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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Die Schmiedezunft.
höflich, zu gestehen, dass sie dies bisher nicht hätten thun mögen, weil
sie geglaubt, Se. Hochwürden würden solche ohne ihre Erinnerung
erlegen. Welch ein weites Feld zu Betrachtungen über die hin und
wieder so hochgepriesene alte Zeit öffnen solche Züge gegenseitiger
Verirrungen! Hier schrankenlose Übertreibung von Gewohnheits-
rechten, für die Gesellenbrüderschaften nirgends begründet, von ihnen
usurpiert oder von den Meistern heimlich verliehen, wodurch diese sich
selbst dem Übermute ihrer Untergebenen hingegeben hatten, dort
wenig Übereinstimmung zwischen den gesetzgebenden und ausführen-
den Gewalten. Die Domherren, besorgt für ihre und ihrer Domänen
Pferde, mochten die aufgeregten Gesellen gern beschwichtigen, ohne
ihrer landesherrlichen Würde etwas zu vergeben. Ihre Regierung,
eingeengt zwischen alten, einer vielseitigen Ausdehnung fähigen Privi-
legien und Handwerkssätzen, in welchen die nach Unabhängigkeit
strebende Hauptstadt ihre stärksten Stützen besass, hatte nicht den
Mut, den klaren Reichsgesetzen und ihrer eigenen Polizeiordnung ge-
mäss zu verfahren, weil sie ihren Handlungen nicht den erforderlichen
Nachdruck zu geben vermochte.

Da der Magistrat zu Stassfurth die Injurianten nicht vergleichen
konnte, so liess endlich die Regierung sie vor sich kommen und stiftete
einen Vergleich unter ihnen, den sie annahmen und sich bei 100 Gulden
Strafe verpflichteten, den Streit auf keine Weise wieder aufzunehmen.
Die Akten ergeben nicht, ob die Schmiedecompanen diesen Vertrag
genehmigt, ihre Verbote aufgehoben haben; wohl aber enthalten sie
mehrere Dokumente von fortwährenden Unruhen in dieser Innung und
den Versuch der Regierung, durch Stiftung neuer Schmiedegilden in
den benachbarten Städten, die Hauptinnung in Magdeburg zu isolieren.



Die Schmiede waren im allgemeinen hochangesehene Gewerbe-
treibende. Wenn sie einerseits als Zauberer und kluge Männer galten,
die mit dem Tode und dem Teufel fertig wurden 1), so galten die
rechtschaffenen doch als getreue und patriotische Leute, wie die be-
kannte, schöne Erzählung von dem Schmied von Ruhla und Landgraf
Ludwig dem Eisernen (im 12. Jahrhundert) beweist. An den Höfen
genossen sie oft besondere Gerechtsame, so an dem reichen Hofe Karls
des Kühnen von Burgund; von der täglichen Hoftafel gehörten zwar,
wie gebräuchlich, die abgetragenen Speisen in der Regel dem Hof-

1) Berlepsch a. a. O. S. 79 u. s. w., ferner Bechstein, Märchenbuch, S. 29, der
Schmied von Jüterbogk.

Die Schmiedezunft.
höflich, zu gestehen, daſs sie dies bisher nicht hätten thun mögen, weil
sie geglaubt, Se. Hochwürden würden solche ohne ihre Erinnerung
erlegen. Welch ein weites Feld zu Betrachtungen über die hin und
wieder so hochgepriesene alte Zeit öffnen solche Züge gegenseitiger
Verirrungen! Hier schrankenlose Übertreibung von Gewohnheits-
rechten, für die Gesellenbrüderschaften nirgends begründet, von ihnen
usurpiert oder von den Meistern heimlich verliehen, wodurch diese sich
selbst dem Übermute ihrer Untergebenen hingegeben hatten, dort
wenig Übereinstimmung zwischen den gesetzgebenden und ausführen-
den Gewalten. Die Domherren, besorgt für ihre und ihrer Domänen
Pferde, mochten die aufgeregten Gesellen gern beschwichtigen, ohne
ihrer landesherrlichen Würde etwas zu vergeben. Ihre Regierung,
eingeengt zwischen alten, einer vielseitigen Ausdehnung fähigen Privi-
legien und Handwerkssätzen, in welchen die nach Unabhängigkeit
strebende Hauptstadt ihre stärksten Stützen besaſs, hatte nicht den
Mut, den klaren Reichsgesetzen und ihrer eigenen Polizeiordnung ge-
mäſs zu verfahren, weil sie ihren Handlungen nicht den erforderlichen
Nachdruck zu geben vermochte.

Da der Magistrat zu Staſsfurth die Injurianten nicht vergleichen
konnte, so lieſs endlich die Regierung sie vor sich kommen und stiftete
einen Vergleich unter ihnen, den sie annahmen und sich bei 100 Gulden
Strafe verpflichteten, den Streit auf keine Weise wieder aufzunehmen.
Die Akten ergeben nicht, ob die Schmiedecompanen diesen Vertrag
genehmigt, ihre Verbote aufgehoben haben; wohl aber enthalten sie
mehrere Dokumente von fortwährenden Unruhen in dieser Innung und
den Versuch der Regierung, durch Stiftung neuer Schmiedegilden in
den benachbarten Städten, die Hauptinnung in Magdeburg zu isolieren.



Die Schmiede waren im allgemeinen hochangesehene Gewerbe-
treibende. Wenn sie einerseits als Zauberer und kluge Männer galten,
die mit dem Tode und dem Teufel fertig wurden 1), so galten die
rechtschaffenen doch als getreue und patriotische Leute, wie die be-
kannte, schöne Erzählung von dem Schmied von Ruhla und Landgraf
Ludwig dem Eisernen (im 12. Jahrhundert) beweist. An den Höfen
genossen sie oft besondere Gerechtsame, so an dem reichen Hofe Karls
des Kühnen von Burgund; von der täglichen Hoftafel gehörten zwar,
wie gebräuchlich, die abgetragenen Speisen in der Regel dem Hof-

1) Berlepsch a. a. O. S. 79 u. s. w., ferner Bechstein, Märchenbuch, S. 29, der
Schmied von Jüterbogk.
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[886/0908] Die Schmiedezunft. höflich, zu gestehen, daſs sie dies bisher nicht hätten thun mögen, weil sie geglaubt, Se. Hochwürden würden solche ohne ihre Erinnerung erlegen. Welch ein weites Feld zu Betrachtungen über die hin und wieder so hochgepriesene alte Zeit öffnen solche Züge gegenseitiger Verirrungen! Hier schrankenlose Übertreibung von Gewohnheits- rechten, für die Gesellenbrüderschaften nirgends begründet, von ihnen usurpiert oder von den Meistern heimlich verliehen, wodurch diese sich selbst dem Übermute ihrer Untergebenen hingegeben hatten, dort wenig Übereinstimmung zwischen den gesetzgebenden und ausführen- den Gewalten. Die Domherren, besorgt für ihre und ihrer Domänen Pferde, mochten die aufgeregten Gesellen gern beschwichtigen, ohne ihrer landesherrlichen Würde etwas zu vergeben. Ihre Regierung, eingeengt zwischen alten, einer vielseitigen Ausdehnung fähigen Privi- legien und Handwerkssätzen, in welchen die nach Unabhängigkeit strebende Hauptstadt ihre stärksten Stützen besaſs, hatte nicht den Mut, den klaren Reichsgesetzen und ihrer eigenen Polizeiordnung ge- mäſs zu verfahren, weil sie ihren Handlungen nicht den erforderlichen Nachdruck zu geben vermochte. Da der Magistrat zu Staſsfurth die Injurianten nicht vergleichen konnte, so lieſs endlich die Regierung sie vor sich kommen und stiftete einen Vergleich unter ihnen, den sie annahmen und sich bei 100 Gulden Strafe verpflichteten, den Streit auf keine Weise wieder aufzunehmen. Die Akten ergeben nicht, ob die Schmiedecompanen diesen Vertrag genehmigt, ihre Verbote aufgehoben haben; wohl aber enthalten sie mehrere Dokumente von fortwährenden Unruhen in dieser Innung und den Versuch der Regierung, durch Stiftung neuer Schmiedegilden in den benachbarten Städten, die Hauptinnung in Magdeburg zu isolieren. Die Schmiede waren im allgemeinen hochangesehene Gewerbe- treibende. Wenn sie einerseits als Zauberer und kluge Männer galten, die mit dem Tode und dem Teufel fertig wurden 1), so galten die rechtschaffenen doch als getreue und patriotische Leute, wie die be- kannte, schöne Erzählung von dem Schmied von Ruhla und Landgraf Ludwig dem Eisernen (im 12. Jahrhundert) beweist. An den Höfen genossen sie oft besondere Gerechtsame, so an dem reichen Hofe Karls des Kühnen von Burgund; von der täglichen Hoftafel gehörten zwar, wie gebräuchlich, die abgetragenen Speisen in der Regel dem Hof- 1) Berlepsch a. a. O. S. 79 u. s. w., ferner Bechstein, Märchenbuch, S. 29, der Schmied von Jüterbogk.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 886. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/908>, abgerufen am 25.04.2024.