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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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8) Die in die Provinzen kommenden Grafen, Beamten und Bischöfe hatten
anzusprechen: freies Quartier (Albergaria), freien Transport und Fahrt und freie
Verköstigung (Parata, Missaticum, Atzung), welche sehr viel betrug und durch be-
sondere königliche Vollmachten (Tractatoria) bestimmt wurde. Die Frohnden waren
entweder wirkliche Spanndienste (Straßen- und Herrenfrohnden, Angaria, Paran-
garia,
Nothreißen) oder bloßes Herleihen von Pferden (Paravedi -- Canciani IV.
207).
Lang, histor. Entwickelung. S. 29. Hüllmann, Finanzgeschichte. S. 93.
Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. v. Löw, a. a. O. S. 58. 92.
9) Die Inferenda in Naturalien oder Geld nach festen Taxen von eroberten
Ländern, z. B. in Thüringen, später auch von den Sachsen und Slaven. Lang,
histor. Entw. S. 26-27.
10) Der Solidus enthielt 40 Denare, wovon 500 auf ein Pfund Silber
gingen. Werth des Goldes zum Silber = 1 : 12. Eichhorn, deutsche Staats-
und Rechtsgeschichte. I. §. 89. Lex Salica. Tit. 1. cap. 1. Canciani II. 17.
§. 8.
Kammergüter und Kammerverwaltung unter den
fränkischen Königen
(v. J. 534-888).

Es kam jetzt, besonders unter Carl d. Gr., weit mehr Ord-
nung in die gesammte Staatsverwaltung. Es trat in einer ge-
naueren Abgränzung hervor:

I. Das Ministerium, welches noch fast aus den nämlichen Per-
sonen wie in voriger Periode bestand. Die dasselbe bildende Behörden
waren früher nämlich 1) der Major domus (Befehlshaber der könig-
lichen Leute). Aus ihm war das jetzige kaiserliche Haus hervorgegangen
und er fiel folglich für diese Periode hinweg. 2) Der Referendarius,
welcher früher von einem Weltlichen besetzt war. Da es jetzt eines ei-
genen Ministers der geistlichen Angelegenheiten bedurfte, so wurde
diese Stelle, unter dem Titel Apocrifiarius, von einem Geistlichen
besetzt und er hieß auch Archicapellanus, weil er auch die Aufsicht
über die Hofkanzlei und Hofgeistlichkeit hatte. 3) Der Comes palatii
(Pfalzgraf), welcher ein Richter im Hofgerichte gewesen war, jetzt
einen erweiterten Geschäftskreis hatte, und Minister der weltlichen
Angelegenheiten ward. 4) Der Cubicularius, jetzt auch Camerarius
(Kämmerer) genannt, welcher der Minister der königlichen Ein-
künfte und des königlichen Hauses war. Er war aber eigentlich
nur oberster Erheber und Verwalter des königlichen Privateinkom-
mens und Vermögens und stand als solcher unter den Befehlen der
Königin1).

II. Die Reichsstände, zur Ueberlegung aller wichtigen
Reichsangelegenheiten und zur Ordnung aller Reichsangelegen-
heiten. Sie wurden im Frühjahre gehalten, und es versammelten
sich die Bischöfe, Aebte, der Adel und die Hof- und Staats-
beamten als Berathende. Die anderen Anwesenden hatten keine
Berathungsstimme. In diesen Reichstagen wurden die Capitu-

8) Die in die Provinzen kommenden Grafen, Beamten und Biſchöfe hatten
anzuſprechen: freies Quartier (Albergaria), freien Transport und Fahrt und freie
Verköſtigung (Parata, Missaticum, Atzung), welche ſehr viel betrug und durch be-
ſondere königliche Vollmachten (Tractatoria) beſtimmt wurde. Die Frohnden waren
entweder wirkliche Spanndienſte (Straßen- und Herrenfrohnden, Angaria, Paran-
garia,
Nothreißen) oder bloßes Herleihen von Pferden (Paravedi — Canciani IV.
207).
Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 29. Hüllmann, Finanzgeſchichte. S. 93.
Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. v. Löw, a. a. O. S. 58. 92.
9) Die Inferenda in Naturalien oder Geld nach feſten Taxen von eroberten
Ländern, z. B. in Thüringen, ſpäter auch von den Sachſen und Slaven. Lang,
hiſtor. Entw. S. 26–27.
10) Der Solidus enthielt 40 Denare, wovon 500 auf ein Pfund Silber
gingen. Werth des Goldes zum Silber = 1 : 12. Eichhorn, deutſche Staats-
und Rechtsgeſchichte. I. §. 89. Lex Salica. Tit. 1. cap. 1. Canciani II. 17.
§. 8.
Kammergüter und Kammerverwaltung unter den
fränkiſchen Königen
(v. J. 534–888).

Es kam jetzt, beſonders unter Carl d. Gr., weit mehr Ord-
nung in die geſammte Staatsverwaltung. Es trat in einer ge-
naueren Abgränzung hervor:

I. Das Miniſterium, welches noch faſt aus den nämlichen Per-
ſonen wie in voriger Periode beſtand. Die daſſelbe bildende Behörden
waren früher nämlich 1) der Major domus (Befehlshaber der könig-
lichen Leute). Aus ihm war das jetzige kaiſerliche Haus hervorgegangen
und er fiel folglich für dieſe Periode hinweg. 2) Der Referendarius,
welcher früher von einem Weltlichen beſetzt war. Da es jetzt eines ei-
genen Miniſters der geiſtlichen Angelegenheiten bedurfte, ſo wurde
dieſe Stelle, unter dem Titel Apocrifiarius, von einem Geiſtlichen
beſetzt und er hieß auch Archicapellanus, weil er auch die Aufſicht
über die Hofkanzlei und Hofgeiſtlichkeit hatte. 3) Der Comes palatii
(Pfalzgraf), welcher ein Richter im Hofgerichte geweſen war, jetzt
einen erweiterten Geſchäftskreis hatte, und Miniſter der weltlichen
Angelegenheiten ward. 4) Der Cubicularius, jetzt auch Camerarius
(Kämmerer) genannt, welcher der Miniſter der königlichen Ein-
künfte und des königlichen Hauſes war. Er war aber eigentlich
nur oberſter Erheber und Verwalter des königlichen Privateinkom-
mens und Vermögens und ſtand als ſolcher unter den Befehlen der
Königin1).

II. Die Reichsſtände, zur Ueberlegung aller wichtigen
Reichsangelegenheiten und zur Ordnung aller Reichsangelegen-
heiten. Sie wurden im Frühjahre gehalten, und es verſammelten
ſich die Biſchöfe, Aebte, der Adel und die Hof- und Staats-
beamten als Berathende. Die anderen Anweſenden hatten keine
Berathungsſtimme. In dieſen Reichstagen wurden die Capitu-

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[8/0030] ⁸⁾ Die in die Provinzen kommenden Grafen, Beamten und Biſchöfe hatten anzuſprechen: freies Quartier (Albergaria), freien Transport und Fahrt und freie Verköſtigung (Parata, Missaticum, Atzung), welche ſehr viel betrug und durch be- ſondere königliche Vollmachten (Tractatoria) beſtimmt wurde. Die Frohnden waren entweder wirkliche Spanndienſte (Straßen- und Herrenfrohnden, Angaria, Paran- garia, Nothreißen) oder bloßes Herleihen von Pferden (Paravedi — Canciani IV. 207). Lang, hiſtor. Entwickelung. S. 29. Hüllmann, Finanzgeſchichte. S. 93. Eigenbrodt, Ueber die Bedeabgaben. §. 17. v. Löw, a. a. O. S. 58. 92. ⁹⁾ Die Inferenda in Naturalien oder Geld nach feſten Taxen von eroberten Ländern, z. B. in Thüringen, ſpäter auch von den Sachſen und Slaven. Lang, hiſtor. Entw. S. 26–27. ¹⁰⁾ Der Solidus enthielt 40 Denare, wovon 500 auf ein Pfund Silber gingen. Werth des Goldes zum Silber = 1 : 12. Eichhorn, deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte. I. §. 89. Lex Salica. Tit. 1. cap. 1. Canciani II. 17. §. 8. Kammergüter und Kammerverwaltung unter den fränkiſchen Königen (v. J. 534–888). Es kam jetzt, beſonders unter Carl d. Gr., weit mehr Ord- nung in die geſammte Staatsverwaltung. Es trat in einer ge- naueren Abgränzung hervor: I. Das Miniſterium, welches noch faſt aus den nämlichen Per- ſonen wie in voriger Periode beſtand. Die daſſelbe bildende Behörden waren früher nämlich 1) der Major domus (Befehlshaber der könig- lichen Leute). Aus ihm war das jetzige kaiſerliche Haus hervorgegangen und er fiel folglich für dieſe Periode hinweg. 2) Der Referendarius, welcher früher von einem Weltlichen beſetzt war. Da es jetzt eines ei- genen Miniſters der geiſtlichen Angelegenheiten bedurfte, ſo wurde dieſe Stelle, unter dem Titel Apocrifiarius, von einem Geiſtlichen beſetzt und er hieß auch Archicapellanus, weil er auch die Aufſicht über die Hofkanzlei und Hofgeiſtlichkeit hatte. 3) Der Comes palatii (Pfalzgraf), welcher ein Richter im Hofgerichte geweſen war, jetzt einen erweiterten Geſchäftskreis hatte, und Miniſter der weltlichen Angelegenheiten ward. 4) Der Cubicularius, jetzt auch Camerarius (Kämmerer) genannt, welcher der Miniſter der königlichen Ein- künfte und des königlichen Hauſes war. Er war aber eigentlich nur oberſter Erheber und Verwalter des königlichen Privateinkom- mens und Vermögens und ſtand als ſolcher unter den Befehlen der Königin1). II. Die Reichsſtände, zur Ueberlegung aller wichtigen Reichsangelegenheiten und zur Ordnung aller Reichsangelegen- heiten. Sie wurden im Frühjahre gehalten, und es verſammelten ſich die Biſchöfe, Aebte, der Adel und die Hof- und Staats- beamten als Berathende. Die anderen Anweſenden hatten keine Berathungsſtimme. In dieſen Reichstagen wurden die Capitu-

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/30>, abgerufen am 25.04.2024.