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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Ägypten.


Wenn wir unsere Untersuchung über die Eisenindustrie im Alter-
tum mit den Ägyptern beginnen, so geschieht dies nicht deshalb, weil
wir dieselben als die ersten Erfinder der Eisengewinnung ansehen oder
weil sie besonders Hervorragendes in der Eisentechnik geleistet hätten.
Dies ist nicht der Fall, vielmehr trat dieser Zweig der Metallindustrie
bei den Ägyptern relativ zurück. Es geschieht vielmehr deshalb, weil
die beglaubigte Geschichte keines der alten Kulturvölker in so ent-
fernte Zeit zurückreicht.

Tiefgewurzelt in dem Gemüt des ägyptischen Volkes sass der
Sinn für die Fortdauer nach dem Tode, für die Unsterblichkeit, der die
Mutter der Geschichte ist. Dieser Glaube veranlasste sie, ihre Toten
einzubalsamieren, ihnen für die Ewigkeit begründete Felsengräber zu
erbauen und ihre Thaten in Wort und Bild aufzuzeichnen und zu ver-
künden. Treten wir in diese wiedereröffneten Grabkammern der Ur-
väter unserer Kulturgeschichte, so erfüllt uns der Anblick dieser Riesen-
bauten, die sich über den Leibern der Könige und Vornehmen des
ehrwürdigen Volkes erheben, mit Staunen und Bewunderung. Wir sind
imstande, nachdem der Schlüssel ihrer geheimnisvollen Bilderschrift,
der Hieroglyphen, gefunden ist, die Thaten und Ereignisse aus Zeiten,
die Jahrtausende zurückliegen, zu lesen. Mächtiger noch wirkt die
unmittelbare Darstellung auf unsere Sinne. Längst vergangene Zeiten
steigen vor uns auf, alles erscheint, als sei es gestern gewesen. Die
Abbildungen, ob sie Kriegsthaten, Jagd, Fischfang, häusliche Be-
schäftigung oder gewerbliche Verrichtungen darstellen, sind so frisch

Ägypten.


Wenn wir unsere Untersuchung über die Eisenindustrie im Alter-
tum mit den Ägyptern beginnen, so geschieht dies nicht deshalb, weil
wir dieselben als die ersten Erfinder der Eisengewinnung ansehen oder
weil sie besonders Hervorragendes in der Eisentechnik geleistet hätten.
Dies ist nicht der Fall, vielmehr trat dieser Zweig der Metallindustrie
bei den Ägyptern relativ zurück. Es geschieht vielmehr deshalb, weil
die beglaubigte Geschichte keines der alten Kulturvölker in so ent-
fernte Zeit zurückreicht.

Tiefgewurzelt in dem Gemüt des ägyptischen Volkes saſs der
Sinn für die Fortdauer nach dem Tode, für die Unsterblichkeit, der die
Mutter der Geschichte ist. Dieser Glaube veranlaſste sie, ihre Toten
einzubalsamieren, ihnen für die Ewigkeit begründete Felsengräber zu
erbauen und ihre Thaten in Wort und Bild aufzuzeichnen und zu ver-
künden. Treten wir in diese wiedereröffneten Grabkammern der Ur-
väter unserer Kulturgeschichte, so erfüllt uns der Anblick dieser Riesen-
bauten, die sich über den Leibern der Könige und Vornehmen des
ehrwürdigen Volkes erheben, mit Staunen und Bewunderung. Wir sind
imstande, nachdem der Schlüssel ihrer geheimnisvollen Bilderschrift,
der Hieroglyphen, gefunden ist, die Thaten und Ereignisse aus Zeiten,
die Jahrtausende zurückliegen, zu lesen. Mächtiger noch wirkt die
unmittelbare Darstellung auf unsere Sinne. Längst vergangene Zeiten
steigen vor uns auf, alles erscheint, als sei es gestern gewesen. Die
Abbildungen, ob sie Kriegsthaten, Jagd, Fischfang, häusliche Be-
schäftigung oder gewerbliche Verrichtungen darstellen, sind so frisch

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[[53]/0075] Ägypten. Wenn wir unsere Untersuchung über die Eisenindustrie im Alter- tum mit den Ägyptern beginnen, so geschieht dies nicht deshalb, weil wir dieselben als die ersten Erfinder der Eisengewinnung ansehen oder weil sie besonders Hervorragendes in der Eisentechnik geleistet hätten. Dies ist nicht der Fall, vielmehr trat dieser Zweig der Metallindustrie bei den Ägyptern relativ zurück. Es geschieht vielmehr deshalb, weil die beglaubigte Geschichte keines der alten Kulturvölker in so ent- fernte Zeit zurückreicht. Tiefgewurzelt in dem Gemüt des ägyptischen Volkes saſs der Sinn für die Fortdauer nach dem Tode, für die Unsterblichkeit, der die Mutter der Geschichte ist. Dieser Glaube veranlaſste sie, ihre Toten einzubalsamieren, ihnen für die Ewigkeit begründete Felsengräber zu erbauen und ihre Thaten in Wort und Bild aufzuzeichnen und zu ver- künden. Treten wir in diese wiedereröffneten Grabkammern der Ur- väter unserer Kulturgeschichte, so erfüllt uns der Anblick dieser Riesen- bauten, die sich über den Leibern der Könige und Vornehmen des ehrwürdigen Volkes erheben, mit Staunen und Bewunderung. Wir sind imstande, nachdem der Schlüssel ihrer geheimnisvollen Bilderschrift, der Hieroglyphen, gefunden ist, die Thaten und Ereignisse aus Zeiten, die Jahrtausende zurückliegen, zu lesen. Mächtiger noch wirkt die unmittelbare Darstellung auf unsere Sinne. Längst vergangene Zeiten steigen vor uns auf, alles erscheint, als sei es gestern gewesen. Die Abbildungen, ob sie Kriegsthaten, Jagd, Fischfang, häusliche Be- schäftigung oder gewerbliche Verrichtungen darstellen, sind so frisch

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. [53]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/75>, abgerufen am 25.04.2024.