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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Dreißigstes Capitel.
§. 7.

Im Andantino und Allegretto wird zur Cadenz so-
wohl der Sextquartenaccord, als auch der folgende Dreyklang kurz
von unten hinauf gebrochen und liegen gelassen. Im Allegro hin-
gegen schläget man, vor der Verzierung der Cadenz, den Sextquar-
tenaccord sammt der Grundnote mehrentheils ganz kurz an. Die
Hauptstimme erhält dadurch die Freyheit, bey einem feurigen
Stücke ihre Verzierungen, nach einem ganz kurzen Stillstand, gleich
anzufangen, und viele geschwinde, und zugleich solche Noten anzu-
bringen, welche sich auf den vorgeschlagenen Accord nicht eben
beziehen. Es ist dieses auch nicht allezeit nöthig, ohngeacht
man dennoch so viel möglich bey dem Anfange der Verzierung
auf den Sextquartenaccord mit siehet. Wenn man das Feld der
verzierten Cadenzen zu sehr einschränken wolte, so würde der Miß-
brauch
davon, den man nun schon mit Geduld ertragen muß,
und nicht leicht abschaffen kann, noch unleidlicher werden, als er
schon ist. Ausser dem Falle, da die Hauptstimme gleich nach dem
Sextquartenaccord mit der Verzierung anfänget, pflegen sich die
Ausführer der gedachten Hauptstimme, um an die nachklingende
Harmonie der @ nicht zu sehr gebunden zu seyn, dadurch zu hel-
fen, daß sie ihre Note mit dem Ruhezeichen noch eine Weile
aushalten und alsdenn erst ihre Schönheiten anbringen, wenn
der Nachklang des Claviers mehrentheils vorbey ist. Diese Art
des Vortrages ist auch deswegen gut, weil die Zuhörer auf die
Cadenz gehörig vorbereitet werden, nachdem vorher der Sexquar-
tenaccord ihrem Gehör gut eingepräget worden ist.

§. 8.

Der Triller, womit man die verzierte Cadenz endiget,
wird mehr aus Gewohnheit, als aus einer Schuldigkeit in der
Quinte, und wenn die Tonart weich ist, zuweilen auch in der
Sexte geschlagen. Weil nun der Accompagnist auf diesen Triller
lauren muß, damit er bey dem Eintritt desselben den Drey-

klang
Dreißigſtes Capitel.
§. 7.

Im Andantino und Allegretto wird zur Cadenz ſo-
wohl der Sextquartenaccord, als auch der folgende Dreyklang kurz
von unten hinauf gebrochen und liegen gelaſſen. Im Allegro hin-
gegen ſchläget man, vor der Verzierung der Cadenz, den Sextquar-
tenaccord ſammt der Grundnote mehrentheils ganz kurz an. Die
Hauptſtimme erhält dadurch die Freyheit, bey einem feurigen
Stücke ihre Verzierungen, nach einem ganz kurzen Stillſtand, gleich
anzufangen, und viele geſchwinde, und zugleich ſolche Noten anzu-
bringen, welche ſich auf den vorgeſchlagenen Accord nicht eben
beziehen. Es iſt dieſes auch nicht allezeit nöthig, ohngeacht
man dennoch ſo viel möglich bey dem Anfange der Verzierung
auf den Sextquartenaccord mit ſiehet. Wenn man das Feld der
verzierten Cadenzen zu ſehr einſchränken wolte, ſo würde der Miß-
brauch
davon, den man nun ſchon mit Geduld ertragen muß,
und nicht leicht abſchaffen kann, noch unleidlicher werden, als er
ſchon iſt. Auſſer dem Falle, da die Hauptſtimme gleich nach dem
Sextquartenaccord mit der Verzierung anfänget, pflegen ſich die
Ausführer der gedachten Hauptſtimme, um an die nachklingende
Harmonie der  nicht zu ſehr gebunden zu ſeyn, dadurch zu hel-
fen, daß ſie ihre Note mit dem Ruhezeichen noch eine Weile
aushalten und alsdenn erſt ihre Schönheiten anbringen, wenn
der Nachklang des Claviers mehrentheils vorbey iſt. Dieſe Art
des Vortrages iſt auch deswegen gut, weil die Zuhörer auf die
Cadenz gehörig vorbereitet werden, nachdem vorher der Sexquar-
tenaccord ihrem Gehör gut eingepräget worden iſt.

§. 8.

Der Triller, womit man die verzierte Cadenz endiget,
wird mehr aus Gewohnheit, als aus einer Schuldigkeit in der
Quinte, und wenn die Tonart weich iſt, zuweilen auch in der
Sexte geſchlagen. Weil nun der Accompagniſt auf dieſen Triller
lauren muß, damit er bey dem Eintritt deſſelben den Drey-

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[262/0272] Dreißigſtes Capitel. §. 7. Im Andantino und Allegretto wird zur Cadenz ſo- wohl der Sextquartenaccord, als auch der folgende Dreyklang kurz von unten hinauf gebrochen und liegen gelaſſen. Im Allegro hin- gegen ſchläget man, vor der Verzierung der Cadenz, den Sextquar- tenaccord ſammt der Grundnote mehrentheils ganz kurz an. Die Hauptſtimme erhält dadurch die Freyheit, bey einem feurigen Stücke ihre Verzierungen, nach einem ganz kurzen Stillſtand, gleich anzufangen, und viele geſchwinde, und zugleich ſolche Noten anzu- bringen, welche ſich auf den vorgeſchlagenen Accord nicht eben beziehen. Es iſt dieſes auch nicht allezeit nöthig, ohngeacht man dennoch ſo viel möglich bey dem Anfange der Verzierung auf den Sextquartenaccord mit ſiehet. Wenn man das Feld der verzierten Cadenzen zu ſehr einſchränken wolte, ſo würde der Miß- brauch davon, den man nun ſchon mit Geduld ertragen muß, und nicht leicht abſchaffen kann, noch unleidlicher werden, als er ſchon iſt. Auſſer dem Falle, da die Hauptſtimme gleich nach dem Sextquartenaccord mit der Verzierung anfänget, pflegen ſich die Ausführer der gedachten Hauptſtimme, um an die nachklingende Harmonie der  nicht zu ſehr gebunden zu ſeyn, dadurch zu hel- fen, daß ſie ihre Note mit dem Ruhezeichen noch eine Weile aushalten und alsdenn erſt ihre Schönheiten anbringen, wenn der Nachklang des Claviers mehrentheils vorbey iſt. Dieſe Art des Vortrages iſt auch deswegen gut, weil die Zuhörer auf die Cadenz gehörig vorbereitet werden, nachdem vorher der Sexquar- tenaccord ihrem Gehör gut eingepräget worden iſt. §. 8. Der Triller, womit man die verzierte Cadenz endiget, wird mehr aus Gewohnheit, als aus einer Schuldigkeit in der Quinte, und wenn die Tonart weich iſt, zuweilen auch in der Sexte geſchlagen. Weil nun der Accompagniſt auf dieſen Triller lauren muß, damit er bey dem Eintritt deſſelben den Drey- klang

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/272>, abgerufen am 28.03.2024.