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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Vierzigstes Capitel.
ein guter Baß setzen liesse. Einem verständigen Accompagnisten
würde es alsdenn bey der Begleitung gar leicht seyn, anstatt
einen besondern Gesang zu diesem Thema zu erfinden, dieses
Thema in der rechten Hand zu nehmen, und mit der linken aus
dem Stegereife eine Grundstimme dazu, mit der gehörigen Har-
monie zu machen. Im andern Falle pflegen die Baßthemata gar
zu trocken zu seyn, indem der Componist, um den jetzt gedachten
Fehler zu vermeiden, und sich zur Ausarbeitung der Hauptstimme
alle mögliche Bequemlichkeit zu verschaffen, einen guten, ehrlichen
und simplen Baß hinschreibet, der weiter nichts ausdrücket.
Diese letztern Themata haben jedoch noch dieses Gute, daß sie ein
geschicktes Accompagnement zulassen, indem bey jenen oft gar keine
Harmonie darauf ist.

§. 3.

Die Baßthemata werden entweder von den übrigen
Instrumenten im Einklange begleitet, oder blos von den Bässen
allein ausgeführet. In jenem Falle lässet der Accompagnist die Har-
monie weg, und spielet seine vorgeschriebenen Noten ebenfalls in
Octaven mit beyden Händen: wenn aber der Componist aus
guten Ursachen
Ziffern über den Baß gesetzet hat, weil die
Bindungen, welche dabey angebracht werden können, gerne ge-
höret seyn wollen, und das Thema nicht allein nicht verdunkeln,
sondern vielmehr erklären, so muß man sie mitspielen. Gewisse
Themata sind so beschaffen, daß ein verständiger Zuhörer nur ein
halbes Vergnügen spühret, wenn die Harmonie dazu fehlet, weil
diese letztere in der Vorstellung seiner Seele von den Tönen, die
er höret, untrennbar ist. Die Orgel ist alsdenn, sowohl wegen
der Bindungen, als auch wegen der durchdringenden Stärke zur
Begleitung das vorzüglichste Instrument. Im zweyten Falle,
welcher bey zweystimmigen Sing- und Spielsachen vorkommt, ist
eine harmonische Begleitung nöthig.

§. 4.

Vierzigſtes Capitel.
ein guter Baß ſetzen lieſſe. Einem verſtändigen Accompagniſten
würde es alsdenn bey der Begleitung gar leicht ſeyn, anſtatt
einen beſondern Geſang zu dieſem Thema zu erfinden, dieſes
Thema in der rechten Hand zu nehmen, und mit der linken aus
dem Stegereife eine Grundſtimme dazu, mit der gehörigen Har-
monie zu machen. Im andern Falle pflegen die Baßthemata gar
zu trocken zu ſeyn, indem der Componiſt, um den jetzt gedachten
Fehler zu vermeiden, und ſich zur Ausarbeitung der Hauptſtimme
alle mögliche Bequemlichkeit zu verſchaffen, einen guten, ehrlichen
und ſimplen Baß hinſchreibet, der weiter nichts ausdrücket.
Dieſe letztern Themata haben jedoch noch dieſes Gute, daß ſie ein
geſchicktes Accompagnement zulaſſen, indem bey jenen oft gar keine
Harmonie darauf iſt.

§. 3.

Die Baßthemata werden entweder von den übrigen
Inſtrumenten im Einklange begleitet, oder blos von den Bäſſen
allein ausgeführet. In jenem Falle läſſet der Accompagniſt die Har-
monie weg, und ſpielet ſeine vorgeſchriebenen Noten ebenfalls in
Octaven mit beyden Händen: wenn aber der Componiſt aus
guten Urſachen
Ziffern über den Baß geſetzet hat, weil die
Bindungen, welche dabey angebracht werden können, gerne ge-
höret ſeyn wollen, und das Thema nicht allein nicht verdunkeln,
ſondern vielmehr erklären, ſo muß man ſie mitſpielen. Gewiſſe
Themata ſind ſo beſchaffen, daß ein verſtändiger Zuhörer nur ein
halbes Vergnügen ſpühret, wenn die Harmonie dazu fehlet, weil
dieſe letztere in der Vorſtellung ſeiner Seele von den Tönen, die
er höret, untrennbar iſt. Die Orgel iſt alsdenn, ſowohl wegen
der Bindungen, als auch wegen der durchdringenden Stärke zur
Begleitung das vorzüglichſte Inſtrument. Im zweyten Falle,
welcher bey zweyſtimmigen Sing- und Spielſachen vorkommt, iſt
eine harmoniſche Begleitung nöthig.

§. 4.
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[324/0334] Vierzigſtes Capitel. ein guter Baß ſetzen lieſſe. Einem verſtändigen Accompagniſten würde es alsdenn bey der Begleitung gar leicht ſeyn, anſtatt einen beſondern Geſang zu dieſem Thema zu erfinden, dieſes Thema in der rechten Hand zu nehmen, und mit der linken aus dem Stegereife eine Grundſtimme dazu, mit der gehörigen Har- monie zu machen. Im andern Falle pflegen die Baßthemata gar zu trocken zu ſeyn, indem der Componiſt, um den jetzt gedachten Fehler zu vermeiden, und ſich zur Ausarbeitung der Hauptſtimme alle mögliche Bequemlichkeit zu verſchaffen, einen guten, ehrlichen und ſimplen Baß hinſchreibet, der weiter nichts ausdrücket. Dieſe letztern Themata haben jedoch noch dieſes Gute, daß ſie ein geſchicktes Accompagnement zulaſſen, indem bey jenen oft gar keine Harmonie darauf iſt. §. 3. Die Baßthemata werden entweder von den übrigen Inſtrumenten im Einklange begleitet, oder blos von den Bäſſen allein ausgeführet. In jenem Falle läſſet der Accompagniſt die Har- monie weg, und ſpielet ſeine vorgeſchriebenen Noten ebenfalls in Octaven mit beyden Händen: wenn aber der Componiſt aus guten Urſachen Ziffern über den Baß geſetzet hat, weil die Bindungen, welche dabey angebracht werden können, gerne ge- höret ſeyn wollen, und das Thema nicht allein nicht verdunkeln, ſondern vielmehr erklären, ſo muß man ſie mitſpielen. Gewiſſe Themata ſind ſo beſchaffen, daß ein verſtändiger Zuhörer nur ein halbes Vergnügen ſpühret, wenn die Harmonie dazu fehlet, weil dieſe letztere in der Vorſtellung ſeiner Seele von den Tönen, die er höret, untrennbar iſt. Die Orgel iſt alsdenn, ſowohl wegen der Bindungen, als auch wegen der durchdringenden Stärke zur Begleitung das vorzüglichſte Inſtrument. Im zweyten Falle, welcher bey zweyſtimmigen Sing- und Spielſachen vorkommt, iſt eine harmoniſche Begleitung nöthig. §. 4.

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/334>, abgerufen am 29.03.2024.