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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Ein und vierzigstes Capitel.
§. 14.

Damit meine Leser in verbundenen Exempeln von
allerhand Art einen deutlichen und nutzbaren Begriff von der
Einrichtung einer freyen Fantasie bekommen: so verweise ich sie
auf das im vorigen Paragraph angeführte Probestück, und auf
das in der beygefügten Kupfertafel befindliche Allegro. Beyde
Stücke enthalten eine freye Fantasie; jenes ist mit vieler Chro-
matik vermischet, dieses bestehet mehrentheils aus ganz natür-
lichen und gewöhnlichen Sätzen. Ich habe das Gerippe von dem
letztern, in bezifferten Grundnoten, hierunter vorgestellet. Die
Geltung der Noten ist so gut, als es hat seyn können, ausgedruckt.
Bey der Ausführung wird jeder Accord im Harpeggio zweymahl vor-
getragen. Wenn bey dem zweyten mahle, in der rechten, oder in
der linken Hand, eine andere Lage vorkommt, so ist es angedeutet.
Die Intervallen in den langsamen vollen Griffen, welche alle har-
peggirt werden, haben einerley Geltung, ob man schon des engen
Raumes wegen, zu mehrerer Deutlichkeit, weisse und schwarze
Noten hat über einander setzen müssen. Bey (1) sehen wir die
lange Aufhaltung der Harmonie im Haupttone bey dem Anfange
und Ende. Bey (2) gehet eine Ausweichung in die Quinte vor,
worinnen man eine ganze Weile bleibet, bis bey ([&]) die Har-
monie in das weiche e gehet. Die drey Noten bey (3), wor-
unter ein Bogen stehet, erklären die Einleitung in die darauf fol-
gende Wiederholung des Secundenaccordes, welchen man durch
eine Verwechselung der Harmonie wieder ergreift. Die Einleitung
bey (3) geschiehet in der Ausführung durch langsame Figuren,
wobey die Grundstimme mit Fleiß weggelassen worden ist. Der
Uebergang vom h mit dem Septimenaccord, zum nächsten b mit
dem Secundenaccord verräth eine Ellipsin, weil eigentlich der
Sextquartenaccord vom h oder c mit dem Dreyklange hätte vor-
hergehen sollen. Bey (4) scheinet die Harmonie in das weiche d

über-
Ein und vierzigſtes Capitel.
§. 14.

Damit meine Leſer in verbundenen Exempeln von
allerhand Art einen deutlichen und nutzbaren Begriff von der
Einrichtung einer freyen Fantaſie bekommen: ſo verweiſe ich ſie
auf das im vorigen Paragraph angeführte Probeſtück, und auf
das in der beygefügten Kupfertafel befindliche Allegro. Beyde
Stücke enthalten eine freye Fantaſie; jenes iſt mit vieler Chro-
matik vermiſchet, dieſes beſtehet mehrentheils aus ganz natür-
lichen und gewöhnlichen Sätzen. Ich habe das Gerippe von dem
letztern, in bezifferten Grundnoten, hierunter vorgeſtellet. Die
Geltung der Noten iſt ſo gut, als es hat ſeyn können, ausgedruckt.
Bey der Ausführung wird jeder Accord im Harpeggio zweymahl vor-
getragen. Wenn bey dem zweyten mahle, in der rechten, oder in
der linken Hand, eine andere Lage vorkommt, ſo iſt es angedeutet.
Die Intervallen in den langſamen vollen Griffen, welche alle har-
peggirt werden, haben einerley Geltung, ob man ſchon des engen
Raumes wegen, zu mehrerer Deutlichkeit, weiſſe und ſchwarze
Noten hat über einander ſetzen müſſen. Bey (1) ſehen wir die
lange Aufhaltung der Harmonie im Haupttone bey dem Anfange
und Ende. Bey (2) gehet eine Ausweichung in die Quinte vor,
worinnen man eine ganze Weile bleibet, bis bey ([&𝅃]) die Har-
monie in das weiche e gehet. Die drey Noten bey (3), wor-
unter ein Bogen ſtehet, erklären die Einleitung in die darauf fol-
gende Wiederholung des Secundenaccordes, welchen man durch
eine Verwechſelung der Harmonie wieder ergreift. Die Einleitung
bey (3) geſchiehet in der Ausführung durch langſame Figuren,
wobey die Grundſtimme mit Fleiß weggelaſſen worden iſt. Der
Uebergang vom h mit dem Septimenaccord, zum nächſten b mit
dem Secundenaccord verräth eine Ellipſin, weil eigentlich der
Sextquartenaccord vom h oder c mit dem Dreyklange hätte vor-
hergehen ſollen. Bey (4) ſcheinet die Harmonie in das weiche d

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[340/0350] Ein und vierzigſtes Capitel. §. 14. Damit meine Leſer in verbundenen Exempeln von allerhand Art einen deutlichen und nutzbaren Begriff von der Einrichtung einer freyen Fantaſie bekommen: ſo verweiſe ich ſie auf das im vorigen Paragraph angeführte Probeſtück, und auf das in der beygefügten Kupfertafel befindliche Allegro. Beyde Stücke enthalten eine freye Fantaſie; jenes iſt mit vieler Chro- matik vermiſchet, dieſes beſtehet mehrentheils aus ganz natür- lichen und gewöhnlichen Sätzen. Ich habe das Gerippe von dem letztern, in bezifferten Grundnoten, hierunter vorgeſtellet. Die Geltung der Noten iſt ſo gut, als es hat ſeyn können, ausgedruckt. Bey der Ausführung wird jeder Accord im Harpeggio zweymahl vor- getragen. Wenn bey dem zweyten mahle, in der rechten, oder in der linken Hand, eine andere Lage vorkommt, ſo iſt es angedeutet. Die Intervallen in den langſamen vollen Griffen, welche alle har- peggirt werden, haben einerley Geltung, ob man ſchon des engen Raumes wegen, zu mehrerer Deutlichkeit, weiſſe und ſchwarze Noten hat über einander ſetzen müſſen. Bey (1) ſehen wir die lange Aufhaltung der Harmonie im Haupttone bey dem Anfange und Ende. Bey (2) gehet eine Ausweichung in die Quinte vor, worinnen man eine ganze Weile bleibet, bis bey (&𝅃) die Har- monie in das weiche e gehet. Die drey Noten bey (3), wor- unter ein Bogen ſtehet, erklären die Einleitung in die darauf fol- gende Wiederholung des Secundenaccordes, welchen man durch eine Verwechſelung der Harmonie wieder ergreift. Die Einleitung bey (3) geſchiehet in der Ausführung durch langſame Figuren, wobey die Grundſtimme mit Fleiß weggelaſſen worden iſt. Der Uebergang vom h mit dem Septimenaccord, zum nächſten b mit dem Secundenaccord verräth eine Ellipſin, weil eigentlich der Sextquartenaccord vom h oder c mit dem Dreyklange hätte vor- hergehen ſollen. Bey (4) ſcheinet die Harmonie in das weiche d über-

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/350>, abgerufen am 29.03.2024.