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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Weissblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
zu schaffen, als eine wichtige Erfindung anzusehen, da sie der Aus-
gangspunkt eines bedeutenden Zweiges der Eisenindustrie geworden
ist, deren Produkt das Rohmaterial für verschiedene Kleingewerbe
liefert.

Das industriereiche Sachsen, in der metallurgischen Technik zu
jener Zeit besonders weit vorgeschritten, war zur Ausbeutung dieser
Erfindung sehr geeignet, weil sich daselbst eine bedeutende Eisen-
blechfabrikation in nächster Nähe ausgiebiger Zinnbergwerke und Hütten
befand. Das Kurfürstentum Sachsen hat unzweifelhaft diese Industrie
zuerst in grossem Massstabe entwickelt und darf in diesem Sinne als
die Heimat derselben bezeichnet werden. In England, welches durch
seine noch günstigeren Verhältnisse in späterer Zeit Deutschland in
dieser Fabrikation überflügelte, wurde dieser Industriezweig von
Andrew Yarranton, der ihn 1670 in Sachsen kennen gelernt und
studiert hatte, erst nach dieser Zeit einzuführen versucht, doch gelang
es nicht, die Weissblechfabrikation im Laufe des 17. Jahrhunderts in
England zur Blüte zu bringen. Ebenso ging es in Frankreich.

Werfen wir nun einen Blick auf die Fabrikation.

Der Blechhammer hatte die wichtigste Vorarbeit für die Weiss-
blechfabrikation zu leisten. Damals wurde das Blech bereits allgemein
mit Wasserhämmern geschmiedet. Wie dies geschah, haben wir ge-
schildert. Für die Verzinnung stellte man nur Bleche von geringen
Dimensionen dar. Hierzu waren zwei Hämmer, ein Breithammer und
ein Urwellhammer, erforderlich 1). Ersterer hatte eine schwach ge-
wölbte Bahn von etwa 0,20 m Seitenlänge, 300 bis 350 kg Gewicht
und 1 m Hub; der Urwellhammer hatte eine Bahn von 0,25 m Länge,
0,05 m Breite, 150 Ztr. Gewicht und 0,75 Hub. Die Ambossbahn hatte
0,35 m Seitenlänge und war ganz schwach gewölbt. Am Hammer-
stock war ein Eisenstab befestigt, der über die Ambossfläche hervor-
ragte und dazu diente, dass man die Blechstürzen beim Gleichen da-
gegenstiess, damit sie gerade übereinander liegen blieben.

Ehe man mit der eigentlichen Schmiedearbeit begann, wurden
die Abschnitzel und der Ausschuss im Herde niedergeschmolzen, wo-
bei gleichzeitig die Schirbel der vorigen Luppe zu Quadratstäben von
33 mm Stärke ausgeschmiedet wurden. Dies geschah unter dem Breit-
hammer und die Arbeit hiess das Zainen. Nach dem Zainen
wurde die Luppe gefrischt, ausgebrochen, gezängt, in Schirbel zer-
hauen und diese wieder gezaint. War dies beendigt, so wurde der
Breithammer aus dem Gerüst genommen und der Urwellhammer ein-

1) Siehe Karsten a. a. O., Bd. IV, S. 385.

Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert.
zu schaffen, als eine wichtige Erfindung anzusehen, da sie der Aus-
gangspunkt eines bedeutenden Zweiges der Eisenindustrie geworden
ist, deren Produkt das Rohmaterial für verschiedene Kleingewerbe
liefert.

Das industriereiche Sachsen, in der metallurgischen Technik zu
jener Zeit besonders weit vorgeschritten, war zur Ausbeutung dieser
Erfindung sehr geeignet, weil sich daselbst eine bedeutende Eisen-
blechfabrikation in nächster Nähe ausgiebiger Zinnbergwerke und Hütten
befand. Das Kurfürstentum Sachsen hat unzweifelhaft diese Industrie
zuerst in groſsem Maſsstabe entwickelt und darf in diesem Sinne als
die Heimat derselben bezeichnet werden. In England, welches durch
seine noch günstigeren Verhältnisse in späterer Zeit Deutschland in
dieser Fabrikation überflügelte, wurde dieser Industriezweig von
Andrew Yarranton, der ihn 1670 in Sachsen kennen gelernt und
studiert hatte, erst nach dieser Zeit einzuführen versucht, doch gelang
es nicht, die Weiſsblechfabrikation im Laufe des 17. Jahrhunderts in
England zur Blüte zu bringen. Ebenso ging es in Frankreich.

Werfen wir nun einen Blick auf die Fabrikation.

Der Blechhammer hatte die wichtigste Vorarbeit für die Weiſs-
blechfabrikation zu leisten. Damals wurde das Blech bereits allgemein
mit Wasserhämmern geschmiedet. Wie dies geschah, haben wir ge-
schildert. Für die Verzinnung stellte man nur Bleche von geringen
Dimensionen dar. Hierzu waren zwei Hämmer, ein Breithammer und
ein Urwellhammer, erforderlich 1). Ersterer hatte eine schwach ge-
wölbte Bahn von etwa 0,20 m Seitenlänge, 300 bis 350 kg Gewicht
und 1 m Hub; der Urwellhammer hatte eine Bahn von 0,25 m Länge,
0,05 m Breite, 150 Ztr. Gewicht und 0,75 Hub. Die Amboſsbahn hatte
0,35 m Seitenlänge und war ganz schwach gewölbt. Am Hammer-
stock war ein Eisenstab befestigt, der über die Amboſsfläche hervor-
ragte und dazu diente, daſs man die Blechstürzen beim Gleichen da-
gegenstieſs, damit sie gerade übereinander liegen blieben.

Ehe man mit der eigentlichen Schmiedearbeit begann, wurden
die Abschnitzel und der Ausschuſs im Herde niedergeschmolzen, wo-
bei gleichzeitig die Schirbel der vorigen Luppe zu Quadratstäben von
33 mm Stärke ausgeschmiedet wurden. Dies geschah unter dem Breit-
hammer und die Arbeit hieſs das Zainen. Nach dem Zainen
wurde die Luppe gefrischt, ausgebrochen, gezängt, in Schirbel zer-
hauen und diese wieder gezaint. War dies beendigt, so wurde der
Breithammer aus dem Gerüst genommen und der Urwellhammer ein-

1) Siehe Karsten a. a. O., Bd. IV, S. 385.
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[980/1002] Die Weiſsblechfabrikation im 17. Jahrhundert. zu schaffen, als eine wichtige Erfindung anzusehen, da sie der Aus- gangspunkt eines bedeutenden Zweiges der Eisenindustrie geworden ist, deren Produkt das Rohmaterial für verschiedene Kleingewerbe liefert. Das industriereiche Sachsen, in der metallurgischen Technik zu jener Zeit besonders weit vorgeschritten, war zur Ausbeutung dieser Erfindung sehr geeignet, weil sich daselbst eine bedeutende Eisen- blechfabrikation in nächster Nähe ausgiebiger Zinnbergwerke und Hütten befand. Das Kurfürstentum Sachsen hat unzweifelhaft diese Industrie zuerst in groſsem Maſsstabe entwickelt und darf in diesem Sinne als die Heimat derselben bezeichnet werden. In England, welches durch seine noch günstigeren Verhältnisse in späterer Zeit Deutschland in dieser Fabrikation überflügelte, wurde dieser Industriezweig von Andrew Yarranton, der ihn 1670 in Sachsen kennen gelernt und studiert hatte, erst nach dieser Zeit einzuführen versucht, doch gelang es nicht, die Weiſsblechfabrikation im Laufe des 17. Jahrhunderts in England zur Blüte zu bringen. Ebenso ging es in Frankreich. Werfen wir nun einen Blick auf die Fabrikation. Der Blechhammer hatte die wichtigste Vorarbeit für die Weiſs- blechfabrikation zu leisten. Damals wurde das Blech bereits allgemein mit Wasserhämmern geschmiedet. Wie dies geschah, haben wir ge- schildert. Für die Verzinnung stellte man nur Bleche von geringen Dimensionen dar. Hierzu waren zwei Hämmer, ein Breithammer und ein Urwellhammer, erforderlich 1). Ersterer hatte eine schwach ge- wölbte Bahn von etwa 0,20 m Seitenlänge, 300 bis 350 kg Gewicht und 1 m Hub; der Urwellhammer hatte eine Bahn von 0,25 m Länge, 0,05 m Breite, 150 Ztr. Gewicht und 0,75 Hub. Die Amboſsbahn hatte 0,35 m Seitenlänge und war ganz schwach gewölbt. Am Hammer- stock war ein Eisenstab befestigt, der über die Amboſsfläche hervor- ragte und dazu diente, daſs man die Blechstürzen beim Gleichen da- gegenstieſs, damit sie gerade übereinander liegen blieben. Ehe man mit der eigentlichen Schmiedearbeit begann, wurden die Abschnitzel und der Ausschuſs im Herde niedergeschmolzen, wo- bei gleichzeitig die Schirbel der vorigen Luppe zu Quadratstäben von 33 mm Stärke ausgeschmiedet wurden. Dies geschah unter dem Breit- hammer und die Arbeit hieſs das Zainen. Nach dem Zainen wurde die Luppe gefrischt, ausgebrochen, gezängt, in Schirbel zer- hauen und diese wieder gezaint. War dies beendigt, so wurde der Breithammer aus dem Gerüst genommen und der Urwellhammer ein- 1) Siehe Karsten a. a. O., Bd. IV, S. 385.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 980. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1002>, abgerufen am 28.03.2024.