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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Graf Ludwig war von anderen Betrachtungen bewegt. Er fühlte sich stolz und mächtig gehoben in dem Gedanken, daß Sophie ihm nun so unerwartet schnell anvertraut sei; er gedachte seines heiligen Gelübdes, und schwur sich noch tausendmal zu, es zu halten. Er sprach zu Sophie sanfte, ehrerbietige Worte, und wußte gleich in der ersten Stunde seines Alleinseins mit ihr mit sicherem Tacte den Ton zu finden, der sich für beide ziemte.

Was ich von Ihnen erbitte, nahm er das Wort, ist, daß Sie mir erlauben wollen, auch fernerhin zu Ihnen in dem Tone reden zu dürfen, den unsere vielfachen gemeinschaftlichen Reisen und das nothwendige Incognito der späteren Zeit uns finden ließen. Ich werde Sie ehren, als seien Sie eine Königin, ich werde Sorge tragen, daß diese Ehrerbietung von Allen ausgehe, die Sie künftig umgeben und Ihnen dienen, aber ich werde Sie nicht Prinzessin nennen, denn dieses Wort würde nur die argwöhnische Neugier wecken. Sie müssen um Ihrer eigenen Sicherheit willen stets vor den Augen anderer Menschen verschleiert erscheinen, und bei Ihrem Leben gegen keine Seele sich mittheilen. Es ist eine große Last, die das Schicksal einem noch so jungen Herzen auferlegt, und manche Lebensfreude, auf welche Jugend, Schönheit und Anmuth Anspruch haben, wird Ihnen versagt bleiben, doch wird Alles geschehen, um Sie, so viel es möglich ist, zu entschädigen, und gewiß wird nach einiger Zeit diese Fessel auch wieder von Ihnen genommen; Sie werden an der Hand der erlauchten Eltern wieder in die Welt treten und die Huldigungen empfangen, welche Ihnen gebühren.

Ich habe keinen anderen Wunsch, Herr Graf, entgegnete Sophie, als den, mit meinen Eltern recht bald wieder vereinigt zu werden; bis dies geschieht, werden Sie mich in Allem folgsam und gehorsam finden, was Sie mir anbefehlen.

Ich werde Ihnen nie Etwas befehlen, Sophie, entgegnete Ludwig; aber jede der Bitten, die ich an Sie richte, wird Ihr Wohl zum Zweck haben.

Ihre Wünsche werde ich so achten, erwiederte Sophie, als wenn mein Vater oder meine Mutter dieselben mir an's Herz legten. --

Die Fahrt hatte schon eine Zeitlang gedauert, als an einer Stelle, wo es langsam bergan ging, der Graf sich aus dem Wagen bog,

Graf Ludwig war von anderen Betrachtungen bewegt. Er fühlte sich stolz und mächtig gehoben in dem Gedanken, daß Sophie ihm nun so unerwartet schnell anvertraut sei; er gedachte seines heiligen Gelübdes, und schwur sich noch tausendmal zu, es zu halten. Er sprach zu Sophie sanfte, ehrerbietige Worte, und wußte gleich in der ersten Stunde seines Alleinseins mit ihr mit sicherem Tacte den Ton zu finden, der sich für beide ziemte.

Was ich von Ihnen erbitte, nahm er das Wort, ist, daß Sie mir erlauben wollen, auch fernerhin zu Ihnen in dem Tone reden zu dürfen, den unsere vielfachen gemeinschaftlichen Reisen und das nothwendige Incognito der späteren Zeit uns finden ließen. Ich werde Sie ehren, als seien Sie eine Königin, ich werde Sorge tragen, daß diese Ehrerbietung von Allen ausgehe, die Sie künftig umgeben und Ihnen dienen, aber ich werde Sie nicht Prinzessin nennen, denn dieses Wort würde nur die argwöhnische Neugier wecken. Sie müssen um Ihrer eigenen Sicherheit willen stets vor den Augen anderer Menschen verschleiert erscheinen, und bei Ihrem Leben gegen keine Seele sich mittheilen. Es ist eine große Last, die das Schicksal einem noch so jungen Herzen auferlegt, und manche Lebensfreude, auf welche Jugend, Schönheit und Anmuth Anspruch haben, wird Ihnen versagt bleiben, doch wird Alles geschehen, um Sie, so viel es möglich ist, zu entschädigen, und gewiß wird nach einiger Zeit diese Fessel auch wieder von Ihnen genommen; Sie werden an der Hand der erlauchten Eltern wieder in die Welt treten und die Huldigungen empfangen, welche Ihnen gebühren.

Ich habe keinen anderen Wunsch, Herr Graf, entgegnete Sophie, als den, mit meinen Eltern recht bald wieder vereinigt zu werden; bis dies geschieht, werden Sie mich in Allem folgsam und gehorsam finden, was Sie mir anbefehlen.

Ich werde Ihnen nie Etwas befehlen, Sophie, entgegnete Ludwig; aber jede der Bitten, die ich an Sie richte, wird Ihr Wohl zum Zweck haben.

Ihre Wünsche werde ich so achten, erwiederte Sophie, als wenn mein Vater oder meine Mutter dieselben mir an’s Herz legten. —

Die Fahrt hatte schon eine Zeitlang gedauert, als an einer Stelle, wo es langsam bergan ging, der Graf sich aus dem Wagen bog,

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[373/0377] Graf Ludwig war von anderen Betrachtungen bewegt. Er fühlte sich stolz und mächtig gehoben in dem Gedanken, daß Sophie ihm nun so unerwartet schnell anvertraut sei; er gedachte seines heiligen Gelübdes, und schwur sich noch tausendmal zu, es zu halten. Er sprach zu Sophie sanfte, ehrerbietige Worte, und wußte gleich in der ersten Stunde seines Alleinseins mit ihr mit sicherem Tacte den Ton zu finden, der sich für beide ziemte. Was ich von Ihnen erbitte, nahm er das Wort, ist, daß Sie mir erlauben wollen, auch fernerhin zu Ihnen in dem Tone reden zu dürfen, den unsere vielfachen gemeinschaftlichen Reisen und das nothwendige Incognito der späteren Zeit uns finden ließen. Ich werde Sie ehren, als seien Sie eine Königin, ich werde Sorge tragen, daß diese Ehrerbietung von Allen ausgehe, die Sie künftig umgeben und Ihnen dienen, aber ich werde Sie nicht Prinzessin nennen, denn dieses Wort würde nur die argwöhnische Neugier wecken. Sie müssen um Ihrer eigenen Sicherheit willen stets vor den Augen anderer Menschen verschleiert erscheinen, und bei Ihrem Leben gegen keine Seele sich mittheilen. Es ist eine große Last, die das Schicksal einem noch so jungen Herzen auferlegt, und manche Lebensfreude, auf welche Jugend, Schönheit und Anmuth Anspruch haben, wird Ihnen versagt bleiben, doch wird Alles geschehen, um Sie, so viel es möglich ist, zu entschädigen, und gewiß wird nach einiger Zeit diese Fessel auch wieder von Ihnen genommen; Sie werden an der Hand der erlauchten Eltern wieder in die Welt treten und die Huldigungen empfangen, welche Ihnen gebühren. Ich habe keinen anderen Wunsch, Herr Graf, entgegnete Sophie, als den, mit meinen Eltern recht bald wieder vereinigt zu werden; bis dies geschieht, werden Sie mich in Allem folgsam und gehorsam finden, was Sie mir anbefehlen. Ich werde Ihnen nie Etwas befehlen, Sophie, entgegnete Ludwig; aber jede der Bitten, die ich an Sie richte, wird Ihr Wohl zum Zweck haben. Ihre Wünsche werde ich so achten, erwiederte Sophie, als wenn mein Vater oder meine Mutter dieselben mir an’s Herz legten. — Die Fahrt hatte schon eine Zeitlang gedauert, als an einer Stelle, wo es langsam bergan ging, der Graf sich aus dem Wagen bog,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/377>, abgerufen am 20.04.2024.