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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Eisenhandel im 17. Jahrhundert.
fürst und sein Hof bestehen konnte, so war alles in Ordnung. Damit
dieser bestehen konnte, wurden Zölle, Wegegelder, Produktions- und
Konsumsteuern, Privilegien, Monopole und wie alle die Mittel hiessen,
die fürstlichen Kassen zu füllen, Gewerbe und Handel aber zu be-
drücken, erdacht. Das Merkantilsystem, so recht für die Geldgier der
Fürsten wie geschaffen, galt als höchste Handelsweisheit; der Grund-
gedanke dieses Systems ist der, dass Produktion und Handel durch
staatliche Massregeln so geleitet werden, dass der Vorrat an Edel-
metallen, Gold und Silber, welche als einzige Wertmesser galten, sich
vermehrt. Eng damit hing zusammen, dass jeder Staat alle seine
Bedürfnisse soviel wie möglich selbst erzeugen müsse. Wenn solche
Grundsätze in einem grossen Staat, wie z. B. Frankreich, sich einiger-
massen durchführen liessen, so war dies geradezu absurd für eins der
kleinen, nach hunderten zählenden, deutschen Fürstentümer. Und
doch strebten die kleinen Herrscher demselben Ziele zu. Jeder
schloss sein Ländchen trotz der unnatürlichsten Begrenzung möglichst
ab und schwelgte in dem Hochgefühl, absoluter Herr eines selbst-
ständigen Staates zu sein. Die Nachahmung französischer Einrich-
tungen und französischen Wesens wurde nach dem 30 jährigen Krieg
in Deutschland krankhaft. Patriotismus und Gemeinsinn gingen
dabei zu Grunde; Industrie und Handel, welche die Kosten aufzu-
bringen hatten, erlagen fast unter dem Druck. Es war für die herr-
schende Praxis nur ein kleiner Schritt, den Handel selbst zum Regal
zu machen, nur dem Fürsten das Recht, Handel zu treiben, zu-
zuerkennen, wie es denn in Russland in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts wirklich durchgeführt wurde. Wie ganz anders war
die Handelspolitik Englands und namentlich Hollands. In diesen
Ländern suchte man in grossem Massstab den Handel zu fördern.
Die eigene Heimat wurde dem Unternehmungsgeist zu eng, auf zahl-
reichen Schiffen suchte man in fernen Weltteilen neue Produktions-
und neue Absatzgebiete auf. Grossartige Handelsgesellschaften ent-
standen, welche die Regierungen in jeder Weise unterstützten. Den
Vorrang behauptete in diesem Jahrhundert Holland, das seine
schwer erkämpfte Freiheit in der schönsten Weise gebrauchte und
durch seinen immer wachsenden Handel sich aus kleinen Anfängen
zu einer Grossmacht ersten Ranges emporschwang. 1595 hatte sich
in den Niederlanden die Gesellschaft der fernen Länder gebildet, aus
welcher bereits 1602 die holländisch-ostindische Kompagnie entstand,
welche den Grund zur holländischen Kolonialmacht legte. Eine feste
Grundlage gab Holland seinem Handel durch Gründung der Giro-

Eisenhandel im 17. Jahrhundert.
fürst und sein Hof bestehen konnte, so war alles in Ordnung. Damit
dieser bestehen konnte, wurden Zölle, Wegegelder, Produktions- und
Konsumsteuern, Privilegien, Monopole und wie alle die Mittel hieſsen,
die fürstlichen Kassen zu füllen, Gewerbe und Handel aber zu be-
drücken, erdacht. Das Merkantilsystem, so recht für die Geldgier der
Fürsten wie geschaffen, galt als höchste Handelsweisheit; der Grund-
gedanke dieses Systems ist der, daſs Produktion und Handel durch
staatliche Maſsregeln so geleitet werden, daſs der Vorrat an Edel-
metallen, Gold und Silber, welche als einzige Wertmesser galten, sich
vermehrt. Eng damit hing zusammen, daſs jeder Staat alle seine
Bedürfnisse soviel wie möglich selbst erzeugen müsse. Wenn solche
Grundsätze in einem groſsen Staat, wie z. B. Frankreich, sich einiger-
maſsen durchführen lieſsen, so war dies geradezu absurd für eins der
kleinen, nach hunderten zählenden, deutschen Fürstentümer. Und
doch strebten die kleinen Herrscher demselben Ziele zu. Jeder
schloſs sein Ländchen trotz der unnatürlichsten Begrenzung möglichst
ab und schwelgte in dem Hochgefühl, absoluter Herr eines selbst-
ständigen Staates zu sein. Die Nachahmung französischer Einrich-
tungen und französischen Wesens wurde nach dem 30 jährigen Krieg
in Deutschland krankhaft. Patriotismus und Gemeinsinn gingen
dabei zu Grunde; Industrie und Handel, welche die Kosten aufzu-
bringen hatten, erlagen fast unter dem Druck. Es war für die herr-
schende Praxis nur ein kleiner Schritt, den Handel selbst zum Regal
zu machen, nur dem Fürsten das Recht, Handel zu treiben, zu-
zuerkennen, wie es denn in Ruſsland in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts wirklich durchgeführt wurde. Wie ganz anders war
die Handelspolitik Englands und namentlich Hollands. In diesen
Ländern suchte man in groſsem Maſsstab den Handel zu fördern.
Die eigene Heimat wurde dem Unternehmungsgeist zu eng, auf zahl-
reichen Schiffen suchte man in fernen Weltteilen neue Produktions-
und neue Absatzgebiete auf. Groſsartige Handelsgesellschaften ent-
standen, welche die Regierungen in jeder Weise unterstützten. Den
Vorrang behauptete in diesem Jahrhundert Holland, das seine
schwer erkämpfte Freiheit in der schönsten Weise gebrauchte und
durch seinen immer wachsenden Handel sich aus kleinen Anfängen
zu einer Groſsmacht ersten Ranges emporschwang. 1595 hatte sich
in den Niederlanden die Gesellschaft der fernen Länder gebildet, aus
welcher bereits 1602 die holländisch-ostindische Kompagnie entstand,
welche den Grund zur holländischen Kolonialmacht legte. Eine feste
Grundlage gab Holland seinem Handel durch Gründung der Giro-

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[1031/1053] Eisenhandel im 17. Jahrhundert. fürst und sein Hof bestehen konnte, so war alles in Ordnung. Damit dieser bestehen konnte, wurden Zölle, Wegegelder, Produktions- und Konsumsteuern, Privilegien, Monopole und wie alle die Mittel hieſsen, die fürstlichen Kassen zu füllen, Gewerbe und Handel aber zu be- drücken, erdacht. Das Merkantilsystem, so recht für die Geldgier der Fürsten wie geschaffen, galt als höchste Handelsweisheit; der Grund- gedanke dieses Systems ist der, daſs Produktion und Handel durch staatliche Maſsregeln so geleitet werden, daſs der Vorrat an Edel- metallen, Gold und Silber, welche als einzige Wertmesser galten, sich vermehrt. Eng damit hing zusammen, daſs jeder Staat alle seine Bedürfnisse soviel wie möglich selbst erzeugen müsse. Wenn solche Grundsätze in einem groſsen Staat, wie z. B. Frankreich, sich einiger- maſsen durchführen lieſsen, so war dies geradezu absurd für eins der kleinen, nach hunderten zählenden, deutschen Fürstentümer. Und doch strebten die kleinen Herrscher demselben Ziele zu. Jeder schloſs sein Ländchen trotz der unnatürlichsten Begrenzung möglichst ab und schwelgte in dem Hochgefühl, absoluter Herr eines selbst- ständigen Staates zu sein. Die Nachahmung französischer Einrich- tungen und französischen Wesens wurde nach dem 30 jährigen Krieg in Deutschland krankhaft. Patriotismus und Gemeinsinn gingen dabei zu Grunde; Industrie und Handel, welche die Kosten aufzu- bringen hatten, erlagen fast unter dem Druck. Es war für die herr- schende Praxis nur ein kleiner Schritt, den Handel selbst zum Regal zu machen, nur dem Fürsten das Recht, Handel zu treiben, zu- zuerkennen, wie es denn in Ruſsland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wirklich durchgeführt wurde. Wie ganz anders war die Handelspolitik Englands und namentlich Hollands. In diesen Ländern suchte man in groſsem Maſsstab den Handel zu fördern. Die eigene Heimat wurde dem Unternehmungsgeist zu eng, auf zahl- reichen Schiffen suchte man in fernen Weltteilen neue Produktions- und neue Absatzgebiete auf. Groſsartige Handelsgesellschaften ent- standen, welche die Regierungen in jeder Weise unterstützten. Den Vorrang behauptete in diesem Jahrhundert Holland, das seine schwer erkämpfte Freiheit in der schönsten Weise gebrauchte und durch seinen immer wachsenden Handel sich aus kleinen Anfängen zu einer Groſsmacht ersten Ranges emporschwang. 1595 hatte sich in den Niederlanden die Gesellschaft der fernen Länder gebildet, aus welcher bereits 1602 die holländisch-ostindische Kompagnie entstand, welche den Grund zur holländischen Kolonialmacht legte. Eine feste Grundlage gab Holland seinem Handel durch Gründung der Giro-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1031. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1053>, abgerufen am 25.04.2024.