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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

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Die Sittenlehre
richtet dein Leben, und läßt sich durch vieles Ru-
fen und Schreyen nicht erbitten. Du weißt schon
mehr Mittel des demüthigen Vertrauens zu Gott
in solchen Umständen. Aber ich will sie hier nicht
anführen.

Der Verlust der Glieder, besonders die zu
den Sinnen gehören, ist an Wirkungen fast einer
beständigen Krankheit gleich, und macht dich scheuß-
lich und unnützer. Laß dich von Vernünftigen,
oder durch dein eignes Nachdenken, und durch die
Erfahrung an andern, vor denen Handlungen
und Umständen warnen, welche mit solchen Gefah-
ren verbunden sind.

§. 34.

Das menschliche Leben muß den Seelen
nützlich seyn. Denn es ist eine allgemeine Wir-
kung der Natur. Du kannst nicht beurtheilen,
oder dir doch das Urtheil nicht zutrauen, wann
es dir und andern nützlich zu seyn aufhöre. Also
ist der freywillige Tod, wenn uns die Ausübung
der Tugend nicht durch wahrscheinliche Zufälle
oder durch andre Menschen tödten wird, allezeit
Sünde, und heißt deswegen Selbstmord.

Wer sich in Schmerz und Widerwärtigkeit das
Leben nimmt, hätte sich das Urtheil, daß er immer
traurig, schmerzvoll, unglücklich und unbrauchbar

in

Die Sittenlehre
richtet dein Leben, und laͤßt ſich durch vieles Ru-
fen und Schreyen nicht erbitten. Du weißt ſchon
mehr Mittel des demuͤthigen Vertrauens zu Gott
in ſolchen Umſtaͤnden. Aber ich will ſie hier nicht
anfuͤhren.

Der Verluſt der Glieder, beſonders die zu
den Sinnen gehoͤren, iſt an Wirkungen faſt einer
beſtaͤndigen Krankheit gleich, und macht dich ſcheuß-
lich und unnuͤtzer. Laß dich von Vernuͤnftigen,
oder durch dein eignes Nachdenken, und durch die
Erfahrung an andern, vor denen Handlungen
und Umſtaͤnden warnen, welche mit ſolchen Gefah-
ren verbunden ſind.

§. 34.

Das menſchliche Leben muß den Seelen
nuͤtzlich ſeyn. Denn es iſt eine allgemeine Wir-
kung der Natur. Du kannſt nicht beurtheilen,
oder dir doch das Urtheil nicht zutrauen, wann
es dir und andern nuͤtzlich zu ſeyn aufhoͤre. Alſo
iſt der freywillige Tod, wenn uns die Ausuͤbung
der Tugend nicht durch wahrſcheinliche Zufaͤlle
oder durch andre Menſchen toͤdten wird, allezeit
Suͤnde, und heißt deswegen Selbſtmord.

Wer ſich in Schmerz und Widerwaͤrtigkeit das
Leben nimmt, haͤtte ſich das Urtheil, daß er immer
traurig, ſchmerzvoll, ungluͤcklich und unbrauchbar

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[66/0090] Die Sittenlehre richtet dein Leben, und laͤßt ſich durch vieles Ru- fen und Schreyen nicht erbitten. Du weißt ſchon mehr Mittel des demuͤthigen Vertrauens zu Gott in ſolchen Umſtaͤnden. Aber ich will ſie hier nicht anfuͤhren. Der Verluſt der Glieder, beſonders die zu den Sinnen gehoͤren, iſt an Wirkungen faſt einer beſtaͤndigen Krankheit gleich, und macht dich ſcheuß- lich und unnuͤtzer. Laß dich von Vernuͤnftigen, oder durch dein eignes Nachdenken, und durch die Erfahrung an andern, vor denen Handlungen und Umſtaͤnden warnen, welche mit ſolchen Gefah- ren verbunden ſind. §. 34. Das menſchliche Leben muß den Seelen nuͤtzlich ſeyn. Denn es iſt eine allgemeine Wir- kung der Natur. Du kannſt nicht beurtheilen, oder dir doch das Urtheil nicht zutrauen, wann es dir und andern nuͤtzlich zu ſeyn aufhoͤre. Alſo iſt der freywillige Tod, wenn uns die Ausuͤbung der Tugend nicht durch wahrſcheinliche Zufaͤlle oder durch andre Menſchen toͤdten wird, allezeit Suͤnde, und heißt deswegen Selbſtmord. Wer ſich in Schmerz und Widerwaͤrtigkeit das Leben nimmt, haͤtte ſich das Urtheil, daß er immer traurig, ſchmerzvoll, ungluͤcklich und unbrauchbar in

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Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/90>, abgerufen am 29.03.2024.