Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite

Uebungen des Verstandes etc.
nahme aus der allgemeinen Regel gemacht werden
müsse. Diese Ueberlegung will ich dir erleichtern.

Wenn die Ausnahme, nach deren Rechtmäßig-
keit gefragt wird, nur zum Vortheile deiner
selbst
und der Deinigen gereichen würde, und wenn
die Ausnahme auf etwas Geringeres, als auf die
Vermeidung der Gefahr des Lebens und der Glie-
der abzielet: so bleibe bey der Regel und mache keine
Ausnahme. Denn es ist wahrscheinlich, daß du
von dem Nutzen der Ausnahme mit Partheylichkeit
urtheilest.

Aber dein Leben und deine Glieder aus
einer augenscheinlichen Gefahr, welche auf keine
regelmäßige Art vermieden werden kann, zu retten,
ist es dir allerdings erlaubt, Ausnahme zu machen,
wenn durch die unregelmäßige Handlung andern
nur ein geringerer Schaden verursacht wird.

Zum Besten anderer, welche du nicht mit
Affecte liebst, ist es dir öfterer erlaubt, im Noth-
falle Ausnahmen von gemeinnützigen Regeln zu
machen. Denn die Partheylichkeit deines Urtheils
ist alsdann nicht so sehr zu besorgen.

Ueberhaupt, wenn in einem Nothfalle die Ab-
weichung von der sonst gemeinnützigen Regel, be-
kannt werden darf, ohne Besorgung der Schan-
de und der obrigkeitlichen Strafe:
so ist die
Ausnahme gemeinnützig und nicht wider die Tu-
gend. Denn das allgemeine Urtheil der Menschen

und

Uebungen des Verſtandes ꝛc.
nahme aus der allgemeinen Regel gemacht werden
muͤſſe. Dieſe Ueberlegung will ich dir erleichtern.

Wenn die Ausnahme, nach deren Rechtmaͤßig-
keit gefragt wird, nur zum Vortheile deiner
ſelbſt
und der Deinigen gereichen wuͤrde, und wenn
die Ausnahme auf etwas Geringeres, als auf die
Vermeidung der Gefahr des Lebens und der Glie-
der abzielet: ſo bleibe bey der Regel und mache keine
Ausnahme. Denn es iſt wahrſcheinlich, daß du
von dem Nutzen der Ausnahme mit Partheylichkeit
urtheileſt.

Aber dein Leben und deine Glieder aus
einer augenſcheinlichen Gefahr, welche auf keine
regelmaͤßige Art vermieden werden kann, zu retten,
iſt es dir allerdings erlaubt, Ausnahme zu machen,
wenn durch die unregelmaͤßige Handlung andern
nur ein geringerer Schaden verurſacht wird.

Zum Beſten anderer, welche du nicht mit
Affecte liebſt, iſt es dir oͤfterer erlaubt, im Noth-
falle Ausnahmen von gemeinnuͤtzigen Regeln zu
machen. Denn die Partheylichkeit deines Urtheils
iſt alsdann nicht ſo ſehr zu beſorgen.

Ueberhaupt, wenn in einem Nothfalle die Ab-
weichung von der ſonſt gemeinnuͤtzigen Regel, be-
kannt werden darf, ohne Beſorgung der Schan-
de und der obrigkeitlichen Strafe:
ſo iſt die
Ausnahme gemeinnuͤtzig und nicht wider die Tu-
gend. Denn das allgemeine Urtheil der Menſchen

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="125"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Uebungen des Ver&#x017F;tandes &#xA75B;c.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">nahme</hi> aus der allgemeinen Regel gemacht werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e Ueberlegung will ich dir erleichtern.</p><lb/>
          <p>Wenn die Ausnahme, nach deren Rechtma&#x0364;ßig-<lb/>
keit gefragt wird, nur <hi rendition="#fr">zum Vortheile deiner<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t</hi> und der Deinigen gereichen wu&#x0364;rde, und wenn<lb/>
die Ausnahme auf etwas Geringeres, als auf die<lb/>
Vermeidung der Gefahr des Lebens und der Glie-<lb/>
der abzielet: &#x017F;o bleibe bey der Regel und mache keine<lb/>
Ausnahme. Denn es i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich, daß du<lb/>
von dem Nutzen der Ausnahme mit Partheylichkeit<lb/>
urtheile&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Aber <hi rendition="#fr">dein Leben und deine Glieder</hi> aus<lb/>
einer augen&#x017F;cheinlichen Gefahr, welche auf keine<lb/>
regelma&#x0364;ßige Art vermieden werden kann, zu retten,<lb/>
i&#x017F;t es dir allerdings erlaubt, Ausnahme zu machen,<lb/>
wenn durch die unregelma&#x0364;ßige Handlung andern<lb/>
nur ein geringerer Schaden verur&#x017F;acht wird.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Zum Be&#x017F;ten anderer,</hi> welche du nicht mit<lb/>
Affecte lieb&#x017F;t, i&#x017F;t es dir o&#x0364;fterer erlaubt, im Noth-<lb/>
falle Ausnahmen von gemeinnu&#x0364;tzigen Regeln zu<lb/>
machen. Denn die Partheylichkeit deines Urtheils<lb/>
i&#x017F;t alsdann nicht &#x017F;o &#x017F;ehr zu be&#x017F;orgen.</p><lb/>
          <p>Ueberhaupt, wenn in einem Nothfalle die Ab-<lb/>
weichung von der &#x017F;on&#x017F;t gemeinnu&#x0364;tzigen Regel, be-<lb/>
kannt werden darf, <hi rendition="#fr">ohne Be&#x017F;orgung der Schan-<lb/>
de und der obrigkeitlichen Strafe:</hi> &#x017F;o i&#x017F;t die<lb/>
Ausnahme gemeinnu&#x0364;tzig und nicht wider die Tu-<lb/>
gend. Denn das allgemeine Urtheil der Men&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0149] Uebungen des Verſtandes ꝛc. nahme aus der allgemeinen Regel gemacht werden muͤſſe. Dieſe Ueberlegung will ich dir erleichtern. Wenn die Ausnahme, nach deren Rechtmaͤßig- keit gefragt wird, nur zum Vortheile deiner ſelbſt und der Deinigen gereichen wuͤrde, und wenn die Ausnahme auf etwas Geringeres, als auf die Vermeidung der Gefahr des Lebens und der Glie- der abzielet: ſo bleibe bey der Regel und mache keine Ausnahme. Denn es iſt wahrſcheinlich, daß du von dem Nutzen der Ausnahme mit Partheylichkeit urtheileſt. Aber dein Leben und deine Glieder aus einer augenſcheinlichen Gefahr, welche auf keine regelmaͤßige Art vermieden werden kann, zu retten, iſt es dir allerdings erlaubt, Ausnahme zu machen, wenn durch die unregelmaͤßige Handlung andern nur ein geringerer Schaden verurſacht wird. Zum Beſten anderer, welche du nicht mit Affecte liebſt, iſt es dir oͤfterer erlaubt, im Noth- falle Ausnahmen von gemeinnuͤtzigen Regeln zu machen. Denn die Partheylichkeit deines Urtheils iſt alsdann nicht ſo ſehr zu beſorgen. Ueberhaupt, wenn in einem Nothfalle die Ab- weichung von der ſonſt gemeinnuͤtzigen Regel, be- kannt werden darf, ohne Beſorgung der Schan- de und der obrigkeitlichen Strafe: ſo iſt die Ausnahme gemeinnuͤtzig und nicht wider die Tu- gend. Denn das allgemeine Urtheil der Menſchen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/149
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/149>, abgerufen am 29.03.2024.