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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

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Mitteln Gottes, diesen Zerrüttungen abzuhelfen,
und von der grossen Wichtigkeit des künftigen
unsterblichen Lebens. Der Christ ist in mindrer
Gefahr, an der Unsterblichkeit seiner Seele und
an dem neuen künftigen Leben zu zweifeln, da
er glaubt, daß Jesus nach seiner eignen Auferste-
hung durch seine Jünger die Welt davon versichert
hat. Der Naturalist mag sich faur so gebessert
halten, als er will, er hat doch gesaundiget, und
sein ferneres Leben wird auch nicht vollkommen
rein bleiben. Nicht alle Sünden werden in diesem
Leben bestraft, und er weis nicht, wie strenge
Gott strafen müsse. Der nachdenkende Naturalist
muß also sich mit einer zitternden Furcht bey
Gefahr und Annährung des Todes in die Hände
Gottes liefern, weil ihm unbekannt ist, ob er
ohne peinliche Strafe Vergebung haben könne.
Aber der bekehrte und gläubige Christ hält sich
von der Gnade für versichert, und hat Recht, in
entzückender Freude zu sterben. Er sieht in eine
grosse Geisterwelt hinein, nach deren Gemein-
schaft ihn verlangen muß. Und dennoch be-
schwert ihn seine Religion nicht mit ungemein-
nützigen und beschwerlichen Gebräuchen; sie
zwingt ihn nicht unter ein Joch der Priester, als
welche nach dem offenbaren Innhalte des Evan-
geliums Jesu und des apostolischen Christenthums
keine irrdische Macht zu befehlen, sondern nur

das

Mitteln Gottes, dieſen Zerrüttungen abzuhelfen,
und von der groſſen Wichtigkeit des künftigen
unſterblichen Lebens. Der Chriſt iſt in mindrer
Gefahr, an der Unſterblichkeit ſeiner Seele und
an dem neuen künftigen Leben zu zweifeln, da
er glaubt, daß Jeſus nach ſeiner eignen Auferſte-
hung durch ſeine Jünger die Welt davon verſichert
hat. Der Naturaliſt mag ſich fûr ſo gebeſſert
halten, als er will, er hat doch geſûndiget, und
ſein ferneres Leben wird auch nicht vollkommen
rein bleiben. Nicht alle Sünden werden in dieſem
Leben beſtraft, und er weis nicht, wie ſtrenge
Gott ſtrafen müſſe. Der nachdenkende Naturaliſt
muß alſo ſich mit einer zitternden Furcht bey
Gefahr und Annährung des Todes in die Hände
Gottes liefern, weil ihm unbekannt iſt, ob er
ohne peinliche Strafe Vergebung haben könne.
Aber der bekehrte und gläubige Chriſt hält ſich
von der Gnade für verſichert, und hat Recht, in
entzückender Freude zu ſterben. Er ſieht in eine
groſſe Geiſterwelt hinein, nach deren Gemein-
ſchaft ihn verlangen muß. Und dennoch be-
ſchwert ihn ſeine Religion nicht mit ungemein-
nützigen und beſchwerlichen Gebräuchen; ſie
zwingt ihn nicht unter ein Joch der Prieſter, als
welche nach dem offenbaren Innhalte des Evan-
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[172/0196] Mitteln Gottes, dieſen Zerrüttungen abzuhelfen, und von der groſſen Wichtigkeit des künftigen unſterblichen Lebens. Der Chriſt iſt in mindrer Gefahr, an der Unſterblichkeit ſeiner Seele und an dem neuen künftigen Leben zu zweifeln, da er glaubt, daß Jeſus nach ſeiner eignen Auferſte- hung durch ſeine Jünger die Welt davon verſichert hat. Der Naturaliſt mag ſich fûr ſo gebeſſert halten, als er will, er hat doch geſûndiget, und ſein ferneres Leben wird auch nicht vollkommen rein bleiben. Nicht alle Sünden werden in dieſem Leben beſtraft, und er weis nicht, wie ſtrenge Gott ſtrafen müſſe. Der nachdenkende Naturaliſt muß alſo ſich mit einer zitternden Furcht bey Gefahr und Annährung des Todes in die Hände Gottes liefern, weil ihm unbekannt iſt, ob er ohne peinliche Strafe Vergebung haben könne. Aber der bekehrte und gläubige Chriſt hält ſich von der Gnade für verſichert, und hat Recht, in entzückender Freude zu ſterben. Er ſieht in eine groſſe Geiſterwelt hinein, nach deren Gemein- ſchaft ihn verlangen muß. Und dennoch be- ſchwert ihn ſeine Religion nicht mit ungemein- nützigen und beſchwerlichen Gebräuchen; ſie zwingt ihn nicht unter ein Joch der Prieſter, als welche nach dem offenbaren Innhalte des Evan- geliums Jeſu und des apoſtoliſchen Chriſtenthums keine irrdiſche Macht zu befehlen, ſondern nur das

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/196>, abgerufen am 29.03.2024.