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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Belagerung von Tannenberg.
stellung der Gussform geschah nicht anders als bei dem Bronzeguss.
Wir besitzen eine Schilderung des Kanonengusses von Vannuccio Birin-
guccio in seiner Pyrotechnia.

Bevor wir diese mitteilen, lassen wir einige Beilagen zur Artillerie
folgen.

Schloss Tannenberg im Jahre 1399.

Über die Belagerung und den Anteil der Artillerie daran liegen
uns urkundliche Mitteilungen vor, die ein ziemlich klares Bild geben.
Der Pfalzgraf hatte nur eine Büchse, die Steine, etwas grösser als ein
Haupt, warf, demnach etwa 1 Fuss im Durchmesser und etwa 70 bis
80 Pfund Gewicht hatten. Sein Büchsenmeister war Henne von
Wachenheim. Der Erzbischof von Mainz hatte gleichfalls Büchsen
gebracht, die nicht näher erwähnt werden, also jedenfalls von kleinerem
Umfange waren. Die Stadt Mainz hatte ihre grosse Büchse gesendet,
nachdem sie in Frankfurt durch Vermittelung des Rates Steinkugeln
dazu gekauft. Auch hatte man gehört, dass die Frankfurter die Ab-
fuhr ihrer grossen Büchse in das Lager verdingt hätten und bat des-
halb die Frankfurter, auch die Zufuhr der Mainzer Büchse zu ver-
dingen. Von Frankfurt war schon vorher eine Fustbusse (Faustbüchse)
geschickt. Die Entscheidung des ganzen Unternehmens erwartete man
jedoch von der grossen Frankfurter Büchse. Zum Transport der
Steine hatten die Bundesgenossen den Frankfurtern 14 Wagen zuge-
sendet. Diese schickten zur grossen Büchse 16 Steine, nebst 12 kleineren
und dem nötigen Pulver. Für Verbringung der grossen Büchse auf
die Höhe vor der Burg hatte Henne von Wachenheim eine Aufzug-
maschine konstruiert, da er fürchtete, die Kräfte des Zugviehes würden
nicht ausreichen. Man schrieb deshalb den Frankfurtern, dass sie
lange Seile mitbringen möchten. 20 Pferde schafften sie nun in die
Höhe; für das Gerüste, worauf sie lag, waren 32 Pferde erforderlich.
Während die Bundesgenossen bald ihr Pulver und ihre Steine ver-
schossen hatten, waren die Kugeln der Frankfurter Büchse zu gross;
es mussten daher erst kleinere beschafft, ebenso zuvor ein Schirm für
dieselbe erbaut werden. Die Belagerten suchten die Arbeiten zu
hindern und schossen Steine so gross wie ein Hellerbrot und kleine
Bleikugeln, ohne indessen jemand zu treffen. Welch besonderen Wert
man aber auf jede Büchse legte und wie wenige deren überhaupt vor-
handen waren, geht daraus hervor, dass die Frankfurter noch vor

Belagerung von Tannenberg.
stellung der Guſsform geschah nicht anders als bei dem Bronzeguſs.
Wir besitzen eine Schilderung des Kanonengusses von Vannuccio Birin-
guccio in seiner Pyrotechnia.

Bevor wir diese mitteilen, lassen wir einige Beilagen zur Artillerie
folgen.

Schloſs Tannenberg im Jahre 1399.

Über die Belagerung und den Anteil der Artillerie daran liegen
uns urkundliche Mitteilungen vor, die ein ziemlich klares Bild geben.
Der Pfalzgraf hatte nur eine Büchse, die Steine, etwas gröſser als ein
Haupt, warf, demnach etwa 1 Fuſs im Durchmesser und etwa 70 bis
80 Pfund Gewicht hatten. Sein Büchsenmeister war Henne von
Wachenheim. Der Erzbischof von Mainz hatte gleichfalls Büchsen
gebracht, die nicht näher erwähnt werden, also jedenfalls von kleinerem
Umfange waren. Die Stadt Mainz hatte ihre groſse Büchse gesendet,
nachdem sie in Frankfurt durch Vermittelung des Rates Steinkugeln
dazu gekauft. Auch hatte man gehört, daſs die Frankfurter die Ab-
fuhr ihrer groſsen Büchse in das Lager verdingt hätten und bat des-
halb die Frankfurter, auch die Zufuhr der Mainzer Büchse zu ver-
dingen. Von Frankfurt war schon vorher eine Fustbusse (Faustbüchse)
geschickt. Die Entscheidung des ganzen Unternehmens erwartete man
jedoch von der groſsen Frankfurter Büchse. Zum Transport der
Steine hatten die Bundesgenossen den Frankfurtern 14 Wagen zuge-
sendet. Diese schickten zur groſsen Büchse 16 Steine, nebst 12 kleineren
und dem nötigen Pulver. Für Verbringung der groſsen Büchse auf
die Höhe vor der Burg hatte Henne von Wachenheim eine Aufzug-
maschine konstruiert, da er fürchtete, die Kräfte des Zugviehes würden
nicht ausreichen. Man schrieb deshalb den Frankfurtern, daſs sie
lange Seile mitbringen möchten. 20 Pferde schafften sie nun in die
Höhe; für das Gerüste, worauf sie lag, waren 32 Pferde erforderlich.
Während die Bundesgenossen bald ihr Pulver und ihre Steine ver-
schossen hatten, waren die Kugeln der Frankfurter Büchse zu groſs;
es muſsten daher erst kleinere beschafft, ebenso zuvor ein Schirm für
dieselbe erbaut werden. Die Belagerten suchten die Arbeiten zu
hindern und schossen Steine so groſs wie ein Hellerbrot und kleine
Bleikugeln, ohne indessen jemand zu treffen. Welch besonderen Wert
man aber auf jede Büchse legte und wie wenige deren überhaupt vor-
handen waren, geht daraus hervor, daſs die Frankfurter noch vor

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[917/0939] Belagerung von Tannenberg. stellung der Guſsform geschah nicht anders als bei dem Bronzeguſs. Wir besitzen eine Schilderung des Kanonengusses von Vannuccio Birin- guccio in seiner Pyrotechnia. Bevor wir diese mitteilen, lassen wir einige Beilagen zur Artillerie folgen. Schloſs Tannenberg im Jahre 1399. Über die Belagerung und den Anteil der Artillerie daran liegen uns urkundliche Mitteilungen vor, die ein ziemlich klares Bild geben. Der Pfalzgraf hatte nur eine Büchse, die Steine, etwas gröſser als ein Haupt, warf, demnach etwa 1 Fuſs im Durchmesser und etwa 70 bis 80 Pfund Gewicht hatten. Sein Büchsenmeister war Henne von Wachenheim. Der Erzbischof von Mainz hatte gleichfalls Büchsen gebracht, die nicht näher erwähnt werden, also jedenfalls von kleinerem Umfange waren. Die Stadt Mainz hatte ihre groſse Büchse gesendet, nachdem sie in Frankfurt durch Vermittelung des Rates Steinkugeln dazu gekauft. Auch hatte man gehört, daſs die Frankfurter die Ab- fuhr ihrer groſsen Büchse in das Lager verdingt hätten und bat des- halb die Frankfurter, auch die Zufuhr der Mainzer Büchse zu ver- dingen. Von Frankfurt war schon vorher eine Fustbusse (Faustbüchse) geschickt. Die Entscheidung des ganzen Unternehmens erwartete man jedoch von der groſsen Frankfurter Büchse. Zum Transport der Steine hatten die Bundesgenossen den Frankfurtern 14 Wagen zuge- sendet. Diese schickten zur groſsen Büchse 16 Steine, nebst 12 kleineren und dem nötigen Pulver. Für Verbringung der groſsen Büchse auf die Höhe vor der Burg hatte Henne von Wachenheim eine Aufzug- maschine konstruiert, da er fürchtete, die Kräfte des Zugviehes würden nicht ausreichen. Man schrieb deshalb den Frankfurtern, daſs sie lange Seile mitbringen möchten. 20 Pferde schafften sie nun in die Höhe; für das Gerüste, worauf sie lag, waren 32 Pferde erforderlich. Während die Bundesgenossen bald ihr Pulver und ihre Steine ver- schossen hatten, waren die Kugeln der Frankfurter Büchse zu groſs; es muſsten daher erst kleinere beschafft, ebenso zuvor ein Schirm für dieselbe erbaut werden. Die Belagerten suchten die Arbeiten zu hindern und schossen Steine so groſs wie ein Hellerbrot und kleine Bleikugeln, ohne indessen jemand zu treffen. Welch besonderen Wert man aber auf jede Büchse legte und wie wenige deren überhaupt vor- handen waren, geht daraus hervor, daſs die Frankfurter noch vor

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 917. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/939>, abgerufen am 29.03.2024.