
ohne ihn mit steiffen und gestreckten Nerven bespringen muste,
das spielt man durch seine Hülfe anjetzo rund, deutlich, mit
gantz natürlichen Spannungen, folglich leichte.

§. 14.

Es verstehet sich von selbst, daß bey Sprüngen
und weiten Spannungen diese Schlappigkeit der Nerven und das
Gebogene der Finger nicht beybehalten werden kan; selbst das
Schnellen erfordert bisweilen auf einen Augenblick eine Steiffe.
Weil dieses aber die seltnesten Vorfälle sind, und welche die Na-
tur von selbst lehret, so bleibt es in übrigen bey der im zwölf-
ten §. gemeldeten Vorschrift. Man gewöhne besonders die noch
nicht ausgewachsenen Hände der Kinder, daß sie, anstatt des
Hin- und Her-Springens mit der gantzen Hand, wobey wohl
noch oft dazu die Finger auf einen Klumpen zusammen gezogen
sind, die Hände im nöthigen Falle so viel möglich ausdehnen. Hier-
durch werden sie die Tasten leichter und gewisser treffen lernen,
und die Hände nicht leichte aus ihrer ordentlichen und über
der Tastatur horizontal-schwebenden Lage bringen, welche bey
Sprüngen gerne bald auf diese bald auf jene Seite sich zu ver-
drehen pflegen.

§. 15.

Man stosse sich nicht daran, wenn manchmahl ein
besonderer Gedancke den Lehrmeister nöthiget, solchen selbst zu
probieren, um dessen beste Finger-Setzung mit aller Gewißheit
seinen Schülern zu weisen. Es können zuweilen zweifelhafte Fälle
vorkommen, die man auch beym ersten Anblick mit den rechten
Fingern spielen wird, ohngeachtet es Bedencklichkeiten setzen würde,
solche Finger einem andern vorzusagen. Beym Unterweisen hat
man selten mehr als ein Jnstrument, damit der Lehrmeister zugleich
mitspielen könne. Wir sehen hieraus erstlich, daß ohngeachtet

der
C

Von der Finger-Setzung.
erhaͤlt, indem ſie ſich allezeit biegen muͤſſen, wenn der Daumen
ſich bald bey dieſem bald jenem Finger eindringt. Was man
ohne ihn mit ſteiffen und geſtreckten Nerven beſpringen muſte,
das ſpielt man durch ſeine Huͤlfe anjetzo rund, deutlich, mit
gantz natuͤrlichen Spannungen, folglich leichte.

§. 14.

Es verſtehet ſich von ſelbſt, daß bey Spruͤngen
und weiten Spannungen dieſe Schlappigkeit der Nerven und das
Gebogene der Finger nicht beybehalten werden kan; ſelbſt das
Schnellen erfordert bisweilen auf einen Augenblick eine Steiffe.
Weil dieſes aber die ſeltneſten Vorfaͤlle ſind, und welche die Na-
tur von ſelbſt lehret, ſo bleibt es in uͤbrigen bey der im zwoͤlf-
ten §. gemeldeten Vorſchrift. Man gewoͤhne beſonders die noch
nicht ausgewachſenen Haͤnde der Kinder, daß ſie, anſtatt des
Hin- und Her-Springens mit der gantzen Hand, wobey wohl
noch oft dazu die Finger auf einen Klumpen zuſammen gezogen
ſind, die Haͤnde im noͤthigen Falle ſo viel moͤglich ausdehnen. Hier-
durch werden ſie die Taſten leichter und gewiſſer treffen lernen,
und die Haͤnde nicht leichte aus ihrer ordentlichen und uͤber
der Taſtatur horizontal-ſchwebenden Lage bringen, welche bey
Spruͤngen gerne bald auf dieſe bald auf jene Seite ſich zu ver-
drehen pflegen.

§. 15.

Man ſtoſſe ſich nicht daran, wenn manchmahl ein
beſonderer Gedancke den Lehrmeiſter noͤthiget, ſolchen ſelbſt zu
probieren, um deſſen beſte Finger-Setzung mit aller Gewißheit
ſeinen Schuͤlern zu weiſen. Es koͤnnen zuweilen zweifelhafte Faͤlle
vorkommen, die man auch beym erſten Anblick mit den rechten
Fingern ſpielen wird, ohngeachtet es Bedencklichkeiten ſetzen wuͤrde,
ſolche Finger einem andern vorzuſagen. Beym Unterweiſen hat
man ſelten mehr als ein Jnſtrument, damit der Lehrmeiſter zugleich
mitſpielen koͤnne. Wir ſehen hieraus erſtlich, daß ohngeachtet

der
C
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[17/0025] Von der Finger-Setzung. erhaͤlt, indem ſie ſich allezeit biegen muͤſſen, wenn der Daumen ſich bald bey dieſem bald jenem Finger eindringt. Was man ohne ihn mit ſteiffen und geſtreckten Nerven beſpringen muſte, das ſpielt man durch ſeine Huͤlfe anjetzo rund, deutlich, mit gantz natuͤrlichen Spannungen, folglich leichte. §. 14. Es verſtehet ſich von ſelbſt, daß bey Spruͤngen und weiten Spannungen dieſe Schlappigkeit der Nerven und das Gebogene der Finger nicht beybehalten werden kan; ſelbſt das Schnellen erfordert bisweilen auf einen Augenblick eine Steiffe. Weil dieſes aber die ſeltneſten Vorfaͤlle ſind, und welche die Na- tur von ſelbſt lehret, ſo bleibt es in uͤbrigen bey der im zwoͤlf- ten §. gemeldeten Vorſchrift. Man gewoͤhne beſonders die noch nicht ausgewachſenen Haͤnde der Kinder, daß ſie, anſtatt des Hin- und Her-Springens mit der gantzen Hand, wobey wohl noch oft dazu die Finger auf einen Klumpen zuſammen gezogen ſind, die Haͤnde im noͤthigen Falle ſo viel moͤglich ausdehnen. Hier- durch werden ſie die Taſten leichter und gewiſſer treffen lernen, und die Haͤnde nicht leichte aus ihrer ordentlichen und uͤber der Taſtatur horizontal-ſchwebenden Lage bringen, welche bey Spruͤngen gerne bald auf dieſe bald auf jene Seite ſich zu ver- drehen pflegen. §. 15. Man ſtoſſe ſich nicht daran, wenn manchmahl ein beſonderer Gedancke den Lehrmeiſter noͤthiget, ſolchen ſelbſt zu probieren, um deſſen beſte Finger-Setzung mit aller Gewißheit ſeinen Schuͤlern zu weiſen. Es koͤnnen zuweilen zweifelhafte Faͤlle vorkommen, die man auch beym erſten Anblick mit den rechten Fingern ſpielen wird, ohngeachtet es Bedencklichkeiten ſetzen wuͤrde, ſolche Finger einem andern vorzuſagen. Beym Unterweiſen hat man ſelten mehr als ein Jnſtrument, damit der Lehrmeiſter zugleich mitſpielen koͤnne. Wir ſehen hieraus erſtlich, daß ohngeachtet der C

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/25>, abgerufen am 29.03.2024.