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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

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Das erste Hauptstück.
seinen ordentlichen Platz sich von selbst eindringen lernt. Diese
letztern behalten den Nahmen der schweren nur aus der Ursache
bey, weil entweder gar nicht, oder selten aus selbigen gespielt und
gesetzt wird. Hierdurch bleibt ihre Schreib-Art so wohl als die
Lage ihrer Tasten allezeit fremde. Durch die wahre Lehre und
Anwendung der Finger-Ordnung werden uns also diese schwere
Ton-Arten eben so leichte, als groß die Schwierigkeit war, auf
eine falsche Art, besonders ohne Daumen oder den rechten Ge-
brauch desselben in solchen fort zu kommen. Einer der grösten
Vorzüge des Claviers, vermöge dessen man mit besonderer Leich-
tigkeit aus allen vier- und zwantzig Ton-Arten spielen kan, ist
also durch die Unwissenheit der rechten Applicatur verborgen ge-
blieben.

§. 64.

Das Untersetzen und Ueberschlagen als die Haupt-
Hülfs-Mittel in der Abwechselung der Finger müssen so gebraucht
werden, daß alle Töne dadurch gut zusammen gehänget werden
können. Deßwegen ist in den Ton-Arten mit keinen oder weni-
gen Versetzungs-Zeichen bey gewissen Fällen das Ueberschlagen
des dritten Fingers über den vierten und des zweyten über den
Daumen besser und nützlicher, um alles mögliche Absetzen zu ver-
meiden, als der übrige Gebrauch des Ueberschlagens und das
Untersetzen des Daumens, weil selbiger bey vorkommenden halben
Tönen mehr Platz und folglich auch mehr Bequemlichkeit hat,
unter die andern Finger durchzukriechen, als bey einer Folge von
lauter unten liegenden Tasten. Bey den Ton-Arten ohne Ver-
setzungs-Zeichen geschiehet dieses Ueberschlagen ohne Gefahr des
Stolperns hinter einander; bey den andern aber muß man wegen
der halben Töne mehr Behutsamkeit brauchen.

§ 65.

Nach diesen Scalen und nach dem in selbigen be-
findlichen Gebrauch der beyden Hülfsmittel werden alle einstim-

mige

Das erſte Hauptſtuͤck.
ſeinen ordentlichen Platz ſich von ſelbſt eindringen lernt. Dieſe
letztern behalten den Nahmen der ſchweren nur aus der Urſache
bey, weil entweder gar nicht, oder ſelten aus ſelbigen geſpielt und
geſetzt wird. Hierdurch bleibt ihre Schreib-Art ſo wohl als die
Lage ihrer Taſten allezeit fremde. Durch die wahre Lehre und
Anwendung der Finger-Ordnung werden uns alſo dieſe ſchwere
Ton-Arten eben ſo leichte, als groß die Schwierigkeit war, auf
eine falſche Art, beſonders ohne Daumen oder den rechten Ge-
brauch deſſelben in ſolchen fort zu kommen. Einer der groͤſten
Vorzuͤge des Claviers, vermoͤge deſſen man mit beſonderer Leich-
tigkeit aus allen vier- und zwantzig Ton-Arten ſpielen kan, iſt
alſo durch die Unwiſſenheit der rechten Applicatur verborgen ge-
blieben.

§. 64.

Das Unterſetzen und Ueberſchlagen als die Haupt-
Huͤlfs-Mittel in der Abwechſelung der Finger muͤſſen ſo gebraucht
werden, daß alle Toͤne dadurch gut zuſammen gehaͤnget werden
koͤnnen. Deßwegen iſt in den Ton-Arten mit keinen oder weni-
gen Verſetzungs-Zeichen bey gewiſſen Faͤllen das Ueberſchlagen
des dritten Fingers uͤber den vierten und des zweyten uͤber den
Daumen beſſer und nuͤtzlicher, um alles moͤgliche Abſetzen zu ver-
meiden, als der uͤbrige Gebrauch des Ueberſchlagens und das
Unterſetzen des Daumens, weil ſelbiger bey vorkommenden halben
Toͤnen mehr Platz und folglich auch mehr Bequemlichkeit hat,
unter die andern Finger durchzukriechen, als bey einer Folge von
lauter unten liegenden Taſten. Bey den Ton-Arten ohne Ver-
ſetzungs-Zeichen geſchiehet dieſes Ueberſchlagen ohne Gefahr des
Stolperns hinter einander; bey den andern aber muß man wegen
der halben Toͤne mehr Behutſamkeit brauchen.

§ 65.

Nach dieſen Scalen und nach dem in ſelbigen be-
findlichen Gebrauch der beyden Huͤlfsmittel werden alle einſtim-

mige
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[30/0038] Das erſte Hauptſtuͤck. ſeinen ordentlichen Platz ſich von ſelbſt eindringen lernt. Dieſe letztern behalten den Nahmen der ſchweren nur aus der Urſache bey, weil entweder gar nicht, oder ſelten aus ſelbigen geſpielt und geſetzt wird. Hierdurch bleibt ihre Schreib-Art ſo wohl als die Lage ihrer Taſten allezeit fremde. Durch die wahre Lehre und Anwendung der Finger-Ordnung werden uns alſo dieſe ſchwere Ton-Arten eben ſo leichte, als groß die Schwierigkeit war, auf eine falſche Art, beſonders ohne Daumen oder den rechten Ge- brauch deſſelben in ſolchen fort zu kommen. Einer der groͤſten Vorzuͤge des Claviers, vermoͤge deſſen man mit beſonderer Leich- tigkeit aus allen vier- und zwantzig Ton-Arten ſpielen kan, iſt alſo durch die Unwiſſenheit der rechten Applicatur verborgen ge- blieben. §. 64. Das Unterſetzen und Ueberſchlagen als die Haupt- Huͤlfs-Mittel in der Abwechſelung der Finger muͤſſen ſo gebraucht werden, daß alle Toͤne dadurch gut zuſammen gehaͤnget werden koͤnnen. Deßwegen iſt in den Ton-Arten mit keinen oder weni- gen Verſetzungs-Zeichen bey gewiſſen Faͤllen das Ueberſchlagen des dritten Fingers uͤber den vierten und des zweyten uͤber den Daumen beſſer und nuͤtzlicher, um alles moͤgliche Abſetzen zu ver- meiden, als der uͤbrige Gebrauch des Ueberſchlagens und das Unterſetzen des Daumens, weil ſelbiger bey vorkommenden halben Toͤnen mehr Platz und folglich auch mehr Bequemlichkeit hat, unter die andern Finger durchzukriechen, als bey einer Folge von lauter unten liegenden Taſten. Bey den Ton-Arten ohne Ver- ſetzungs-Zeichen geſchiehet dieſes Ueberſchlagen ohne Gefahr des Stolperns hinter einander; bey den andern aber muß man wegen der halben Toͤne mehr Behutſamkeit brauchen. § 65. Nach dieſen Scalen und nach dem in ſelbigen be- findlichen Gebrauch der beyden Huͤlfsmittel werden alle einſtim- mige

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/38>, abgerufen am 28.03.2024.