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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Bergbau.
besondern Verdienst gemacht, Kirchen und Kapellen zu stiften, so
in Kuttenberg, Freiberg, Löwenberg u. s. w. 1). Als aber vor und mit
der Reformation Predigten zum Bedürfnis wurden, fing man an, wie
in Kuttenberg, besondere Prediger für die Bergleute zu bestellen,
ihnen aus eigenen Mitteln Besoldung zu reichen und ihnen besondere
Wohnung, meist neben der Kirche, einzurichten und anzuweisen, so
geschah es Ende des 15. Jahrhunderts schon zu Schneeberg und
St. Annaberg. Die Prediger dieser Bergkirchen wussten sehr bald
den Ton zu finden, der in die Herzen der Bergknappen drang, und
der sich vornehmlich auf die Liebe und Anhänglichkeit der Bergleute
zu ihrem Beruf und auf ihren Berufsstolz gründete. Kluge Prediger
suchten zur Versinnlichung der religiösen Wahrheiten dieselben in
die Sprache und Bilder der Bergleute zu kleiden. Der Bergmann
ward dadurch gewohnt, seinen Beruf und seine Redeweise durch die
Schrift, welche gleichsam in seiner Sprache redete, geheiligt zu sehen.
Auf diese Weise entstanden die charakteristischen Bergpredigten, ganz
besonders im Erzgebirge. Der berühmteste Bergprediger wurde
Mathesius (siehe S. 55), der sich in seiner Sarepta einen geist-
lichen Bergmann, die christliche Kirche und Gemeinde aber das
geistliche Bergwerk nennt. Er wusste in kräftigem Ausdruck, herz-
licher Wärme und sinnvoller Helligkeit das göttliche Wort in die
Sprache und Anschauung des Bergmanns zu übersetzen und den Herzen
der Knappen zugänglich zu machen, wobei er es vorzüglich verstand,
praktische Belehrung mit inniger Gemütsanregung zu verbinden.

Neben der Kirche hielten die Bergleute die Schule hoch. Kein
Stand hat für das Volksschulwesen von jeher so viel gethan als der
Bergmannsstand. Die Opfer, die sie für Kirche und Schule brachten,
waren ihnen ein Gotteszehnt.

Die Schmelzer und Hüttenleute waren die Genossen der Berg-
leute. Die Schmiede und diejenigen, welche das Eisen verarbeiteten,
standen dagegen dem bürgerlichen Handwerk näher, bildeten Zünfte
und hatten ihre Zunftordnungen und Gebräuche.



1) Siehe Mosch, a. a. O., Bd. II, S. 117.

Bergbau.
besondern Verdienst gemacht, Kirchen und Kapellen zu stiften, so
in Kuttenberg, Freiberg, Löwenberg u. s. w. 1). Als aber vor und mit
der Reformation Predigten zum Bedürfnis wurden, fing man an, wie
in Kuttenberg, besondere Prediger für die Bergleute zu bestellen,
ihnen aus eigenen Mitteln Besoldung zu reichen und ihnen besondere
Wohnung, meist neben der Kirche, einzurichten und anzuweisen, so
geschah es Ende des 15. Jahrhunderts schon zu Schneeberg und
St. Annaberg. Die Prediger dieser Bergkirchen wuſsten sehr bald
den Ton zu finden, der in die Herzen der Bergknappen drang, und
der sich vornehmlich auf die Liebe und Anhänglichkeit der Bergleute
zu ihrem Beruf und auf ihren Berufsstolz gründete. Kluge Prediger
suchten zur Versinnlichung der religiösen Wahrheiten dieselben in
die Sprache und Bilder der Bergleute zu kleiden. Der Bergmann
ward dadurch gewohnt, seinen Beruf und seine Redeweise durch die
Schrift, welche gleichsam in seiner Sprache redete, geheiligt zu sehen.
Auf diese Weise entstanden die charakteristischen Bergpredigten, ganz
besonders im Erzgebirge. Der berühmteste Bergprediger wurde
Mathesius (siehe S. 55), der sich in seiner Sarepta einen geist-
lichen Bergmann, die christliche Kirche und Gemeinde aber das
geistliche Bergwerk nennt. Er wuſste in kräftigem Ausdruck, herz-
licher Wärme und sinnvoller Helligkeit das göttliche Wort in die
Sprache und Anschauung des Bergmanns zu übersetzen und den Herzen
der Knappen zugänglich zu machen, wobei er es vorzüglich verstand,
praktische Belehrung mit inniger Gemütsanregung zu verbinden.

Neben der Kirche hielten die Bergleute die Schule hoch. Kein
Stand hat für das Volksschulwesen von jeher so viel gethan als der
Bergmannsstand. Die Opfer, die sie für Kirche und Schule brachten,
waren ihnen ein Gotteszehnt.

Die Schmelzer und Hüttenleute waren die Genossen der Berg-
leute. Die Schmiede und diejenigen, welche das Eisen verarbeiteten,
standen dagegen dem bürgerlichen Handwerk näher, bildeten Zünfte
und hatten ihre Zunftordnungen und Gebräuche.



1) Siehe Mosch, a. a. O., Bd. II, S. 117.
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[549/0569] Bergbau. besondern Verdienst gemacht, Kirchen und Kapellen zu stiften, so in Kuttenberg, Freiberg, Löwenberg u. s. w. 1). Als aber vor und mit der Reformation Predigten zum Bedürfnis wurden, fing man an, wie in Kuttenberg, besondere Prediger für die Bergleute zu bestellen, ihnen aus eigenen Mitteln Besoldung zu reichen und ihnen besondere Wohnung, meist neben der Kirche, einzurichten und anzuweisen, so geschah es Ende des 15. Jahrhunderts schon zu Schneeberg und St. Annaberg. Die Prediger dieser Bergkirchen wuſsten sehr bald den Ton zu finden, der in die Herzen der Bergknappen drang, und der sich vornehmlich auf die Liebe und Anhänglichkeit der Bergleute zu ihrem Beruf und auf ihren Berufsstolz gründete. Kluge Prediger suchten zur Versinnlichung der religiösen Wahrheiten dieselben in die Sprache und Bilder der Bergleute zu kleiden. Der Bergmann ward dadurch gewohnt, seinen Beruf und seine Redeweise durch die Schrift, welche gleichsam in seiner Sprache redete, geheiligt zu sehen. Auf diese Weise entstanden die charakteristischen Bergpredigten, ganz besonders im Erzgebirge. Der berühmteste Bergprediger wurde Mathesius (siehe S. 55), der sich in seiner Sarepta einen geist- lichen Bergmann, die christliche Kirche und Gemeinde aber das geistliche Bergwerk nennt. Er wuſste in kräftigem Ausdruck, herz- licher Wärme und sinnvoller Helligkeit das göttliche Wort in die Sprache und Anschauung des Bergmanns zu übersetzen und den Herzen der Knappen zugänglich zu machen, wobei er es vorzüglich verstand, praktische Belehrung mit inniger Gemütsanregung zu verbinden. Neben der Kirche hielten die Bergleute die Schule hoch. Kein Stand hat für das Volksschulwesen von jeher so viel gethan als der Bergmannsstand. Die Opfer, die sie für Kirche und Schule brachten, waren ihnen ein Gotteszehnt. Die Schmelzer und Hüttenleute waren die Genossen der Berg- leute. Die Schmiede und diejenigen, welche das Eisen verarbeiteten, standen dagegen dem bürgerlichen Handwerk näher, bildeten Zünfte und hatten ihre Zunftordnungen und Gebräuche. 1) Siehe Mosch, a. a. O., Bd. II, S. 117.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/569>, abgerufen am 29.03.2024.