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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

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Von der Finger-Setzung.
§. 87.

Eine der nöthigsten Freyheiten in der Applicatur ist
das Auslassen gewisser Finger wegen der Folge. Die unter Fig.
LIX. befindlichen Exempel zeigen dieses deutlich, unter welchen
das mit (*) auf Tab. III. bezeichnete beweiset, daß dieses Auslas-Tab. III.
sen natürlicher sey, als die bey (*) (*) befindlichen Spannungen.
Jn den Bässen kömmt diese Nothwendigkeit besonders oft vor.
Die natürliche Biegsamkeit des Daumens macht das bey (1) be-
findliche Exempel, allwo drey Finger ausgelassen werden, beque-
mer, als das bey (2), wo nur zwey Finger wegbleiben.

§. 88.

Wenn in den Probe-Stücken zwey Ziffern neben
einander über eine Note vorkommen, so wird der eingesetzte Fin-
ger, welchen die erste Ziffer anweiset, nicht eher aufgehoben, als
bis der andere da ist, weil diese mit zwey Ziffern bezeichnete Note
nur einmahl angeschlagen werden darf, es sey denn, daß eine
darüber befindliche Manier, diese Note mehr als einmahl zum Ge-
hör bringet. Die Folge so wohl Tab. III. Fig. LX. (a) als die
Ausübung einiger Manieren machen dieses Einsetzen zweyer Fin-
ger hinter einander oft nöthig; dann und wann ist auch eine
Aushaltung daran Schuld (b). Die Biegsamkeit des Daumens
ist zu diesem Ablösen vorzüglich geschickt. Da dieses Hülfs-Mit-
tel so gar leicht nicht ist, geschickt zu gebrauchen, so hat es von
Rechts wegen nur bey einer wenigstens etwas langen Note und
im Falle der Noth statt. Diese Vorsicht mercke man bey allen
ausserordentlichen Hülfs-Mitteln, welche theils von Natur theils
wegen ihrer Seltenheit schwer sind und auch bleiben. Man er-
laube solche seinen Schülern nicht eher, als bis entweder gar
keine andere Möglichkeit mehr da ist, oder man müste eine noch
grössere Unbequemlichkeit sich gefallen lassen. Aus dieser Ursache
braucht Couperin, so gründlich derselbe sonsten ist, zu oft und
ohne Noth dieses Ablösen eines schon eingesetzten Fingers. Ohne

Zwei-
Von der Finger-Setzung.
§. 87.

Eine der noͤthigſten Freyheiten in der Applicatur iſt
das Auslaſſen gewiſſer Finger wegen der Folge. Die unter Fig.
LIX. befindlichen Exempel zeigen dieſes deutlich, unter welchen
das mit (*) auf Tab. III. bezeichnete beweiſet, daß dieſes Auslaſ-Tab. III.
ſen natuͤrlicher ſey, als die bey (*) (*) befindlichen Spannungen.
Jn den Baͤſſen koͤmmt dieſe Nothwendigkeit beſonders oft vor.
Die natuͤrliche Biegſamkeit des Daumens macht das bey (1) be-
findliche Exempel, allwo drey Finger ausgelaſſen werden, beque-
mer, als das bey (2), wo nur zwey Finger wegbleiben.

§. 88.

Wenn in den Probe-Stuͤcken zwey Ziffern neben
einander uͤber eine Note vorkommen, ſo wird der eingeſetzte Fin-
ger, welchen die erſte Ziffer anweiſet, nicht eher aufgehoben, als
bis der andere da iſt, weil dieſe mit zwey Ziffern bezeichnete Note
nur einmahl angeſchlagen werden darf, es ſey denn, daß eine
daruͤber befindliche Manier, dieſe Note mehr als einmahl zum Ge-
hoͤr bringet. Die Folge ſo wohl Tab. III. Fig. LX. (a) als die
Ausuͤbung einiger Manieren machen dieſes Einſetzen zweyer Fin-
ger hinter einander oft noͤthig; dann und wann iſt auch eine
Aushaltung daran Schuld (b). Die Biegſamkeit des Daumens
iſt zu dieſem Abloͤſen vorzuͤglich geſchickt. Da dieſes Huͤlfs-Mit-
tel ſo gar leicht nicht iſt, geſchickt zu gebrauchen, ſo hat es von
Rechts wegen nur bey einer wenigſtens etwas langen Note und
im Falle der Noth ſtatt. Dieſe Vorſicht mercke man bey allen
auſſerordentlichen Huͤlfs-Mitteln, welche theils von Natur theils
wegen ihrer Seltenheit ſchwer ſind und auch bleiben. Man er-
laube ſolche ſeinen Schuͤlern nicht eher, als bis entweder gar
keine andere Moͤglichkeit mehr da iſt, oder man muͤſte eine noch
groͤſſere Unbequemlichkeit ſich gefallen laſſen. Aus dieſer Urſache
braucht Couperin, ſo gruͤndlich derſelbe ſonſten iſt, zu oft und
ohne Noth dieſes Abloͤſen eines ſchon eingeſetzten Fingers. Ohne

Zwei-
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[39/0047] Von der Finger-Setzung. §. 87. Eine der noͤthigſten Freyheiten in der Applicatur iſt das Auslaſſen gewiſſer Finger wegen der Folge. Die unter Fig. LIX. befindlichen Exempel zeigen dieſes deutlich, unter welchen das mit (*) auf Tab. III. bezeichnete beweiſet, daß dieſes Auslaſ- ſen natuͤrlicher ſey, als die bey (*) (*) befindlichen Spannungen. Jn den Baͤſſen koͤmmt dieſe Nothwendigkeit beſonders oft vor. Die natuͤrliche Biegſamkeit des Daumens macht das bey (1) be- findliche Exempel, allwo drey Finger ausgelaſſen werden, beque- mer, als das bey (2), wo nur zwey Finger wegbleiben. Tab. III. §. 88. Wenn in den Probe-Stuͤcken zwey Ziffern neben einander uͤber eine Note vorkommen, ſo wird der eingeſetzte Fin- ger, welchen die erſte Ziffer anweiſet, nicht eher aufgehoben, als bis der andere da iſt, weil dieſe mit zwey Ziffern bezeichnete Note nur einmahl angeſchlagen werden darf, es ſey denn, daß eine daruͤber befindliche Manier, dieſe Note mehr als einmahl zum Ge- hoͤr bringet. Die Folge ſo wohl Tab. III. Fig. LX. (a) als die Ausuͤbung einiger Manieren machen dieſes Einſetzen zweyer Fin- ger hinter einander oft noͤthig; dann und wann iſt auch eine Aushaltung daran Schuld (b). Die Biegſamkeit des Daumens iſt zu dieſem Abloͤſen vorzuͤglich geſchickt. Da dieſes Huͤlfs-Mit- tel ſo gar leicht nicht iſt, geſchickt zu gebrauchen, ſo hat es von Rechts wegen nur bey einer wenigſtens etwas langen Note und im Falle der Noth ſtatt. Dieſe Vorſicht mercke man bey allen auſſerordentlichen Huͤlfs-Mitteln, welche theils von Natur theils wegen ihrer Seltenheit ſchwer ſind und auch bleiben. Man er- laube ſolche ſeinen Schuͤlern nicht eher, als bis entweder gar keine andere Moͤglichkeit mehr da iſt, oder man muͤſte eine noch groͤſſere Unbequemlichkeit ſich gefallen laſſen. Aus dieſer Urſache braucht Couperin, ſo gruͤndlich derſelbe ſonſten iſt, zu oft und ohne Noth dieſes Abloͤſen eines ſchon eingeſetzten Fingers. Ohne Zwei-

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/47>, abgerufen am 25.04.2024.