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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Stucköfen.
Blaufeuer genannt und im vorigen Jahrhundert wurden die steirischen
Eisenschmelzöfen, die "Flossöfen", ebenso oft Blauöfen genannt, als
die Stucköfen. Der Name Stuck- oder Wolfsofen rührt von dem Eisen-
klumpen, der Luppe, her, die man darin erhielt, und die man das
"Stück" oder den "Wolf" (loupe, Luppe) nannte.

Über die Geschichte der Stucköfen ist wenig überliefert. In alter
Zeit waren sie niedriger und wurden erst, nachdem man angefangen
hatte, die Gebläse durch Wasserräder zu betreiben, erhöht. Angeblich
sollen sie schon im 8. Jahrhundert in Steiermark bestanden und sich
von da nach Böhmen verbreitet haben. Sicher verbürgt ist, dass sie
im 13. Jahrhundert in Steiermark in Anwendung waren.

Die Angabe, dass der Stahlberg bei Schmalkalden im Jahre 385
von einem steirischen Eisenarbeiter entdeckt worden sei und dass
dieser auch den steirischen Betrieb dort einführte, mag wahr sein,
dass dies aber Stucköfen gewesen seien, folgt daraus noch nicht, wenn
auch solche im vorigen Jahrhundert im Hennebergischen im Betrieb
waren und sich dort sogar länger als in Steiermark selbst erhielten.

Mancherlei Angaben bestätigen es, dass die Stucköfen in Steier-
mark
sich schon sehr früh entwickelt haben. Es wurde des Rufes,
den das norische Eisen bei den Römern genoss, schon gedacht. Auch
wissen wir, dass bei den Römern bereits niedrige Schachtöfen im Ge-
brauch waren. In den Zeiten der Völkerwanderung war Noricum und
besonders Steiermark erschütternden Stürmen ausgesetzt. Gegen
Ende des 4. Jahrhunderts wurden die Römer aus der norischen Pro-
vinz verdrängt. 405 eroberten es die Westgoten, die 451 von den
Hunnen verdrängt wurden, denen schon 454 die Rugier folgten. 487
überschwemmten die Heruler, 488 die Longobarden das Land, bis
495 die Ostgoten Noricum mit dem gotischen Reich vereinigten.
Erst um diese Zeit scheint die steirische Eisenindustrie vollständig
erlegen zu sein, denn im 5. Jahrhundert wird des steirischen Eisens
noch von verschiedenen Schriftstellern gedacht, wie namentlich von
Sidonius Apollinaris, der von 430 bis 487 lebte. Nach dem Sturz der
Ostgotenherrschaft drängten die slavischen Völkerstämme immer
mehr nach Westen und am Ende des 6. bis gegen Mitte des 7. Jahr-
hunderts wanderten sie in Steiermark ein und setzten sich nament-
lich auch in den obersteirischen Eisendistrikten fest.

Im Jahre 712 sollen die Bergwerke des Erzberges bei Eisenerz
eröffnet, d. h. wahrscheinlich wieder eröffnet worden sein. Eine alte
Inschrift in der St. Oswaldkapelle in Eisenerz sagt: "Haec celebris et
nominata ferri fodina reperta est anno Christi DCCXII. Cui in per-

Beck, Geschichte des Eisens. 52

Die Stucköfen.
Blaufeuer genannt und im vorigen Jahrhundert wurden die steirischen
Eisenschmelzöfen, die „Floſsöfen“, ebenso oft Blauöfen genannt, als
die Stucköfen. Der Name Stuck- oder Wolfsofen rührt von dem Eisen-
klumpen, der Luppe, her, die man darin erhielt, und die man das
„Stück“ oder den „Wolf“ (loupe, Luppe) nannte.

Über die Geschichte der Stucköfen ist wenig überliefert. In alter
Zeit waren sie niedriger und wurden erst, nachdem man angefangen
hatte, die Gebläse durch Wasserräder zu betreiben, erhöht. Angeblich
sollen sie schon im 8. Jahrhundert in Steiermark bestanden und sich
von da nach Böhmen verbreitet haben. Sicher verbürgt ist, daſs sie
im 13. Jahrhundert in Steiermark in Anwendung waren.

Die Angabe, daſs der Stahlberg bei Schmalkalden im Jahre 385
von einem steirischen Eisenarbeiter entdeckt worden sei und daſs
dieser auch den steirischen Betrieb dort einführte, mag wahr sein,
daſs dies aber Stucköfen gewesen seien, folgt daraus noch nicht, wenn
auch solche im vorigen Jahrhundert im Hennebergischen im Betrieb
waren und sich dort sogar länger als in Steiermark selbst erhielten.

Mancherlei Angaben bestätigen es, daſs die Stucköfen in Steier-
mark
sich schon sehr früh entwickelt haben. Es wurde des Rufes,
den das norische Eisen bei den Römern genoſs, schon gedacht. Auch
wissen wir, daſs bei den Römern bereits niedrige Schachtöfen im Ge-
brauch waren. In den Zeiten der Völkerwanderung war Noricum und
besonders Steiermark erschütternden Stürmen ausgesetzt. Gegen
Ende des 4. Jahrhunderts wurden die Römer aus der norischen Pro-
vinz verdrängt. 405 eroberten es die Westgoten, die 451 von den
Hunnen verdrängt wurden, denen schon 454 die Rugier folgten. 487
überschwemmten die Heruler, 488 die Longobarden das Land, bis
495 die Ostgoten Noricum mit dem gotischen Reich vereinigten.
Erst um diese Zeit scheint die steirische Eisenindustrie vollständig
erlegen zu sein, denn im 5. Jahrhundert wird des steirischen Eisens
noch von verschiedenen Schriftstellern gedacht, wie namentlich von
Sidonius Apollinaris, der von 430 bis 487 lebte. Nach dem Sturz der
Ostgotenherrschaft drängten die slavischen Völkerstämme immer
mehr nach Westen und am Ende des 6. bis gegen Mitte des 7. Jahr-
hunderts wanderten sie in Steiermark ein und setzten sich nament-
lich auch in den obersteirischen Eisendistrikten fest.

Im Jahre 712 sollen die Bergwerke des Erzberges bei Eisenerz
eröffnet, d. h. wahrscheinlich wieder eröffnet worden sein. Eine alte
Inschrift in der St. Oswaldkapelle in Eisenerz sagt: „Haec celebris et
nominata ferri fodina reperta est anno Christi DCCXII. Cui in per-

Beck, Geschichte des Eisens. 52
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[817/0839] Die Stucköfen. Blaufeuer genannt und im vorigen Jahrhundert wurden die steirischen Eisenschmelzöfen, die „Floſsöfen“, ebenso oft Blauöfen genannt, als die Stucköfen. Der Name Stuck- oder Wolfsofen rührt von dem Eisen- klumpen, der Luppe, her, die man darin erhielt, und die man das „Stück“ oder den „Wolf“ (loupe, Luppe) nannte. Über die Geschichte der Stucköfen ist wenig überliefert. In alter Zeit waren sie niedriger und wurden erst, nachdem man angefangen hatte, die Gebläse durch Wasserräder zu betreiben, erhöht. Angeblich sollen sie schon im 8. Jahrhundert in Steiermark bestanden und sich von da nach Böhmen verbreitet haben. Sicher verbürgt ist, daſs sie im 13. Jahrhundert in Steiermark in Anwendung waren. Die Angabe, daſs der Stahlberg bei Schmalkalden im Jahre 385 von einem steirischen Eisenarbeiter entdeckt worden sei und daſs dieser auch den steirischen Betrieb dort einführte, mag wahr sein, daſs dies aber Stucköfen gewesen seien, folgt daraus noch nicht, wenn auch solche im vorigen Jahrhundert im Hennebergischen im Betrieb waren und sich dort sogar länger als in Steiermark selbst erhielten. Mancherlei Angaben bestätigen es, daſs die Stucköfen in Steier- mark sich schon sehr früh entwickelt haben. Es wurde des Rufes, den das norische Eisen bei den Römern genoſs, schon gedacht. Auch wissen wir, daſs bei den Römern bereits niedrige Schachtöfen im Ge- brauch waren. In den Zeiten der Völkerwanderung war Noricum und besonders Steiermark erschütternden Stürmen ausgesetzt. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurden die Römer aus der norischen Pro- vinz verdrängt. 405 eroberten es die Westgoten, die 451 von den Hunnen verdrängt wurden, denen schon 454 die Rugier folgten. 487 überschwemmten die Heruler, 488 die Longobarden das Land, bis 495 die Ostgoten Noricum mit dem gotischen Reich vereinigten. Erst um diese Zeit scheint die steirische Eisenindustrie vollständig erlegen zu sein, denn im 5. Jahrhundert wird des steirischen Eisens noch von verschiedenen Schriftstellern gedacht, wie namentlich von Sidonius Apollinaris, der von 430 bis 487 lebte. Nach dem Sturz der Ostgotenherrschaft drängten die slavischen Völkerstämme immer mehr nach Westen und am Ende des 6. bis gegen Mitte des 7. Jahr- hunderts wanderten sie in Steiermark ein und setzten sich nament- lich auch in den obersteirischen Eisendistrikten fest. Im Jahre 712 sollen die Bergwerke des Erzberges bei Eisenerz eröffnet, d. h. wahrscheinlich wieder eröffnet worden sein. Eine alte Inschrift in der St. Oswaldkapelle in Eisenerz sagt: „Haec celebris et nominata ferri fodina reperta est anno Christi DCCXII. Cui in per- Beck, Geschichte des Eisens. 52

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/839>, abgerufen am 20.04.2024.