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Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912].

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macht man es weiten Kreisen der weiter rechts stehenden Frauen, wie
ich vorhin zeigte, einfach unmöglich, in unsere Reihen zu kommen, und
doch brauchen wir auch sie notwendig. Das Zentrum und die
Konservativen sind schon so an der Arbeit, ihre Frauen politisch und
parlamentarisch zu schulen, daß man als sicher annehmen darf, daß sie
schon aus taktischen Gründen, um ihre Scharen zu mehren, für das
Frauenstimmrecht dereinst eintreten werden.

Ebenso unhaltbar, wie Potthoffs vorhin schon angeführte Be-
hauptung, "eine konservative Befürwortung eines Frauenstimmrechts ist
ein Widerspruch in sich", ebenso hinfällig ist sein Hohn an andrer Stelle,
"daß diejenigen, die auf die Unterstützung solcher Parteien rechneten,
kein Frauenstimmrecht wollten, sondern ein Damenstimmrecht". Jch
glaube, wir werden diesen Hohn ebenso gelassen tragen, wie denselben
Vorwurf, der der Frauenbewegung so oft gemacht worden ist, sie wäre
eine Damenbewegung. Den Millionen von Frauen und Mädchen, die
in den Fabriken spinnen und weben, Zigarren drehen usw., verdanken
wir die sozialen und rechtlichen Fortschritte nicht, die wir errungen
haben, sondern den klugen und besonnenen Führerinnen der bürgerlichen
Frauenbewegung ist es zu verdanken, wenn wir jetzt Frauen in der
Armen- und Waisenpflege, Jugendfürsorge, beim Jugendgericht usw. usw.
haben. Die 90 % ungelernter Arbeiterinnen unter den 9 1/2 Millionen
erwerbstätiger Frauen hätten diese Fortschritte nie erringen können.
Die 10 % der gebildeten erwerbstätigen Frauen, das sind die für
die sozialen Fortschritte wertvollen. Das Elend der erwerbstätigen
Massen ist nur die Grundursache, daß diese sozialen und rechtlichen
Fortschritte gefordert und notwendig wurden; daß wir sie erhalten haben,
ist das Verdienst gebildeter Männer und Frauen, liberaler und
konservativer, so gut, wie sozialdemokratischer, die mit Wort und Schrift
dafür gearbeitet haben.

Wenn wir nun mittelst irgendeines, wenn auch be-
schränkten Wahlrechts
, es erst erreicht hätten, daß wir einige dieser
Führerinnen in den Gemeindeverwaltungen usw. hätten, wäre damit
nicht ungeheuer viel gewonnen? Würden diese Wenigen nicht schon
jetzt
unendlich viel für die Kulturpolitik, die wir vom Staat ver-
langen müssen, und die der Staat um der inneren Gesundheit unseres
Volkes willen wird annehmen müssen, leisten können, und wäre das
nicht wertvoller, als wenn vielleicht erst nach Jahrzehnten auf Grund
des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts durch
hunderttausende von Stimmen von Land- oder Fabrikarbeiterinnen
vielleicht einige Frauen mehr gewählt würden?

macht man es weiten Kreisen der weiter rechts stehenden Frauen, wie
ich vorhin zeigte, einfach unmöglich, in unsere Reihen zu kommen, und
doch brauchen wir auch sie notwendig. Das Zentrum und die
Konservativen sind schon so an der Arbeit, ihre Frauen politisch und
parlamentarisch zu schulen, daß man als sicher annehmen darf, daß sie
schon aus taktischen Gründen, um ihre Scharen zu mehren, für das
Frauenstimmrecht dereinst eintreten werden.

Ebenso unhaltbar, wie Potthoffs vorhin schon angeführte Be-
hauptung, „eine konservative Befürwortung eines Frauenstimmrechts ist
ein Widerspruch in sich“, ebenso hinfällig ist sein Hohn an andrer Stelle,
„daß diejenigen, die auf die Unterstützung solcher Parteien rechneten,
kein Frauenstimmrecht wollten, sondern ein Damenstimmrecht“. Jch
glaube, wir werden diesen Hohn ebenso gelassen tragen, wie denselben
Vorwurf, der der Frauenbewegung so oft gemacht worden ist, sie wäre
eine Damenbewegung. Den Millionen von Frauen und Mädchen, die
in den Fabriken spinnen und weben, Zigarren drehen usw., verdanken
wir die sozialen und rechtlichen Fortschritte nicht, die wir errungen
haben, sondern den klugen und besonnenen Führerinnen der bürgerlichen
Frauenbewegung ist es zu verdanken, wenn wir jetzt Frauen in der
Armen- und Waisenpflege, Jugendfürsorge, beim Jugendgericht usw. usw.
haben. Die 90 % ungelernter Arbeiterinnen unter den 9 ½ Millionen
erwerbstätiger Frauen hätten diese Fortschritte nie erringen können.
Die 10 % der gebildeten erwerbstätigen Frauen, das sind die für
die sozialen Fortschritte wertvollen. Das Elend der erwerbstätigen
Massen ist nur die Grundursache, daß diese sozialen und rechtlichen
Fortschritte gefordert und notwendig wurden; daß wir sie erhalten haben,
ist das Verdienst gebildeter Männer und Frauen, liberaler und
konservativer, so gut, wie sozialdemokratischer, die mit Wort und Schrift
dafür gearbeitet haben.

Wenn wir nun mittelst irgendeines, wenn auch be-
schränkten Wahlrechts
, es erst erreicht hätten, daß wir einige dieser
Führerinnen in den Gemeindeverwaltungen usw. hätten, wäre damit
nicht ungeheuer viel gewonnen? Würden diese Wenigen nicht schon
jetzt
unendlich viel für die Kulturpolitik, die wir vom Staat ver-
langen müssen, und die der Staat um der inneren Gesundheit unseres
Volkes willen wird annehmen müssen, leisten können, und wäre das
nicht wertvoller, als wenn vielleicht erst nach Jahrzehnten auf Grund
des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts durch
hunderttausende von Stimmen von Land- oder Fabrikarbeiterinnen
vielleicht einige Frauen mehr gewählt würden?

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[12/0011] macht man es weiten Kreisen der weiter rechts stehenden Frauen, wie ich vorhin zeigte, einfach unmöglich, in unsere Reihen zu kommen, und doch brauchen wir auch sie notwendig. Das Zentrum und die Konservativen sind schon so an der Arbeit, ihre Frauen politisch und parlamentarisch zu schulen, daß man als sicher annehmen darf, daß sie schon aus taktischen Gründen, um ihre Scharen zu mehren, für das Frauenstimmrecht dereinst eintreten werden. Ebenso unhaltbar, wie Potthoffs vorhin schon angeführte Be- hauptung, „eine konservative Befürwortung eines Frauenstimmrechts ist ein Widerspruch in sich“, ebenso hinfällig ist sein Hohn an andrer Stelle, „daß diejenigen, die auf die Unterstützung solcher Parteien rechneten, kein Frauenstimmrecht wollten, sondern ein Damenstimmrecht“. Jch glaube, wir werden diesen Hohn ebenso gelassen tragen, wie denselben Vorwurf, der der Frauenbewegung so oft gemacht worden ist, sie wäre eine Damenbewegung. Den Millionen von Frauen und Mädchen, die in den Fabriken spinnen und weben, Zigarren drehen usw., verdanken wir die sozialen und rechtlichen Fortschritte nicht, die wir errungen haben, sondern den klugen und besonnenen Führerinnen der bürgerlichen Frauenbewegung ist es zu verdanken, wenn wir jetzt Frauen in der Armen- und Waisenpflege, Jugendfürsorge, beim Jugendgericht usw. usw. haben. Die 90 % ungelernter Arbeiterinnen unter den 9 ½ Millionen erwerbstätiger Frauen hätten diese Fortschritte nie erringen können. Die 10 % der gebildeten erwerbstätigen Frauen, das sind die für die sozialen Fortschritte wertvollen. Das Elend der erwerbstätigen Massen ist nur die Grundursache, daß diese sozialen und rechtlichen Fortschritte gefordert und notwendig wurden; daß wir sie erhalten haben, ist das Verdienst gebildeter Männer und Frauen, liberaler und konservativer, so gut, wie sozialdemokratischer, die mit Wort und Schrift dafür gearbeitet haben. Wenn wir nun mittelst irgendeines, wenn auch be- schränkten Wahlrechts, es erst erreicht hätten, daß wir einige dieser Führerinnen in den Gemeindeverwaltungen usw. hätten, wäre damit nicht ungeheuer viel gewonnen? Würden diese Wenigen nicht schon jetzt unendlich viel für die Kulturpolitik, die wir vom Staat ver- langen müssen, und die der Staat um der inneren Gesundheit unseres Volkes willen wird annehmen müssen, leisten können, und wäre das nicht wertvoller, als wenn vielleicht erst nach Jahrzehnten auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts durch hunderttausende von Stimmen von Land- oder Fabrikarbeiterinnen vielleicht einige Frauen mehr gewählt würden?

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-05T18:44:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-05T18:44:52Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahnson_satzungen_1912/11>, abgerufen am 29.03.2024.