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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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die Schaalenhaut erreicht. Allmählig kommt aber immer mehr Eiweiss hinzu und
das Verdrehen der ersten säulenförmigen Enden (des später mehr gesonderten drit-
ten Eiweisses) kann jetzt weniger unmittelbar, sondern nur durch die Zähigkeit
des Eiweisses bewirkt werden.

Wenn im Eihälter die Schaale sich zu bilden anfängt, ist im Anfange das
Eiweiss noch von ziemlich gleicher Zähigkeit. Es sind die werdenden Hagel-
schnüre mit dem sie zunächst umgebenden innersten Eiweisse von dem übrigen
Eiweiss noch gar nicht abgegrenzt. Aus diesem Grunde muss bei der Drehung die
Verschnürung zunehmen. Wäre aber die Drehung im Eihälter gleichmässig, so
würde bald jeder Theil die Geschwindigkeit der Bewegung erhalten, welche sei-
ner Entfernung von der Axe, um welche die Drehung geht, entspräche, und alles
relative Lagenverhältniss der Theile im Ei würde von jetzt an unverändert bleiben.
Weil man aber in der letzten Zeit vom Verweilen des Eies im Eihälter das dritte
Eiweiss vom mittlern mehr gesondert findet *) und eben so zwischen Schaale und
dem übrigen Eiweisse sich ein mehr flüssiges, oder das äussere Eiweiss zu zeigen
anfängt, so vermuthe ich, dass die Bewegungen des Eihälters ungleich und ruck-
weise sind, (wofür auch schon die verwandten Bewegungen des Fruchthälters der
Säugethiere sprechen,) dass also die Schaale, auf welche die Bewegung zunächst
wirkt, am Eiweisse zerrt und dadurch die Sonderungen veranlasst werden. Ich
will damit keinesweges läugnen, dass im Eiweiss selbst eine Neigung liegen mag,
die flüssigen Theile mehr nach aussen zu sammeln, jenes Verhältniss würde aber
die Sonderung erleichtern, würde es auch anschaulich machen, warum das mittlere
Eiweiss an beiden Enden in der Axe des Eiweisses, also an der Schaalenhaut fester
anhängend bleibt. -- Dass auch die Neigung der Dotterkugel, einen bestimmten
Theil nach oben zu richten, auf die Drehung der Hagelschnüre Einfluss hat, will
ich hier nur erinnern, ohne es näher durchzuführen, da dieser Umstand wohl nur
wenig Einfluss hat und ich schon zu lange bei diesem Gegenstande verweilt habe,
weil ich ihm einige Wichtigkeit zuschreibe **).

Das Ei verweilt ziemlich lange im Eihälter, meistens gegen 24 Stunden.f. Bildung
der Schaale.

Hier wird nun auch, wie schon im Vorbeigehen öfters bemerkt wurde, die Ei-
schaale gebildet. Aus den grossen Zotten des Eihälters wird nämlich eine Flüs-
sigkeit ergossen, die weiss und zähe ist, wie Kalkmilch in verdünntes Eiweiss

*) Sehr oft ist das dritte Eiweiss mit der enthaltenen Hagelschnur ganz zurückgebogen, so dass
das freie Ende der Befestigung an der Dotterkugel nahe liegt.
**) Wie der Leser aus einer spätern Stelle in dem "Leuchtkugeln" überschriebenen Abschnitte
ersehen wird.
II. E

die Schaalenhaut erreicht. Allmählig kommt aber immer mehr Eiweiſs hinzu und
das Verdrehen der ersten säulenförmigen Enden (des später mehr gesonderten drit-
ten Eiweiſses) kann jetzt weniger unmittelbar, sondern nur durch die Zähigkeit
des Eiweiſses bewirkt werden.

Wenn im Eihälter die Schaale sich zu bilden anfängt, ist im Anfange das
Eiweiſs noch von ziemlich gleicher Zähigkeit. Es sind die werdenden Hagel-
schnüre mit dem sie zunächst umgebenden innersten Eiweiſse von dem übrigen
Eiweiſs noch gar nicht abgegrenzt. Aus diesem Grunde muſs bei der Drehung die
Verschnürung zunehmen. Wäre aber die Drehung im Eihälter gleichmäſsig, so
würde bald jeder Theil die Geschwindigkeit der Bewegung erhalten, welche sei-
ner Entfernung von der Axe, um welche die Drehung geht, entspräche, und alles
relative Lagenverhältniſs der Theile im Ei würde von jetzt an unverändert bleiben.
Weil man aber in der letzten Zeit vom Verweilen des Eies im Eihälter das dritte
Eiweiſs vom mittlern mehr gesondert findet *) und eben so zwischen Schaale und
dem übrigen Eiweiſse sich ein mehr flüssiges, oder das äuſsere Eiweiſs zu zeigen
anfängt, so vermuthe ich, daſs die Bewegungen des Eihälters ungleich und ruck-
weise sind, (wofür auch schon die verwandten Bewegungen des Fruchthälters der
Säugethiere sprechen,) daſs also die Schaale, auf welche die Bewegung zunächst
wirkt, am Eiweiſse zerrt und dadurch die Sonderungen veranlaſst werden. Ich
will damit keinesweges läugnen, daſs im Eiweiſs selbst eine Neigung liegen mag,
die flüssigen Theile mehr nach auſsen zu sammeln, jenes Verhältniſs würde aber
die Sonderung erleichtern, würde es auch anschaulich machen, warum das mittlere
Eiweiſs an beiden Enden in der Axe des Eiweiſses, also an der Schaalenhaut fester
anhängend bleibt. — Daſs auch die Neigung der Dotterkugel, einen bestimmten
Theil nach oben zu richten, auf die Drehung der Hagelschnüre Einfluſs hat, will
ich hier nur erinnern, ohne es näher durchzuführen, da dieser Umstand wohl nur
wenig Einfluſs hat und ich schon zu lange bei diesem Gegenstande verweilt habe,
weil ich ihm einige Wichtigkeit zuschreibe **).

Das Ei verweilt ziemlich lange im Eihälter, meistens gegen 24 Stunden.f. Bildung
der Schaale.

Hier wird nun auch, wie schon im Vorbeigehen öfters bemerkt wurde, die Ei-
schaale gebildet. Aus den groſsen Zotten des Eihälters wird nämlich eine Flüs-
sigkeit ergossen, die weiſs und zähe ist, wie Kalkmilch in verdünntes Eiweiſs

*) Sehr oft ist das dritte Eiweiſs mit der enthaltenen Hagelschnur ganz zurückgebogen, so daſs
das freie Ende der Befestigung an der Dotterkugel nahe liegt.
**) Wie der Leser aus einer spätern Stelle in dem „Leuchtkugeln” überschriebenen Abschnitte
ersehen wird.
II. E
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[33/0043] die Schaalenhaut erreicht. Allmählig kommt aber immer mehr Eiweiſs hinzu und das Verdrehen der ersten säulenförmigen Enden (des später mehr gesonderten drit- ten Eiweiſses) kann jetzt weniger unmittelbar, sondern nur durch die Zähigkeit des Eiweiſses bewirkt werden. Wenn im Eihälter die Schaale sich zu bilden anfängt, ist im Anfange das Eiweiſs noch von ziemlich gleicher Zähigkeit. Es sind die werdenden Hagel- schnüre mit dem sie zunächst umgebenden innersten Eiweiſse von dem übrigen Eiweiſs noch gar nicht abgegrenzt. Aus diesem Grunde muſs bei der Drehung die Verschnürung zunehmen. Wäre aber die Drehung im Eihälter gleichmäſsig, so würde bald jeder Theil die Geschwindigkeit der Bewegung erhalten, welche sei- ner Entfernung von der Axe, um welche die Drehung geht, entspräche, und alles relative Lagenverhältniſs der Theile im Ei würde von jetzt an unverändert bleiben. Weil man aber in der letzten Zeit vom Verweilen des Eies im Eihälter das dritte Eiweiſs vom mittlern mehr gesondert findet *) und eben so zwischen Schaale und dem übrigen Eiweiſse sich ein mehr flüssiges, oder das äuſsere Eiweiſs zu zeigen anfängt, so vermuthe ich, daſs die Bewegungen des Eihälters ungleich und ruck- weise sind, (wofür auch schon die verwandten Bewegungen des Fruchthälters der Säugethiere sprechen,) daſs also die Schaale, auf welche die Bewegung zunächst wirkt, am Eiweiſse zerrt und dadurch die Sonderungen veranlaſst werden. Ich will damit keinesweges läugnen, daſs im Eiweiſs selbst eine Neigung liegen mag, die flüssigen Theile mehr nach auſsen zu sammeln, jenes Verhältniſs würde aber die Sonderung erleichtern, würde es auch anschaulich machen, warum das mittlere Eiweiſs an beiden Enden in der Axe des Eiweiſses, also an der Schaalenhaut fester anhängend bleibt. — Daſs auch die Neigung der Dotterkugel, einen bestimmten Theil nach oben zu richten, auf die Drehung der Hagelschnüre Einfluſs hat, will ich hier nur erinnern, ohne es näher durchzuführen, da dieser Umstand wohl nur wenig Einfluſs hat und ich schon zu lange bei diesem Gegenstande verweilt habe, weil ich ihm einige Wichtigkeit zuschreibe **). Das Ei verweilt ziemlich lange im Eihälter, meistens gegen 24 Stunden. Hier wird nun auch, wie schon im Vorbeigehen öfters bemerkt wurde, die Ei- schaale gebildet. Aus den groſsen Zotten des Eihälters wird nämlich eine Flüs- sigkeit ergossen, die weiſs und zähe ist, wie Kalkmilch in verdünntes Eiweiſs f. Bildung der Schaale. *) Sehr oft ist das dritte Eiweiſs mit der enthaltenen Hagelschnur ganz zurückgebogen, so daſs das freie Ende der Befestigung an der Dotterkugel nahe liegt. **) Wie der Leser aus einer spätern Stelle in dem „Leuchtkugeln” überschriebenen Abschnitte ersehen wird. II. E

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/43>, abgerufen am 28.03.2024.