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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Falsch. Auch warst du es, der als der Aeltere mir zuerst die Hand zur Versöhnung bot; dein Edelmuth gewann dir meine ganze volle Liebe, und nun von allen diesen Geschichten kein Wort mehr. Laß uns anstoßen: Unsere lieben Todten sollen leben!

Theuere Namen klangen durch Ludwig's Erinnerung: Ottoline, Leonardus, Sophie Charlotte, Anges. Thränen entstürzten seinen Augen, er sprang auf, umarmte Wilhelm mit stürmischer Innigkeit und eilte fort.

Der Abend dieses Tages fand Sophie und Ludwig schon nicht mehr in Wien. Rasch, wie sie gekommen waren, verließen sie die Kaiserstadt wieder, aber sie fuhren nicht mit gleicher Schnelle nach Frankfurt. Sie rasteten in Pölten, und gönnten sich an den übrigen Tagen Zeit, von der schönsten Witterung begünstigt, die herrlichen Ufer des Donaustromes zu bewundern. Sie sahen Regensburgs alte versinkende Herrlichkeit, sahen das alte Nürnberg und sein immer jugendliches Leben. Ueber Bamberg und Coburg reisten sie dann nach dem Dorf Eishausen; der Graf hatte Befehl gegeben, dort anzuhalten, und führte die junge Prinzessin durch die Hauptstraße des Ortes.

Erinnern Sie sich nicht, schon einmal hier gewesen zu sein? fragte er sie.

Allerdings ist es mir so, erwiederte sie: doch weiß ich mich nicht mehr zu entsinnen, wann es war.

Es ist derselbe Ort, sprach der Graf, in welchem ich Sie und die selige Anges nach langer Trennung zum Erstenmale wiedersah, als Sie mit Ihren theueren Eltern nach Rußland reisten.

Ach ja, jetzt entsinne ich mich! rief Sophie gerührt: Dort stand eine schöne Kirche, dort ein ziemlich großes Schloß, hier vor dem Wirthshaus war ein Haufe Soldaten der Republik, der Vater fürchtete von ihnen erkannt zu werden, wir fuhren daher sehr schnell weiter.

Nach kurzer Rast wurde die Reise nach Hildburghausen fortgesetzt. Als der Weg sich von dem hohen Stadtberg thalwärts niedersenkte, als zur Rechten der Blick auf Wald, Wiesen und Dörfer frei ward, zur Linken auf grünende Berggärten und heitere Gelände, und unten im Thale die schöne Stadt so friedlich ruhte, das Abendsonnengold gerade wie damals über die ganze Flur ein magisches Zaubernetz warf und eine Glocke vom stattlichen Kirchthurme herab die Feierabendstunde

Falsch. Auch warst du es, der als der Aeltere mir zuerst die Hand zur Versöhnung bot; dein Edelmuth gewann dir meine ganze volle Liebe, und nun von allen diesen Geschichten kein Wort mehr. Laß uns anstoßen: Unsere lieben Todten sollen leben!

Theuere Namen klangen durch Ludwig’s Erinnerung: Ottoline, Leonardus, Sophie Charlotte, Angés. Thränen entstürzten seinen Augen, er sprang auf, umarmte Wilhelm mit stürmischer Innigkeit und eilte fort.

Der Abend dieses Tages fand Sophie und Ludwig schon nicht mehr in Wien. Rasch, wie sie gekommen waren, verließen sie die Kaiserstadt wieder, aber sie fuhren nicht mit gleicher Schnelle nach Frankfurt. Sie rasteten in Pölten, und gönnten sich an den übrigen Tagen Zeit, von der schönsten Witterung begünstigt, die herrlichen Ufer des Donaustromes zu bewundern. Sie sahen Regensburgs alte versinkende Herrlichkeit, sahen das alte Nürnberg und sein immer jugendliches Leben. Ueber Bamberg und Coburg reisten sie dann nach dem Dorf Eishausen; der Graf hatte Befehl gegeben, dort anzuhalten, und führte die junge Prinzessin durch die Hauptstraße des Ortes.

Erinnern Sie sich nicht, schon einmal hier gewesen zu sein? fragte er sie.

Allerdings ist es mir so, erwiederte sie: doch weiß ich mich nicht mehr zu entsinnen, wann es war.

Es ist derselbe Ort, sprach der Graf, in welchem ich Sie und die selige Angés nach langer Trennung zum Erstenmale wiedersah, als Sie mit Ihren theueren Eltern nach Rußland reisten.

Ach ja, jetzt entsinne ich mich! rief Sophie gerührt: Dort stand eine schöne Kirche, dort ein ziemlich großes Schloß, hier vor dem Wirthshaus war ein Haufe Soldaten der Republik, der Vater fürchtete von ihnen erkannt zu werden, wir fuhren daher sehr schnell weiter.

Nach kurzer Rast wurde die Reise nach Hildburghausen fortgesetzt. Als der Weg sich von dem hohen Stadtberg thalwärts niedersenkte, als zur Rechten der Blick auf Wald, Wiesen und Dörfer frei ward, zur Linken auf grünende Berggärten und heitere Gelände, und unten im Thale die schöne Stadt so friedlich ruhte, das Abendsonnengold gerade wie damals über die ganze Flur ein magisches Zaubernetz warf und eine Glocke vom stattlichen Kirchthurme herab die Feierabendstunde

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          <p>Erinnern Sie sich nicht, schon einmal hier gewesen zu sein? fragte er sie.</p>
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[412/0416] Falsch. Auch warst du es, der als der Aeltere mir zuerst die Hand zur Versöhnung bot; dein Edelmuth gewann dir meine ganze volle Liebe, und nun von allen diesen Geschichten kein Wort mehr. Laß uns anstoßen: Unsere lieben Todten sollen leben! Theuere Namen klangen durch Ludwig’s Erinnerung: Ottoline, Leonardus, Sophie Charlotte, Angés. Thränen entstürzten seinen Augen, er sprang auf, umarmte Wilhelm mit stürmischer Innigkeit und eilte fort. Der Abend dieses Tages fand Sophie und Ludwig schon nicht mehr in Wien. Rasch, wie sie gekommen waren, verließen sie die Kaiserstadt wieder, aber sie fuhren nicht mit gleicher Schnelle nach Frankfurt. Sie rasteten in Pölten, und gönnten sich an den übrigen Tagen Zeit, von der schönsten Witterung begünstigt, die herrlichen Ufer des Donaustromes zu bewundern. Sie sahen Regensburgs alte versinkende Herrlichkeit, sahen das alte Nürnberg und sein immer jugendliches Leben. Ueber Bamberg und Coburg reisten sie dann nach dem Dorf Eishausen; der Graf hatte Befehl gegeben, dort anzuhalten, und führte die junge Prinzessin durch die Hauptstraße des Ortes. Erinnern Sie sich nicht, schon einmal hier gewesen zu sein? fragte er sie. Allerdings ist es mir so, erwiederte sie: doch weiß ich mich nicht mehr zu entsinnen, wann es war. Es ist derselbe Ort, sprach der Graf, in welchem ich Sie und die selige Angés nach langer Trennung zum Erstenmale wiedersah, als Sie mit Ihren theueren Eltern nach Rußland reisten. Ach ja, jetzt entsinne ich mich! rief Sophie gerührt: Dort stand eine schöne Kirche, dort ein ziemlich großes Schloß, hier vor dem Wirthshaus war ein Haufe Soldaten der Republik, der Vater fürchtete von ihnen erkannt zu werden, wir fuhren daher sehr schnell weiter. Nach kurzer Rast wurde die Reise nach Hildburghausen fortgesetzt. Als der Weg sich von dem hohen Stadtberg thalwärts niedersenkte, als zur Rechten der Blick auf Wald, Wiesen und Dörfer frei ward, zur Linken auf grünende Berggärten und heitere Gelände, und unten im Thale die schöne Stadt so friedlich ruhte, das Abendsonnengold gerade wie damals über die ganze Flur ein magisches Zaubernetz warf und eine Glocke vom stattlichen Kirchthurme herab die Feierabendstunde

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/416>, abgerufen am 18.04.2024.