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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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bis zum höchsten Künstler, Gelehrten und Staatsbeamten erschei-
nen, so müssen sie immer volkswirthschaftlich als sehr wichtig gelten.
Ihre Leistungen stehen mit dem Volkswohlstande im unmittelbarsten
Zusammenhange sowohl in Betreff der Production als des Genusses,
und ihre standesmäßige Existenz ist eine der wichtigsten Bedingungen
des Bestandes der Staaten. Eine zu große Menge solcher Staats-
glieder senkt bei freier Concurrenz den Lohn und bringt dann Miß-
verhältnisse zufolge von Nahrungslosigkeit hervor, welche, wenn
der Bildungsgrad dieser Klasse auch noch sehr niedrig ist, die
öffentliche und allgemeine Ruhe sowie das Eigenthum auf das
Höchste gefährden. Anderseits aber dient die Lebensart und Be-
handlung der Arbeiter, besonders in den Fabrikländern, öfters
dazu, eine schwächliche, unsittliche und geistig ganz verwahrloste
Bevölkerung zu creiren, ein Umstand, der um so gefährlicher ist,
je mehr die Gewerksarbeit die Oberhand über die Urgewerbe hat.
Niemals wird sich in solchen Ländern eine gleichmäßige Güter-
vertheilung, und eben so wenig ein wohlhabender Mittelstand von
Bedeutung herstellen.



Zweite Abtheilung.
Volkswirthschaftliche Betriebslehre.
Einleitung.
§. 438.

Die Aufgabe dieses Theiles der Nationalöconomie ist bereits
oben (§. 394.) erörtert. Obschon derselbe nicht bloße Staatswis-
senschaft ist, so gehört doch zum Theile sein Gegenstand unter die
Objecte der Staatsverwaltung, und es ist nothwendig, den Grund-
satz festzusetzen und festzuhalten, von dem die Regirung in der
Leitung der Volkswirthschaft auszugehen hat. Derselbe, so be-
stritten er auch ist, ergibt sich sehr leicht aus dem Wesen und
Gehalte der Staatsverwaltung. Denn diese kann nur auf zwei
Hauptmassen Bezug haben, nämlich auf die Rechte und auf die
Güter (§. 37. 38.). Diese Scheidung rechtfertigt sich von selbst,
weil die Letzteren auch im Einzelleben der Menschen vorhanden
sein können, während die Rechte erst ein Product des Zusammen-
lebens der Menschen sind, aus welchem sich das Rechtsgesetz ergibt,
und weil die Rechte sich nur auf Güter beziehen können. Was
den Erwerb, die Erhaltung und den Gebrauch von Rechten und
Gütern anbelangt, so stehen der Staat, als Totalität, die Ge-

bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten erſchei-
nen, ſo müſſen ſie immer volkswirthſchaftlich als ſehr wichtig gelten.
Ihre Leiſtungen ſtehen mit dem Volkswohlſtande im unmittelbarſten
Zuſammenhange ſowohl in Betreff der Production als des Genuſſes,
und ihre ſtandesmäßige Exiſtenz iſt eine der wichtigſten Bedingungen
des Beſtandes der Staaten. Eine zu große Menge ſolcher Staats-
glieder ſenkt bei freier Concurrenz den Lohn und bringt dann Miß-
verhältniſſe zufolge von Nahrungsloſigkeit hervor, welche, wenn
der Bildungsgrad dieſer Klaſſe auch noch ſehr niedrig iſt, die
öffentliche und allgemeine Ruhe ſowie das Eigenthum auf das
Höchſte gefährden. Anderſeits aber dient die Lebensart und Be-
handlung der Arbeiter, beſonders in den Fabrikländern, öfters
dazu, eine ſchwächliche, unſittliche und geiſtig ganz verwahrloste
Bevölkerung zu creiren, ein Umſtand, der um ſo gefährlicher iſt,
je mehr die Gewerksarbeit die Oberhand über die Urgewerbe hat.
Niemals wird ſich in ſolchen Ländern eine gleichmäßige Güter-
vertheilung, und eben ſo wenig ein wohlhabender Mittelſtand von
Bedeutung herſtellen.



Zweite Abtheilung.
Volkswirthſchaftliche Betriebslehre.
Einleitung.
§. 438.

Die Aufgabe dieſes Theiles der Nationalöconomie iſt bereits
oben (§. 394.) erörtert. Obſchon derſelbe nicht bloße Staatswiſ-
ſenſchaft iſt, ſo gehört doch zum Theile ſein Gegenſtand unter die
Objecte der Staatsverwaltung, und es iſt nothwendig, den Grund-
ſatz feſtzuſetzen und feſtzuhalten, von dem die Regirung in der
Leitung der Volkswirthſchaft auszugehen hat. Derſelbe, ſo be-
ſtritten er auch iſt, ergibt ſich ſehr leicht aus dem Weſen und
Gehalte der Staatsverwaltung. Denn dieſe kann nur auf zwei
Hauptmaſſen Bezug haben, nämlich auf die Rechte und auf die
Güter (§. 37. 38.). Dieſe Scheidung rechtfertigt ſich von ſelbſt,
weil die Letzteren auch im Einzelleben der Menſchen vorhanden
ſein können, während die Rechte erſt ein Product des Zuſammen-
lebens der Menſchen ſind, aus welchem ſich das Rechtsgeſetz ergibt,
und weil die Rechte ſich nur auf Güter beziehen können. Was
den Erwerb, die Erhaltung und den Gebrauch von Rechten und
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[621/0643] bis zum höchſten Künſtler, Gelehrten und Staatsbeamten erſchei- nen, ſo müſſen ſie immer volkswirthſchaftlich als ſehr wichtig gelten. Ihre Leiſtungen ſtehen mit dem Volkswohlſtande im unmittelbarſten Zuſammenhange ſowohl in Betreff der Production als des Genuſſes, und ihre ſtandesmäßige Exiſtenz iſt eine der wichtigſten Bedingungen des Beſtandes der Staaten. Eine zu große Menge ſolcher Staats- glieder ſenkt bei freier Concurrenz den Lohn und bringt dann Miß- verhältniſſe zufolge von Nahrungsloſigkeit hervor, welche, wenn der Bildungsgrad dieſer Klaſſe auch noch ſehr niedrig iſt, die öffentliche und allgemeine Ruhe ſowie das Eigenthum auf das Höchſte gefährden. Anderſeits aber dient die Lebensart und Be- handlung der Arbeiter, beſonders in den Fabrikländern, öfters dazu, eine ſchwächliche, unſittliche und geiſtig ganz verwahrloste Bevölkerung zu creiren, ein Umſtand, der um ſo gefährlicher iſt, je mehr die Gewerksarbeit die Oberhand über die Urgewerbe hat. Niemals wird ſich in ſolchen Ländern eine gleichmäßige Güter- vertheilung, und eben ſo wenig ein wohlhabender Mittelſtand von Bedeutung herſtellen. Zweite Abtheilung. Volkswirthſchaftliche Betriebslehre. Einleitung. §. 438. Die Aufgabe dieſes Theiles der Nationalöconomie iſt bereits oben (§. 394.) erörtert. Obſchon derſelbe nicht bloße Staatswiſ- ſenſchaft iſt, ſo gehört doch zum Theile ſein Gegenſtand unter die Objecte der Staatsverwaltung, und es iſt nothwendig, den Grund- ſatz feſtzuſetzen und feſtzuhalten, von dem die Regirung in der Leitung der Volkswirthſchaft auszugehen hat. Derſelbe, ſo be- ſtritten er auch iſt, ergibt ſich ſehr leicht aus dem Weſen und Gehalte der Staatsverwaltung. Denn dieſe kann nur auf zwei Hauptmaſſen Bezug haben, nämlich auf die Rechte und auf die Güter (§. 37. 38.). Dieſe Scheidung rechtfertigt ſich von ſelbſt, weil die Letzteren auch im Einzelleben der Menſchen vorhanden ſein können, während die Rechte erſt ein Product des Zuſammen- lebens der Menſchen ſind, aus welchem ſich das Rechtsgeſetz ergibt, und weil die Rechte ſich nur auf Güter beziehen können. Was den Erwerb, die Erhaltung und den Gebrauch von Rechten und Gütern anbelangt, ſo ſtehen der Staat, als Totalität, die Ge-

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/643>, abgerufen am 19.04.2024.