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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
Sachsen erklärt. In diesem Sinne beschrieb ihn G. Hoche in seiner
"vollständigen Geschichte der Grafschaft Hohenstein". In dem Kapitel
von der Kultur des Landes und den Religionszuständen in der
heidnisch-sächsischen Zeit beschreibt er das Bild eines "Büsterich"
oder Püster 1), welcher besonders von den Bewohnern der goldenen
Au verehrt wurde. "Der Püster ist ein Bild von Erz gegossen, in-
wendig hohl, fasst ohngefähr einen Eimer Wasser und hält im Ge-
wicht 73 Pfund. Die Höhe ist eine Elle, der Umfang beträgt 5/4 Ellen.
Das rechte Knie ist gebogen, womit er aufkniet; an beiden Füssen
fehlen die Fusssohlen, die nicht daran gegossen sind. Die rechte
Hand liegt auf dem Kopfe, die linke ruht auf dem linken Knie.
Mitten auf dem Kopfe hat er ein kleines Loch und eben ein solches
statt des Mundes, beide so klein, dass man keinen Finger hinein-
stecken kann. Unten ist ein Eisen angegossen und darin ein vier-
eckiges Loch, so dass man vermittelst eines Riegels das Bild fort-
tragen kann. Dieser Pusterich wurde von einem Herrn von Telgerode
in Rothenburg, einem alten, verwüsteten Bergschlosse im Amte Kelbra
unter einem Steinhaufen in einer alten Kapelle gefunden. Er kam
hernach an einen Herrn von Reiffenstein, von welchem ihn Graf
Günther von Schwarzburg im Jahre 1546 erhielt
. Jetzt ist
er in Sondershausen zu sehen. Die Metallmischung ist nicht fest-
gestellt. Landgraf Moritz von Hessen liess die linke Hand ab-
lösen, um sie zu untersuchen, aber es ist nichts darüber bekannt
geworden. Wenn man diesen Püster mit Wasser füllte und die
beiden Löcher zustopfte, ihn dann auf Kohlenfeuer setzte: so fing er
an zu schwitzen, dass ein Tropfen den andern forttrieb; wenn er
gänzlich erhitzt war: so stiess er beide Pflöcke aus dem Maul und
Kopfe und sie fuhren dahin mit einem Knall und Krachen als
donnerte es. -- Das Wasser spritzte heraus wie Feuerflammen und
verbreitete einen üblen Geruch. Fiel es auf Stein und Erde, so be-
fleckte es diese, gleich als wäre es Schwefel oder Kreide, traf es aber
Holz oder eine andere brennbare Materie, so zündete es sie leicht
an. Dies soll noch unter Graf Anton Heinrichs Regierung in Sonders-
hausen geschehen sein."

Hoche kommt nun bei seiner Erörterung über den Zweck des
Püsters zu dem Schluss, dass es wohl kein Verteidigungswerkzeug (!),
sondern ein Schreckbild der heidnischen Priester gewesen sei.


1) Von Pusten = Blasen, also der Bläser. In Niedersachsen heisst der Blase-
balg "Puster".

Maschinenwesen im 16. Jahrhundert.
Sachsen erklärt. In diesem Sinne beschrieb ihn G. Hoche in seiner
„vollständigen Geschichte der Grafschaft Hohenstein“. In dem Kapitel
von der Kultur des Landes und den Religionszuständen in der
heidnisch-sächsischen Zeit beschreibt er das Bild eines „Büsterich“
oder Püster 1), welcher besonders von den Bewohnern der goldenen
Au verehrt wurde. „Der Püster ist ein Bild von Erz gegossen, in-
wendig hohl, faſst ohngefähr einen Eimer Wasser und hält im Ge-
wicht 73 Pfund. Die Höhe ist eine Elle, der Umfang beträgt 5/4 Ellen.
Das rechte Knie ist gebogen, womit er aufkniet; an beiden Füſsen
fehlen die Fuſssohlen, die nicht daran gegossen sind. Die rechte
Hand liegt auf dem Kopfe, die linke ruht auf dem linken Knie.
Mitten auf dem Kopfe hat er ein kleines Loch und eben ein solches
statt des Mundes, beide so klein, daſs man keinen Finger hinein-
stecken kann. Unten ist ein Eisen angegossen und darin ein vier-
eckiges Loch, so daſs man vermittelst eines Riegels das Bild fort-
tragen kann. Dieser Pusterich wurde von einem Herrn von Telgerode
in Rothenburg, einem alten, verwüsteten Bergschlosse im Amte Kelbra
unter einem Steinhaufen in einer alten Kapelle gefunden. Er kam
hernach an einen Herrn von Reiffenstein, von welchem ihn Graf
Günther von Schwarzburg im Jahre 1546 erhielt
. Jetzt ist
er in Sondershausen zu sehen. Die Metallmischung ist nicht fest-
gestellt. Landgraf Moritz von Hessen lieſs die linke Hand ab-
lösen, um sie zu untersuchen, aber es ist nichts darüber bekannt
geworden. Wenn man diesen Püster mit Wasser füllte und die
beiden Löcher zustopfte, ihn dann auf Kohlenfeuer setzte: so fing er
an zu schwitzen, daſs ein Tropfen den andern forttrieb; wenn er
gänzlich erhitzt war: so stieſs er beide Pflöcke aus dem Maul und
Kopfe und sie fuhren dahin mit einem Knall und Krachen als
donnerte es. — Das Wasser spritzte heraus wie Feuerflammen und
verbreitete einen üblen Geruch. Fiel es auf Stein und Erde, so be-
fleckte es diese, gleich als wäre es Schwefel oder Kreide, traf es aber
Holz oder eine andere brennbare Materie, so zündete es sie leicht
an. Dies soll noch unter Graf Anton Heinrichs Regierung in Sonders-
hausen geschehen sein.“

Hoche kommt nun bei seiner Erörterung über den Zweck des
Püsters zu dem Schluſs, daſs es wohl kein Verteidigungswerkzeug (!),
sondern ein Schreckbild der heidnischen Priester gewesen sei.


1) Von Pusten = Blasen, also der Bläser. In Niedersachsen heiſst der Blase-
balg „Puster“.
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[537/0557] Maschinenwesen im 16. Jahrhundert. Sachsen erklärt. In diesem Sinne beschrieb ihn G. Hoche in seiner „vollständigen Geschichte der Grafschaft Hohenstein“. In dem Kapitel von der Kultur des Landes und den Religionszuständen in der heidnisch-sächsischen Zeit beschreibt er das Bild eines „Büsterich“ oder Püster 1), welcher besonders von den Bewohnern der goldenen Au verehrt wurde. „Der Püster ist ein Bild von Erz gegossen, in- wendig hohl, faſst ohngefähr einen Eimer Wasser und hält im Ge- wicht 73 Pfund. Die Höhe ist eine Elle, der Umfang beträgt 5/4 Ellen. Das rechte Knie ist gebogen, womit er aufkniet; an beiden Füſsen fehlen die Fuſssohlen, die nicht daran gegossen sind. Die rechte Hand liegt auf dem Kopfe, die linke ruht auf dem linken Knie. Mitten auf dem Kopfe hat er ein kleines Loch und eben ein solches statt des Mundes, beide so klein, daſs man keinen Finger hinein- stecken kann. Unten ist ein Eisen angegossen und darin ein vier- eckiges Loch, so daſs man vermittelst eines Riegels das Bild fort- tragen kann. Dieser Pusterich wurde von einem Herrn von Telgerode in Rothenburg, einem alten, verwüsteten Bergschlosse im Amte Kelbra unter einem Steinhaufen in einer alten Kapelle gefunden. Er kam hernach an einen Herrn von Reiffenstein, von welchem ihn Graf Günther von Schwarzburg im Jahre 1546 erhielt. Jetzt ist er in Sondershausen zu sehen. Die Metallmischung ist nicht fest- gestellt. Landgraf Moritz von Hessen lieſs die linke Hand ab- lösen, um sie zu untersuchen, aber es ist nichts darüber bekannt geworden. Wenn man diesen Püster mit Wasser füllte und die beiden Löcher zustopfte, ihn dann auf Kohlenfeuer setzte: so fing er an zu schwitzen, daſs ein Tropfen den andern forttrieb; wenn er gänzlich erhitzt war: so stieſs er beide Pflöcke aus dem Maul und Kopfe und sie fuhren dahin mit einem Knall und Krachen als donnerte es. — Das Wasser spritzte heraus wie Feuerflammen und verbreitete einen üblen Geruch. Fiel es auf Stein und Erde, so be- fleckte es diese, gleich als wäre es Schwefel oder Kreide, traf es aber Holz oder eine andere brennbare Materie, so zündete es sie leicht an. Dies soll noch unter Graf Anton Heinrichs Regierung in Sonders- hausen geschehen sein.“ Hoche kommt nun bei seiner Erörterung über den Zweck des Püsters zu dem Schluſs, daſs es wohl kein Verteidigungswerkzeug (!), sondern ein Schreckbild der heidnischen Priester gewesen sei. 1) Von Pusten = Blasen, also der Bläser. In Niedersachsen heiſst der Blase- balg „Puster“.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/557>, abgerufen am 25.04.2024.