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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und zur Fabrikation zu werden. Allerdings nicht ganz zur Fabri-
kation in unserm Sinne, so dass einzelne Grossunternehmer oder
Gesellschaften in grossen Werken Massenproduktion bestimmter
Artikel auf eigenes Risiko mit Lohnarbeiten betrieben hätten, son-
dern in dem alten Sinne der Fabrik, dass eine Anzahl selbständiger
Meister in einer Stadt oder einem Gebiete nach gewissen zunft-
mässigen Vereinbarungen zusammenarbeiteten, während der Vertrieb
der betreffenden Ware, der eigentliche Verkauf von andern besorgt
wurde. Diese Art der Produktionsweise, welche sich ganz besonders
bei den Schwertschmieden Westfalens im Solinger Bezirk planmässig,
mit der vollen Auffassung des Wertes der Arbeitsteilung schon im
Mittelalter entwickelt hatte, haben wir in Band I, S. 849 bereits aus-
führlich geschildert. Wir knüpfen an die dort gegebene Darstellung
einfach an.

Die Herzoge von Berg unterstützten die Thätigkeit ihrer fleissigen
Industriebevölkerung, namentlich die ihrer in ganz Europa bekannten
Schwertschmiede durch vernünftige Gesetze und Privilegien. 1374
wurde der Ort Solingen, der hauptsächlich von Eisenschmieden be-
wohnt war, zu einer "Freiheit" erhoben; mit dem Rechte, sich mit
Mauern, Wällen und Thoren zu versehen und einen Wochen- und
Jahrmarkt abzuhalten 1). Im Jahre 1401 hatte dann Herzog Wilhelm
von Berg den Härtern und Schleifern ein Privileg mit einer zunft-
gemässen Verfassung erteilt; am 9. März 1412 erhielten die Schwert-
feger und Reider, am 25. November 1472 die Schwertschmiede und
am 6. April 1487 die Kreuz- und Knopfschmiede die gleichen Ver-
günstigungen. Der Verkauf der Solinger Klingen ging hauptsächlich
über Köln und lässt sich wohl annehmen, dass die im Mittelalter so
berühmten kölnischen Klingen grossenteils aus dem Bergischen und
aus dem Solinger Bezirk stammten. Eigentümlich war die strenge
Arbeitsteilung, welche ihren gesetzlichen Ausdruck fand in den ge-
schlossenen "Bruderschaften", auch "Ambachte" oder "Handwerke"
genannt. Es gab deren drei: die Schwertschmiede, die Härter und
Schleifer und die Schwertfeger und Reider. Wir haben über deren
Gewohnheiten und Rechte bereits im ersten Bande berichtet (S. 850)
und werden später bei der Lokalgeschichte noch einiges hierzu nach-
tragen. Was der Solinger Klingenindustrie einen besondern Auf-
schwung und ein Weltrenommee gab, war die gute Ware und deren

1) Siehe Lacomblet, Urkundenbuch, Bd. III, Nr. 754 und R. Gronau, Ge-
schichte der Klingenindustrie Solingens.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und zur Fabrikation zu werden. Allerdings nicht ganz zur Fabri-
kation in unserm Sinne, so daſs einzelne Groſsunternehmer oder
Gesellschaften in groſsen Werken Massenproduktion bestimmter
Artikel auf eigenes Risiko mit Lohnarbeiten betrieben hätten, son-
dern in dem alten Sinne der Fabrik, daſs eine Anzahl selbständiger
Meister in einer Stadt oder einem Gebiete nach gewissen zunft-
mäſsigen Vereinbarungen zusammenarbeiteten, während der Vertrieb
der betreffenden Ware, der eigentliche Verkauf von andern besorgt
wurde. Diese Art der Produktionsweise, welche sich ganz besonders
bei den Schwertschmieden Westfalens im Solinger Bezirk planmäſsig,
mit der vollen Auffassung des Wertes der Arbeitsteilung schon im
Mittelalter entwickelt hatte, haben wir in Band I, S. 849 bereits aus-
führlich geschildert. Wir knüpfen an die dort gegebene Darstellung
einfach an.

Die Herzoge von Berg unterstützten die Thätigkeit ihrer fleiſsigen
Industriebevölkerung, namentlich die ihrer in ganz Europa bekannten
Schwertschmiede durch vernünftige Gesetze und Privilegien. 1374
wurde der Ort Solingen, der hauptsächlich von Eisenschmieden be-
wohnt war, zu einer „Freiheit“ erhoben; mit dem Rechte, sich mit
Mauern, Wällen und Thoren zu versehen und einen Wochen- und
Jahrmarkt abzuhalten 1). Im Jahre 1401 hatte dann Herzog Wilhelm
von Berg den Härtern und Schleifern ein Privileg mit einer zunft-
gemäſsen Verfassung erteilt; am 9. März 1412 erhielten die Schwert-
feger und Reider, am 25. November 1472 die Schwertschmiede und
am 6. April 1487 die Kreuz- und Knopfschmiede die gleichen Ver-
günstigungen. Der Verkauf der Solinger Klingen ging hauptsächlich
über Köln und läſst sich wohl annehmen, daſs die im Mittelalter so
berühmten kölnischen Klingen groſsenteils aus dem Bergischen und
aus dem Solinger Bezirk stammten. Eigentümlich war die strenge
Arbeitsteilung, welche ihren gesetzlichen Ausdruck fand in den ge-
schlossenen „Bruderschaften“, auch „Ambachte“ oder „Handwerke“
genannt. Es gab deren drei: die Schwertschmiede, die Härter und
Schleifer und die Schwertfeger und Reider. Wir haben über deren
Gewohnheiten und Rechte bereits im ersten Bande berichtet (S. 850)
und werden später bei der Lokalgeschichte noch einiges hierzu nach-
tragen. Was der Solinger Klingenindustrie einen besondern Auf-
schwung und ein Weltrenommee gab, war die gute Ware und deren

1) Siehe Lacomblet, Urkundenbuch, Bd. III, Nr. 754 und R. Gronau, Ge-
schichte der Klingenindustrie Solingens.
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[393/0413] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. und zur Fabrikation zu werden. Allerdings nicht ganz zur Fabri- kation in unserm Sinne, so daſs einzelne Groſsunternehmer oder Gesellschaften in groſsen Werken Massenproduktion bestimmter Artikel auf eigenes Risiko mit Lohnarbeiten betrieben hätten, son- dern in dem alten Sinne der Fabrik, daſs eine Anzahl selbständiger Meister in einer Stadt oder einem Gebiete nach gewissen zunft- mäſsigen Vereinbarungen zusammenarbeiteten, während der Vertrieb der betreffenden Ware, der eigentliche Verkauf von andern besorgt wurde. Diese Art der Produktionsweise, welche sich ganz besonders bei den Schwertschmieden Westfalens im Solinger Bezirk planmäſsig, mit der vollen Auffassung des Wertes der Arbeitsteilung schon im Mittelalter entwickelt hatte, haben wir in Band I, S. 849 bereits aus- führlich geschildert. Wir knüpfen an die dort gegebene Darstellung einfach an. Die Herzoge von Berg unterstützten die Thätigkeit ihrer fleiſsigen Industriebevölkerung, namentlich die ihrer in ganz Europa bekannten Schwertschmiede durch vernünftige Gesetze und Privilegien. 1374 wurde der Ort Solingen, der hauptsächlich von Eisenschmieden be- wohnt war, zu einer „Freiheit“ erhoben; mit dem Rechte, sich mit Mauern, Wällen und Thoren zu versehen und einen Wochen- und Jahrmarkt abzuhalten 1). Im Jahre 1401 hatte dann Herzog Wilhelm von Berg den Härtern und Schleifern ein Privileg mit einer zunft- gemäſsen Verfassung erteilt; am 9. März 1412 erhielten die Schwert- feger und Reider, am 25. November 1472 die Schwertschmiede und am 6. April 1487 die Kreuz- und Knopfschmiede die gleichen Ver- günstigungen. Der Verkauf der Solinger Klingen ging hauptsächlich über Köln und läſst sich wohl annehmen, daſs die im Mittelalter so berühmten kölnischen Klingen groſsenteils aus dem Bergischen und aus dem Solinger Bezirk stammten. Eigentümlich war die strenge Arbeitsteilung, welche ihren gesetzlichen Ausdruck fand in den ge- schlossenen „Bruderschaften“, auch „Ambachte“ oder „Handwerke“ genannt. Es gab deren drei: die Schwertschmiede, die Härter und Schleifer und die Schwertfeger und Reider. Wir haben über deren Gewohnheiten und Rechte bereits im ersten Bande berichtet (S. 850) und werden später bei der Lokalgeschichte noch einiges hierzu nach- tragen. Was der Solinger Klingenindustrie einen besondern Auf- schwung und ein Weltrenommee gab, war die gute Ware und deren 1) Siehe Lacomblet, Urkundenbuch, Bd. III, Nr. 754 und R. Gronau, Ge- schichte der Klingenindustrie Solingens.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/413>, abgerufen am 29.03.2024.