Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite
Neun und zwanzigstes Capitel.
[Abbildung]
§. 22.

Wenn man einem tiefen Instrumente, einem Fo-
gott, Violoncell u. s. w. oder einer tiefen Singstimme, einem Tenor
oder Baß, ein Solo oder eine Soloarie accompagnirt, so muß
man sich in der Begleitung niemals wegen der Höhe von der
Hauptstimme zu weit entfernen, sondern auf die Weite der Mo-
dulation der letztern genau Acht haben. Man pfleget sich als-
denn nicht leicht über die eingestrichne Octave mit der Harmonie
zu versteigen. Ist es nöthig, die Aufgaben ganz tief zu nehmen,
so muß man die Harmonie verdünnen, weil die Tiefe nicht viele
Harmonie verträget, ohne die Deutlichkeit zu verliehren.

§. 23.

Sind Ripienstimmen zu einem Stücke mit einer tie-
fen Hauptstimme gesetzet, so muß man auf die Höhe und Tiefe
der erstern genau hören, und die Begleitung des Claviers in
derselben Weite nehmen. Der Gesang der Hauptstimme muß
durch übersteigende Mittelstimmen alsdenn nicht undeutlich gemacht
werden. Aus dieser Ursache setzen zuweilen die Componisten, der
guten Ausnahme und Veränderung wegen, die Mittelstimmen in
die Tiefe, wenn der Hauptgesang sich daselbst aufhält, und wech-
seln nachher glücklich wieder mit der Höhe bey den Rittornellen ab.
Nach allen diesen muß der Accompagnist sich genau richten. Ge-
wisse Fälle, wobey man sich in Ansehung der Höhe und Tiefe der
Harmonie, der Zierlichkeit wegen, gewisser Freyheiten bedienen kann,
werden an einem andern Orte abgehandelt werden. Hier wol-
len wir nur dasjenige den Begleitern nochmals anrathen, worauf
wir schon öfter gedrungen haben, nemlich, daß in der Ober-

stimme
Neun und zwanzigſtes Capitel.
[Abbildung]
§. 22.

Wenn man einem tiefen Inſtrumente, einem Fo-
gott, Violoncell u. ſ. w. oder einer tiefen Singſtimme, einem Tenor
oder Baß, ein Solo oder eine Soloarie accompagnirt, ſo muß
man ſich in der Begleitung niemals wegen der Höhe von der
Hauptſtimme zu weit entfernen, ſondern auf die Weite der Mo-
dulation der letztern genau Acht haben. Man pfleget ſich als-
denn nicht leicht über die eingeſtrichne Octave mit der Harmonie
zu verſteigen. Iſt es nöthig, die Aufgaben ganz tief zu nehmen,
ſo muß man die Harmonie verdünnen, weil die Tiefe nicht viele
Harmonie verträget, ohne die Deutlichkeit zu verliehren.

§. 23.

Sind Ripienſtimmen zu einem Stücke mit einer tie-
fen Hauptſtimme geſetzet, ſo muß man auf die Höhe und Tiefe
der erſtern genau hören, und die Begleitung des Claviers in
derſelben Weite nehmen. Der Geſang der Hauptſtimme muß
durch überſteigende Mittelſtimmen alsdenn nicht undeutlich gemacht
werden. Aus dieſer Urſache ſetzen zuweilen die Componiſten, der
guten Ausnahme und Veränderung wegen, die Mittelſtimmen in
die Tiefe, wenn der Hauptgeſang ſich daſelbſt aufhält, und wech-
ſeln nachher glücklich wieder mit der Höhe bey den Rittornellen ab.
Nach allen dieſen muß der Accompagniſt ſich genau richten. Ge-
wiſſe Fälle, wobey man ſich in Anſehung der Höhe und Tiefe der
Harmonie, der Zierlichkeit wegen, gewiſſer Freyheiten bedienen kann,
werden an einem andern Orte abgehandelt werden. Hier wol-
len wir nur dasjenige den Begleitern nochmals anrathen, worauf
wir ſchon öfter gedrungen haben, nemlich, daß in der Ober-

ſtimme
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0266" n="256"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neun und zwanzig&#x017F;tes Capitel.</hi> </fw><lb/>
          <figure/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>§. 22.</head>
          <p>Wenn man einem tiefen In&#x017F;trumente, einem Fo-<lb/>
gott, Violoncell u. &#x017F;. w. oder einer tiefen Sing&#x017F;timme, einem Tenor<lb/>
oder Baß, ein Solo oder eine Soloarie accompagnirt, &#x017F;o muß<lb/>
man &#x017F;ich in der Begleitung niemals wegen der <hi rendition="#fr">Höhe</hi> von der<lb/>
Haupt&#x017F;timme zu weit entfernen, &#x017F;ondern auf die Weite der Mo-<lb/>
dulation der letztern genau Acht haben. Man pfleget &#x017F;ich als-<lb/>
denn nicht leicht über die einge&#x017F;trichne Octave mit der Harmonie<lb/>
zu ver&#x017F;teigen. I&#x017F;t es nöthig, die Aufgaben ganz <hi rendition="#fr">tief</hi> zu nehmen,<lb/>
&#x017F;o muß man die Harmonie verdünnen, weil die Tiefe nicht viele<lb/>
Harmonie verträget, ohne die Deutlichkeit zu verliehren.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 23.</head>
          <p>Sind Ripien&#x017F;timmen zu einem Stücke mit einer tie-<lb/>
fen Haupt&#x017F;timme ge&#x017F;etzet, &#x017F;o muß man auf die Höhe und Tiefe<lb/>
der er&#x017F;tern genau hören, und die Begleitung des Claviers in<lb/>
der&#x017F;elben Weite nehmen. Der Ge&#x017F;ang der Haupt&#x017F;timme muß<lb/>
durch über&#x017F;teigende Mittel&#x017F;timmen alsdenn nicht undeutlich gemacht<lb/>
werden. Aus die&#x017F;er Ur&#x017F;ache &#x017F;etzen zuweilen die Componi&#x017F;ten, der<lb/>
guten Ausnahme und Veränderung wegen, die Mittel&#x017F;timmen in<lb/>
die Tiefe, wenn der Hauptge&#x017F;ang &#x017F;ich da&#x017F;elb&#x017F;t aufhält, und wech-<lb/>
&#x017F;eln nachher glücklich wieder mit der Höhe bey den Rittornellen ab.<lb/>
Nach allen die&#x017F;en muß der Accompagni&#x017F;t &#x017F;ich genau richten. Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Fälle, wobey man &#x017F;ich in An&#x017F;ehung der Höhe und Tiefe der<lb/>
Harmonie, der Zierlichkeit wegen, gewi&#x017F;&#x017F;er Freyheiten bedienen kann,<lb/>
werden an einem andern Orte abgehandelt werden. Hier wol-<lb/>
len wir nur dasjenige den Begleitern nochmals anrathen, worauf<lb/>
wir &#x017F;chon öfter gedrungen haben, nemlich, daß in der Ober-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;timme</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0266] Neun und zwanzigſtes Capitel. [Abbildung] §. 22. Wenn man einem tiefen Inſtrumente, einem Fo- gott, Violoncell u. ſ. w. oder einer tiefen Singſtimme, einem Tenor oder Baß, ein Solo oder eine Soloarie accompagnirt, ſo muß man ſich in der Begleitung niemals wegen der Höhe von der Hauptſtimme zu weit entfernen, ſondern auf die Weite der Mo- dulation der letztern genau Acht haben. Man pfleget ſich als- denn nicht leicht über die eingeſtrichne Octave mit der Harmonie zu verſteigen. Iſt es nöthig, die Aufgaben ganz tief zu nehmen, ſo muß man die Harmonie verdünnen, weil die Tiefe nicht viele Harmonie verträget, ohne die Deutlichkeit zu verliehren. §. 23. Sind Ripienſtimmen zu einem Stücke mit einer tie- fen Hauptſtimme geſetzet, ſo muß man auf die Höhe und Tiefe der erſtern genau hören, und die Begleitung des Claviers in derſelben Weite nehmen. Der Geſang der Hauptſtimme muß durch überſteigende Mittelſtimmen alsdenn nicht undeutlich gemacht werden. Aus dieſer Urſache ſetzen zuweilen die Componiſten, der guten Ausnahme und Veränderung wegen, die Mittelſtimmen in die Tiefe, wenn der Hauptgeſang ſich daſelbſt aufhält, und wech- ſeln nachher glücklich wieder mit der Höhe bey den Rittornellen ab. Nach allen dieſen muß der Accompagniſt ſich genau richten. Ge- wiſſe Fälle, wobey man ſich in Anſehung der Höhe und Tiefe der Harmonie, der Zierlichkeit wegen, gewiſſer Freyheiten bedienen kann, werden an einem andern Orte abgehandelt werden. Hier wol- len wir nur dasjenige den Begleitern nochmals anrathen, worauf wir ſchon öfter gedrungen haben, nemlich, daß in der Ober- ſtimme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/266
Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/266>, abgerufen am 16.04.2024.