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Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.

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Die Wahlbetheiligung bei den Dreiklassenwahlen wäre weit schwächer, müßten
nicht viele abhängige Wähler, insbesondere Beamte, ihre Stimme abgeben, weil
ihr Fernbleiben sonst übel vermerkt würde.

Welches Gewicht von den höheren Behörden auf die Wahlbetheiligung
ihrer Untergebenen bei dem Dreiklassen-Wahlsystem gelegt wird, zeigt ein Erlaß des
Eisenbahnministers vom 14. Februar 1894, der lautet:

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Die durch den Erlaß vom 19. v. M. - P. IV (I) 10398 - ertheilte
Ermächtigung, den bei der Eisenbahn beschäftigten Arbeitern für die durch Aus-
übung ihres Wahlrechts versäumte Arbeitszeit auch bei künftigen Wahlen eine
Lohnvergütung zu gewähren, soll sich, wie ich der Königlichen Eisenbahn-Direktion
auf den Bericht vom 3. d. M. - I A. 762 - erwidere, nur auf die Landtags-
wahlen beziehen. Für die Reichstagswahlen besteht zum Erlaß einer ent-
sprechenden allgemeinen Anordnung kein Bedürfniß.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten.

Der Schlußsatz des Erlasses spricht Bände. "Für die Reichstagswahlen
besteht zum Erlaß einer entsprechenden allgemeinen Anordnung kein Bedürfniß",
offenbar nur, weil die Reichstagswahlen mit geheimer Abstimmung vorgenommen
werden, die Landtagswahlen aber mit öffentlicher Stimmabgabe. Und für die
Wirkung der öffentlichen Stimmabgabe auf die Beamten haben die letzten Landtags-
wahlen, unter anderem in Berlin und Frankfurt a. M., seltsame Resultate ergeben.
Jn denselben Bezirken, in welchen bei der Reichstagswahl so viele sozialdemokratische
Stimmen abgegeben wurden, daß jeder Zweifel darüber ausgeschlossen war, daß
auch zahlreiche Beamte sozialdemokratisch gestimmt hatten, wurden bei der Land-
tagswahl nur Stimmen für konservative oder antisemitische Wahlmänner
abgegeben.

Die öffentliche Stimmabgabe wirkt einschüchternd, abschreckend und demora-
lisirend. Die große Zahl der Wähler, die sich wirthschaftlich und sozial in
Abhängigkeit befindet, wird entweder auf die Wahlbetheiligung verzichten, oder
wer gezwungen ist, wegen seiner Abhängigkeit dennoch seine Stimme abgeben
zu müssen, wird wider seine bessere Ueberzeugung stimmen, um nicht
geschädigt zu werden. So traten z. B. bei den Landtagswahlen die niederen
Beamten fast Mann für Mann zur Wahlurne an. Sollte das aus Eifer und
Jnteresse am preußischen Abgeordnetenhaus, in dem so wenig ihre Jnteressen grade
durch Diejenigen vertreten werden, welchen sie öffentlich ihre Stimme geben,
geschehen sein?

Daß die öffentliche Stimmabgabe einschüchtert und demoralisirt, ist eine so
offenkundige Thatsache, daß sie Niemandem, der im praktischen Leben steht, ent-
gehen kann. Dennoch wurde bei der Wahldebatte im preußischen Abgeordneten-
hause im Jahr 1893 die öffentliche Stimmabgabe als allein "moralisch" ver-
theidigt, wohingegen die geheime Abstimmung die politische Heuchelei (!)
begünstigen sollte.

Diese wunderbare, unglaublich klingende Behauptung stellte der konservative
Abg. v. Tiedemann-Labischin auf, indem er auf die Thatsache hinwies, daß
Eisenbahnbeamte bei der Reichstagswahl sozialdemokratisch, bei der Landtagswahl
konservativ gewählt hätten. Natürlich fiel es dem freisinnigen Abg. Parisius leicht,
dem konservativen Herrn nachzuweisen, daß er an einer Begriffsverwirrung leide
und gerade die öffentliche Stimmabgabe zur politischen Heuchelei führe. Der
Abg. Rickert wies nach, daß der frühere Minister Graf zu Eulenburg im Jahre
1876 in seinen Städteordnungs-Entwurf die geheime Abstimmung aufgenommen
hatte und mit den Worten motivirte: "Der Entwurf folgt in diesem Punkte dem
System des Reichstags-Wahlrechts vom 31. Mai 1869. Das diesem System zu
Grunde liegende Motiv, die Wähler vor illegitimen Beeinflussungen und vor der
nothwendigen Rücksichtnahme auf Personen und äußere Verhältnisse zu bewahren,

Die Wahlbetheiligung bei den Dreiklassenwahlen wäre weit schwächer, müßten
nicht viele abhängige Wähler, insbesondere Beamte, ihre Stimme abgeben, weil
ihr Fernbleiben sonst übel vermerkt würde.

Welches Gewicht von den höheren Behörden auf die Wahlbetheiligung
ihrer Untergebenen bei dem Dreiklassen-Wahlsystem gelegt wird, zeigt ein Erlaß des
Eisenbahnministers vom 14. Februar 1894, der lautet:

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Die durch den Erlaß vom 19. v. M. – P. IV (I) 10398 – ertheilte
Ermächtigung, den bei der Eisenbahn beschäftigten Arbeitern für die durch Aus-
übung ihres Wahlrechts versäumte Arbeitszeit auch bei künftigen Wahlen eine
Lohnvergütung zu gewähren, soll sich, wie ich der Königlichen Eisenbahn-Direktion
auf den Bericht vom 3. d. M. – I A. 762 – erwidere, nur auf die Landtags-
wahlen beziehen. Für die Reichstagswahlen besteht zum Erlaß einer ent-
sprechenden allgemeinen Anordnung kein Bedürfniß.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten.

Der Schlußsatz des Erlasses spricht Bände. „Für die Reichstagswahlen
besteht zum Erlaß einer entsprechenden allgemeinen Anordnung kein Bedürfniß“,
offenbar nur, weil die Reichstagswahlen mit geheimer Abstimmung vorgenommen
werden, die Landtagswahlen aber mit öffentlicher Stimmabgabe. Und für die
Wirkung der öffentlichen Stimmabgabe auf die Beamten haben die letzten Landtags-
wahlen, unter anderem in Berlin und Frankfurt a. M., seltsame Resultate ergeben.
Jn denselben Bezirken, in welchen bei der Reichstagswahl so viele sozialdemokratische
Stimmen abgegeben wurden, daß jeder Zweifel darüber ausgeschlossen war, daß
auch zahlreiche Beamte sozialdemokratisch gestimmt hatten, wurden bei der Land-
tagswahl nur Stimmen für konservative oder antisemitische Wahlmänner
abgegeben.

Die öffentliche Stimmabgabe wirkt einschüchternd, abschreckend und demora-
lisirend. Die große Zahl der Wähler, die sich wirthschaftlich und sozial in
Abhängigkeit befindet, wird entweder auf die Wahlbetheiligung verzichten, oder
wer gezwungen ist, wegen seiner Abhängigkeit dennoch seine Stimme abgeben
zu müssen, wird wider seine bessere Ueberzeugung stimmen, um nicht
geschädigt zu werden. So traten z. B. bei den Landtagswahlen die niederen
Beamten fast Mann für Mann zur Wahlurne an. Sollte das aus Eifer und
Jnteresse am preußischen Abgeordnetenhaus, in dem so wenig ihre Jnteressen grade
durch Diejenigen vertreten werden, welchen sie öffentlich ihre Stimme geben,
geschehen sein?

Daß die öffentliche Stimmabgabe einschüchtert und demoralisirt, ist eine so
offenkundige Thatsache, daß sie Niemandem, der im praktischen Leben steht, ent-
gehen kann. Dennoch wurde bei der Wahldebatte im preußischen Abgeordneten-
hause im Jahr 1893 die öffentliche Stimmabgabe als allein „moralisch“ ver-
theidigt, wohingegen die geheime Abstimmung die politische Heuchelei (!)
begünstigen sollte.

Diese wunderbare, unglaublich klingende Behauptung stellte der konservative
Abg. v. Tiedemann-Labischin auf, indem er auf die Thatsache hinwies, daß
Eisenbahnbeamte bei der Reichstagswahl sozialdemokratisch, bei der Landtagswahl
konservativ gewählt hätten. Natürlich fiel es dem freisinnigen Abg. Parisius leicht,
dem konservativen Herrn nachzuweisen, daß er an einer Begriffsverwirrung leide
und gerade die öffentliche Stimmabgabe zur politischen Heuchelei führe. Der
Abg. Rickert wies nach, daß der frühere Minister Graf zu Eulenburg im Jahre
1876 in seinen Städteordnungs-Entwurf die geheime Abstimmung aufgenommen
hatte und mit den Worten motivirte: „Der Entwurf folgt in diesem Punkte dem
System des Reichstags-Wahlrechts vom 31. Mai 1869. Das diesem System zu
Grunde liegende Motiv, die Wähler vor illegitimen Beeinflussungen und vor der
nothwendigen Rücksichtnahme auf Personen und äußere Verhältnisse zu bewahren,

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[25/0029] Die Wahlbetheiligung bei den Dreiklassenwahlen wäre weit schwächer, müßten nicht viele abhängige Wähler, insbesondere Beamte, ihre Stimme abgeben, weil ihr Fernbleiben sonst übel vermerkt würde. Welches Gewicht von den höheren Behörden auf die Wahlbetheiligung ihrer Untergebenen bei dem Dreiklassen-Wahlsystem gelegt wird, zeigt ein Erlaß des Eisenbahnministers vom 14. Februar 1894, der lautet: Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Berlin, den 13. Februar 1894. Die durch den Erlaß vom 19. v. M. – P. IV (I) 10398 – ertheilte Ermächtigung, den bei der Eisenbahn beschäftigten Arbeitern für die durch Aus- übung ihres Wahlrechts versäumte Arbeitszeit auch bei künftigen Wahlen eine Lohnvergütung zu gewähren, soll sich, wie ich der Königlichen Eisenbahn-Direktion auf den Bericht vom 3. d. M. – I A. 762 – erwidere, nur auf die Landtags- wahlen beziehen. Für die Reichstagswahlen besteht zum Erlaß einer ent- sprechenden allgemeinen Anordnung kein Bedürfniß. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Der Schlußsatz des Erlasses spricht Bände. „Für die Reichstagswahlen besteht zum Erlaß einer entsprechenden allgemeinen Anordnung kein Bedürfniß“, offenbar nur, weil die Reichstagswahlen mit geheimer Abstimmung vorgenommen werden, die Landtagswahlen aber mit öffentlicher Stimmabgabe. Und für die Wirkung der öffentlichen Stimmabgabe auf die Beamten haben die letzten Landtags- wahlen, unter anderem in Berlin und Frankfurt a. M., seltsame Resultate ergeben. Jn denselben Bezirken, in welchen bei der Reichstagswahl so viele sozialdemokratische Stimmen abgegeben wurden, daß jeder Zweifel darüber ausgeschlossen war, daß auch zahlreiche Beamte sozialdemokratisch gestimmt hatten, wurden bei der Land- tagswahl nur Stimmen für konservative oder antisemitische Wahlmänner abgegeben. Die öffentliche Stimmabgabe wirkt einschüchternd, abschreckend und demora- lisirend. Die große Zahl der Wähler, die sich wirthschaftlich und sozial in Abhängigkeit befindet, wird entweder auf die Wahlbetheiligung verzichten, oder wer gezwungen ist, wegen seiner Abhängigkeit dennoch seine Stimme abgeben zu müssen, wird wider seine bessere Ueberzeugung stimmen, um nicht geschädigt zu werden. So traten z. B. bei den Landtagswahlen die niederen Beamten fast Mann für Mann zur Wahlurne an. Sollte das aus Eifer und Jnteresse am preußischen Abgeordnetenhaus, in dem so wenig ihre Jnteressen grade durch Diejenigen vertreten werden, welchen sie öffentlich ihre Stimme geben, geschehen sein? Daß die öffentliche Stimmabgabe einschüchtert und demoralisirt, ist eine so offenkundige Thatsache, daß sie Niemandem, der im praktischen Leben steht, ent- gehen kann. Dennoch wurde bei der Wahldebatte im preußischen Abgeordneten- hause im Jahr 1893 die öffentliche Stimmabgabe als allein „moralisch“ ver- theidigt, wohingegen die geheime Abstimmung die politische Heuchelei (!) begünstigen sollte. Diese wunderbare, unglaublich klingende Behauptung stellte der konservative Abg. v. Tiedemann-Labischin auf, indem er auf die Thatsache hinwies, daß Eisenbahnbeamte bei der Reichstagswahl sozialdemokratisch, bei der Landtagswahl konservativ gewählt hätten. Natürlich fiel es dem freisinnigen Abg. Parisius leicht, dem konservativen Herrn nachzuweisen, daß er an einer Begriffsverwirrung leide und gerade die öffentliche Stimmabgabe zur politischen Heuchelei führe. Der Abg. Rickert wies nach, daß der frühere Minister Graf zu Eulenburg im Jahre 1876 in seinen Städteordnungs-Entwurf die geheime Abstimmung aufgenommen hatte und mit den Worten motivirte: „Der Entwurf folgt in diesem Punkte dem System des Reichstags-Wahlrechts vom 31. Mai 1869. Das diesem System zu Grunde liegende Motiv, die Wähler vor illegitimen Beeinflussungen und vor der nothwendigen Rücksichtnahme auf Personen und äußere Verhältnisse zu bewahren,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-10-30T15:09:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-10-30T15:09:45Z)

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Zitationshilfe: Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895/29>, abgerufen am 28.03.2024.