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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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verlassen, Jeder von ihnen war ein Strahl gewesen, der sein Dasein geschmückt und verklärt hatte, jetzt waren diese Strahlen alle zusammengeflossen zu einem Strahle, der ihm ein einzig holder, ach! sein letzter Stern war.

Mit freudigem Beben öffnete der Graf endlich den Brief und las; er las nicht die fehlerhaften Zeilen einer Anfängerin in der deutschen Rechtschreibekunst und Grammatik, er las das beredte Gefühl und den heiligen Ausdruck einer unschuldigen, liebenden Seele!

"Lieber guter Ludwig!

Ich wünsche dir zu deinem Geburtetag *) viel Glück und Segen! Der Himmel erhalte dich gesund bis in das späteste Alter. Ach, lieber Ludwig, es sind schon viele Geburtetage, die ich bei dir erlebe, und der Himmel segne dich für Alles, was du schon an mir gethan hast, und an mir noch thust!

Ach, lieber guter Ludwig, es thut mir leid, daß ich dir zu deinem Geburtetag keine bessere Freude machen kann. Ich habe hier eine Kleinigkeit für dich gestickt, ich schäme mich, daß sie nicht besser ist. Aber gewiß wirst du, lieber guter Ludwig, es doch von deiner armen Sophie annehmen, als einen Beweis meiner Liebe und Dankbarkeit. Ach, verzeihe mir, mein guter Ludwig, wenn ich bisweilen fehle! Ich bitte den Himmel, daß er mich lehre, meine Fehler zu verbessern. Möchtest du doch mit mir zufrieden sein, ich aber im Stande, alles dir nach Wunsch zu thun, alles dir angenehm zu machen. Ach, lieber guter Ludwig, ich weiß, daß meine Lage schrecklich war und ich danke dir nochmals! Der Himmel segne dich für alles! Behalte mich lieb, lieber Ludwig! Ich bleibe im Schutze Maria's und dem deinen.

Deine arme Sophie bis in's Grab.
Den 22. September 1808.



*) Dem holländischen Geboortedag nachgebildet. Der Brief ist, bis auf die verbesserte Rechtschreibung, ganz urkundlich.

verlassen, Jeder von ihnen war ein Strahl gewesen, der sein Dasein geschmückt und verklärt hatte, jetzt waren diese Strahlen alle zusammengeflossen zu einem Strahle, der ihm ein einzig holder, ach! sein letzter Stern war.

Mit freudigem Beben öffnete der Graf endlich den Brief und las; er las nicht die fehlerhaften Zeilen einer Anfängerin in der deutschen Rechtschreibekunst und Grammatik, er las das beredte Gefühl und den heiligen Ausdruck einer unschuldigen, liebenden Seele!

„Lieber guter Ludwig!

Ich wünsche dir zu deinem Geburtetag *) viel Glück und Segen! Der Himmel erhalte dich gesund bis in das späteste Alter. Ach, lieber Ludwig, es sind schon viele Geburtetage, die ich bei dir erlebe, und der Himmel segne dich für Alles, was du schon an mir gethan hast, und an mir noch thust!

Ach, lieber guter Ludwig, es thut mir leid, daß ich dir zu deinem Geburtetag keine bessere Freude machen kann. Ich habe hier eine Kleinigkeit für dich gestickt, ich schäme mich, daß sie nicht besser ist. Aber gewiß wirst du, lieber guter Ludwig, es doch von deiner armen Sophie annehmen, als einen Beweis meiner Liebe und Dankbarkeit. Ach, verzeihe mir, mein guter Ludwig, wenn ich bisweilen fehle! Ich bitte den Himmel, daß er mich lehre, meine Fehler zu verbessern. Möchtest du doch mit mir zufrieden sein, ich aber im Stande, alles dir nach Wunsch zu thun, alles dir angenehm zu machen. Ach, lieber guter Ludwig, ich weiß, daß meine Lage schrecklich war und ich danke dir nochmals! Der Himmel segne dich für alles! Behalte mich lieb, lieber Ludwig! Ich bleibe im Schutze Maria’s und dem deinen.

Deine arme Sophie bis in’s Grab.
Den 22. September 1808.



*) Dem holländischen Geboortedag nachgebildet. Der Brief ist, bis auf die verbesserte Rechtschreibung, ganz urkundlich.
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[420/0424] verlassen, Jeder von ihnen war ein Strahl gewesen, der sein Dasein geschmückt und verklärt hatte, jetzt waren diese Strahlen alle zusammengeflossen zu einem Strahle, der ihm ein einzig holder, ach! sein letzter Stern war. Mit freudigem Beben öffnete der Graf endlich den Brief und las; er las nicht die fehlerhaften Zeilen einer Anfängerin in der deutschen Rechtschreibekunst und Grammatik, er las das beredte Gefühl und den heiligen Ausdruck einer unschuldigen, liebenden Seele! „Lieber guter Ludwig! Ich wünsche dir zu deinem Geburtetag *) viel Glück und Segen! Der Himmel erhalte dich gesund bis in das späteste Alter. Ach, lieber Ludwig, es sind schon viele Geburtetage, die ich bei dir erlebe, und der Himmel segne dich für Alles, was du schon an mir gethan hast, und an mir noch thust! Ach, lieber guter Ludwig, es thut mir leid, daß ich dir zu deinem Geburtetag keine bessere Freude machen kann. Ich habe hier eine Kleinigkeit für dich gestickt, ich schäme mich, daß sie nicht besser ist. Aber gewiß wirst du, lieber guter Ludwig, es doch von deiner armen Sophie annehmen, als einen Beweis meiner Liebe und Dankbarkeit. Ach, verzeihe mir, mein guter Ludwig, wenn ich bisweilen fehle! Ich bitte den Himmel, daß er mich lehre, meine Fehler zu verbessern. Möchtest du doch mit mir zufrieden sein, ich aber im Stande, alles dir nach Wunsch zu thun, alles dir angenehm zu machen. Ach, lieber guter Ludwig, ich weiß, daß meine Lage schrecklich war und ich danke dir nochmals! Der Himmel segne dich für alles! Behalte mich lieb, lieber Ludwig! Ich bleibe im Schutze Maria’s und dem deinen. Deine arme Sophie bis in’s Grab. Den 22. September 1808. *) Dem holländischen Geboortedag nachgebildet. Der Brief ist, bis auf die verbesserte Rechtschreibung, ganz urkundlich.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/424>, abgerufen am 29.03.2024.