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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

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Uebungen des Verstandes,
der Hauptsache eben so gute Beweisthümer, als
das geglaubte Gerücht.
10) Wenn ein Mensch auf der Tortur ge-
zwungen wird, Etwas zugestehen, oder zu bezeugen:
so ist sein Geständniß und Zeugniß wahrscheinlicher-
weise so eingerichtet, daß er am geschwindesten der
Quaal überhoben werde; oder, wenn die Furcht
der künftigen Strafe größer ist, daß er derselben
entgehen könne. Das Zeugniß an sich giebt der
Sache nicht mehr Wahrscheinlichkeit, als sie vorher
hatte. Aber oftmals werden alsdann Umstände
gesagt, deren Wahrheit auf eine andre Art unter-
sucht werden, und in der ganzen Sache ein Licht
geben kann.
11) Wenn viele Zeugen von einer Sache ganz
einerley oder zu ähnliche Worte brauchen; wenn
in den allerkleinsten Umständen, die man nicht zu-
bemerken, oder wobey man leicht Etwas zu versehen
pflegt, einer mit dem andern genau übereinstimmt:
so haben sie sich verabredet, Etwas falsch zu
bezeugen.
12) Wenn ein Gerücht wider den Willen Vieler
geglaubt wird, und die Falschheit desselben vor den
Augen aller Welt leicht dargethan werden könnte,
und wenn die Gegner entweder schweigen, oder sich
mit unwahrscheinlichen Ausflüchten behelfen: so ist
dieses Verhalten der Gegner ein Beweis der
Wahrheit des Gerüchts.
13) Wenn
Uebungen des Verſtandes,
der Hauptſache eben ſo gute Beweisthuͤmer, als
das geglaubte Geruͤcht.
10) Wenn ein Menſch auf der Tortur ge-
zwungen wird, Etwas zugeſtehen, oder zu bezeugen:
ſo iſt ſein Geſtaͤndniß und Zeugniß wahrſcheinlicher-
weiſe ſo eingerichtet, daß er am geſchwindeſten der
Quaal uͤberhoben werde; oder, wenn die Furcht
der kuͤnftigen Strafe groͤßer iſt, daß er derſelben
entgehen koͤnne. Das Zeugniß an ſich giebt der
Sache nicht mehr Wahrſcheinlichkeit, als ſie vorher
hatte. Aber oftmals werden alsdann Umſtaͤnde
geſagt, deren Wahrheit auf eine andre Art unter-
ſucht werden, und in der ganzen Sache ein Licht
geben kann.
11) Wenn viele Zeugen von einer Sache ganz
einerley oder zu aͤhnliche Worte brauchen; wenn
in den allerkleinſten Umſtaͤnden, die man nicht zu-
bemerken, oder wobey man leicht Etwas zu verſehen
pflegt, einer mit dem andern genau uͤbereinſtimmt:
ſo haben ſie ſich verabredet, Etwas falſch zu
bezeugen.
12) Wenn ein Geruͤcht wider den Willen Vieler
geglaubt wird, und die Falſchheit deſſelben vor den
Augen aller Welt leicht dargethan werden koͤnnte,
und wenn die Gegner entweder ſchweigen, oder ſich
mit unwahrſcheinlichen Ausfluͤchten behelfen: ſo iſt
dieſes Verhalten der Gegner ein Beweis der
Wahrheit des Geruͤchts.
13) Wenn
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[144/0168] Uebungen des Verſtandes, der Hauptſache eben ſo gute Beweisthuͤmer, als das geglaubte Geruͤcht. 10) Wenn ein Menſch auf der Tortur ge- zwungen wird, Etwas zugeſtehen, oder zu bezeugen: ſo iſt ſein Geſtaͤndniß und Zeugniß wahrſcheinlicher- weiſe ſo eingerichtet, daß er am geſchwindeſten der Quaal uͤberhoben werde; oder, wenn die Furcht der kuͤnftigen Strafe groͤßer iſt, daß er derſelben entgehen koͤnne. Das Zeugniß an ſich giebt der Sache nicht mehr Wahrſcheinlichkeit, als ſie vorher hatte. Aber oftmals werden alsdann Umſtaͤnde geſagt, deren Wahrheit auf eine andre Art unter- ſucht werden, und in der ganzen Sache ein Licht geben kann. 11) Wenn viele Zeugen von einer Sache ganz einerley oder zu aͤhnliche Worte brauchen; wenn in den allerkleinſten Umſtaͤnden, die man nicht zu- bemerken, oder wobey man leicht Etwas zu verſehen pflegt, einer mit dem andern genau uͤbereinſtimmt: ſo haben ſie ſich verabredet, Etwas falſch zu bezeugen. 12) Wenn ein Geruͤcht wider den Willen Vieler geglaubt wird, und die Falſchheit deſſelben vor den Augen aller Welt leicht dargethan werden koͤnnte, und wenn die Gegner entweder ſchweigen, oder ſich mit unwahrſcheinlichen Ausfluͤchten behelfen: ſo iſt dieſes Verhalten der Gegner ein Beweis der Wahrheit des Geruͤchts. 13) Wenn

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/168>, abgerufen am 28.03.2024.